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Anhörung zum Leistungsschutzrecht

Hier finden Sie eine Zusammenfassung der Anhörung zum Leistungsschutzrecht für Presseverleger im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags am 30. Januar 2013. Dieser Text ist die archivierte Version eines während der Sitzung geführten Liveblogs.

Die Anhörung beginnt mit Eingangsstatements der Experten.

Prof. Dr. Ralf Dewenter, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf: Leistungsschutzrecht wäre innovationsfeindlich.

Prof. Dr. Jürgen Ensthaler, Technikrecht TU Berlin: findet das LSR gut, passt zu bestehenden Schutzrechten.

DJV-Vertreter: will kein Leistungsschutzrecht, hält Urhebervertragsrecht für wichtigere Baustelle.

Christoph Keese, Axel Springer AG: beklagt, dass Aggregatoren Leistung der Verlage nutzen, ohne zu zahlen.

Dr. Till Kreutzer, iRights.info: weist darauf hin, dass Leistungsschutzrechte Ausschließlichkeitsrechte sind. Wer nutzen will, muss vorher fragen. Hält LSR für Presseverleger auch verfassungsrechtlich für bedenklich.

Dr. Holger Paesler, Verlagsgruppe Ebner Ulm: befürwortet Einführung Leistungsschutzrecht. Es gibt eine Schutzlücke.  Werbeerlöse sind im Internetzeitalter zurückgegangen. Internet entbündelt Angebote, folglich können wir uns nicht mehr refinanzieren. Erwähnt Presse-Monitor-GmbH, funktioniert angeblich einwandfrei.

Prof. Dr. Rolf Schwartmann, Kölner Forschungsstelle für Medienrecht: Ohne Leistungsschutzrecht gibt es gar keinen Markt für die Leistung der Verleger. Der Gesetzgeber muss jetzt diesen Markt schaffen. Alles andere wäre Marktverhinderung.

Prof. Dr. Gerald Spindler, Uni Göttingen: Urheber wird hier wesentlich schlechter behandelt als jeder Presseverleger. Wenn Urheber Text ins Internet stellt, hat er keinen Anspruch auf eine Vergütung, da das als konkludente Einwilligung geht. Warum soll dann der Verleger etwas erhalten? Investitionsschutz sind Ausnahmen, nicht die Regel. Wenn die Verlage die robots.txt nicht nutzen wollen, sind sie selbst schuld – der BGH mutet dies den Urhebern auch zu (im Google-Bildersuche-Urteil). Wenn Sie überhaupt dieses LSR einführen wollen, dann bitte wenigstens mit Befristungsklausel. Der gesamte Fachausschuss Urheberrecht der GRUR hat sich dagegen ausgesprochen.

Thomas Stadler, Rechtsanwalt für IT-Recht und gewerblichen Rechtsschutz: Dienste der Informationsgesellschaft sind nach e-Commerce-Richtlinie besonders geschützt, sie genießen Haftungsprivilegien. Das geplante Gesetz würde diese Richtlinie unterlaufen. Außerdem bildet sich organisatorisch-wirtschaftliche Leistung des Verlags gerade nicht ins Snippets ab. Snippets sind, wenn überhaupt, Teil der Leistung von Urhebern. Der Gesetzentwurf stellt die Arbeit von Suchmaschinen in Frage.

Es beginnt die Fragerunde.

Burkhard Lischka, SPD: Ist der Adressatenkreis klar genug umrissen?

Halina Wawzyniak, DIE LINKE: Wie ist Leistungsschutzrecht im Hinblick auf Berufsfreiheit und auf Meinungsfreiheit zu bewerten?

Petra Sitte, DIE LINKE: Die Bundesregierung kann nicht eindeutig abgrenzen, welche Dienste vom LSR betroffen sein werden, welche nicht. Wie viele werden von solchen Unsicherheiten betroffen sein?

Kathrin Senger-Schäfer, DIE LINKE: Die Gesetzesinitiative wird mit der Sicherung der Medienvielfalt begründet. Kommt das hin? Und welche Auswirkungen hätte das LSR auf Journalistinnen und Journalisten?

Ansgar Heveling, CDU: fragt nach verfassungsrechtlichem Rahmen. Und warum brauchen Verlage ein LSR, wenn sie doch selbst technische Schutzmaßnahmen vornehmen können?

Thomas Jarzombek, CDU: Inwieweit wären Blogger und soziale Netzwerke davon betroffen? Könnte man nicht die robots.txt zum Gegenstand eines Gesetzes machen?

Tabea Rößner, Grüne: Wenn das LSR ein Ausschließlichkeitsrecht ist, inwiefern sind dann die Zweitverwertungsrechte der Urheberinnen und Urheber betroffen? Wie kann eine Suchmaschine automatisch erkennen, ob es sich um ein Presseerzeugnis handelt?

Stephan Thomae, FDP: Wäre es besser, wenn das Leistungsschutzrecht nicht als Ausschließlichkeitsrecht, sondern als Einspruchsrecht ausgestaltet wäre?

Martin Dörmann, SPD: Gibt es eine Alternative zum Leistungsschutzrecht, das weniger Kollateralschäden auslösen, aber zumindest die kleinen Verlage trotzdem schützen würde?

Thomas Silberhorn, CSU: Könnte man ein LSR nicht auch verwertungsgesellschaftspflichtig ausgestalten?

Antwortrunde:

Thomas Stadler; Fachanwalt für IT-REcht: Die e-Commerce-Richtlinie hat Vorrang vor nationalem Recht, aber im Zweifel müsste das vor dem Europäischen Gerichtshof geklärt werden. @Thema Zweitverwertung: Da sehe ich in der Tat ein großes Problem. Wenn ein Journalist drei verschiedenen Verlagen einfache Nutzungsrechte einräumt, müssten bei Online-Veröffentlichung dieser Texte bei drei Verlagen Leistungsschutzrechte entstehen. Das aber kann nicht sein, da das LSR ja ein Ausschließlichkeitsrecht ist. Dieser dogmatische Widerspruch scheint unauflösbar.

Prof. Gerald Spindler, Uni Göttingen: Der Gesetzesentwurf versucht, den Kreis der Betroffenen auf Suchmaschinen und vergleichbare Dienstleister zu reduzieren. Was ist zum Beispiel mit embedded services, also Seiten, die Suchmaschinen einbinden? Auch Soziale Netzwerke fangen mittlerweile an, Suchmaschinen anzubieten. Und wenn Inhalte in Blogs unter Kategorien abgelegt werden, sind das u.U. auch presseähnliche Erzeugnisse. Was die Frage nach möglichen, schonenderen Alternativen angeht, so ist sie sehr schwer zu beantworten. Man müsste auf europäischer Ebene an das Problem der konkludenten Einwilligung heran. Man könnte allerdings an automatische Lizenzvergaben mit technischen Mitteln denken.

Prof. Dr. Rolf Schwartmann, Kölner Forschungsstelle für Medienrecht: Es gibt zwar Haftungsprivilegierungen für Suchmaschinen im Urheberrecht, aber hier geht es ja um Leistungsschutzrechte.

Dr. Holger Paesler, Verlagsgruppe Ebner Ulm: Die Verlage können es sich nicht leisten, Google auszuschließen, weil sie auf Reichweite angewiesen ist. Außerdem fällt man im Suchranking ab, wenn man sich auslistet. Zur Frage nach einer Verwertungsgesellschaft: wäre praktisch für das Handling, aber dann hätten wir noch einen Dritten mit im Markt.

Dr. Till Kreutzer, iRights.info: Verfassungsrechtliche Bewertung ist stets von einer Balancierung verschiedener Interessen abhängig: einerseits Verlage, andererseits Aggregatoren, Nutzer etc. Es geht nicht um die Frage, ob Verleger überhaupt einen Schutz genießen – den genießen sie durchaus, denn alles, was über Snippets hinausgeht, ist ohnehin schon Gegenstand des Urheberrechts. Die einzige Frage, die sich stellt, ist: Ist es gerechtfertigt, ein Gesetz zu schaffen, das derartig in einen Markt eingreift? Gibt es wirklich einen Regelungsbedarf? Ich kann ihn nicht erkennen. Wer alles von einem solchen neuen Recht betroffen wäre, ist ebenfalls nicht klar. Es entsteht Rechtsunsicherheit. Bis sämtliche Fragen geklärt sind, wird es mindestens fünf Jahre dauern. Bis dahin würde ich jedem Mandanten raten, keine Dienste anzubieten, die Snippets einbinden. Welche Auswirkungen es auf Journalisten haben wird, ist auch unklar. „Das Recht kann nicht zum Nachteil des Urhebers geltend gemacht werden“ – ich weiß nicht, was das bedeutet. Eines ist aber klar: Wenn ich gern möchte, dass ich gefunden werde, will ich nicht fünf Jahre darauf warten, dass sich mein Verlag mit dem Suchmaschinenanbieter einigt. Der Urheber kann also nicht erzwingen, dass seine Texte angezeigt werden, wenn der Verlag es nicht will. Was die robots.txt angeht, kann man auch heute schon einstellen, dass man gefunden werden will, dass aber kein Snippet angezeigt werden soll. Genauer kenne ich mich da leider auch nicht aus. Gibt es schonendere Lösungen als das LSR? Kann sein, aber erst mal sollte man sich fragen, ob man das Recht überhaupt braucht. Wenn es nur um die Rechtsdurchsetzung geht, würde es auch eine Klagebefugnis/Vermutungsregelung für Verleger tun.

Christoph Keese, Axel Springer AG: Die robots.txt hilft nur bei denen, die auch bereit sind, sie zu beachten. Es muss maschinenlesbare Rechtesprachen geben. Rechteklärung kann elektronisch in Sekundenschnelle erfolgen. Dazu braucht man allerdings Rechtesprachen. Bei der robots.txt kann man keine Preisvorstellungen oder auch Urheberbezeichnungen hinterlegen. Die robots.txt ist kein Ersatz für einen schriftlichen Lizenzvertrag, genau das bräuchten wir aber.

Prof. Dr. Ralf Dewenter, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf: Die entscheidende Frage wird sein, wie am Ende die Höhe der Leistung bestimmt wird. Für ein junges, neues Unternehmen können solche Kosten prohibitiv sein, müssen es aber nicht. Es hängt von der Umsetzung ab. Die Gefahr ist: mehr Kosten, ergo höhere Markteintrittsbarrieren. Auch was die Medienvielfalt angeht, lassen sich die Wirkungen derzeit kaum abschätzen. Es kann natürlich passieren, dass Suchmaschinen bestimmte Anbieter auslisten oder nur für das zahlen, worauf besonders viele Leute zugreifen wollen.

Es beginnt die zweite Fragerunde.

Jimmy Schulz, FDP: Wie groß darf der Snippet sein, sodass er gerade noch nicht unter das Leistungsschutzrecht fällt? Sollten Verlage das nicht individuell bestimmen können? Kann man das Dilemma nicht technisch lösen?

Tabea Rößner, Grüne: BGH hat bei Google-Bildersuche entschieden, dass es als konkludente Einwilligung gilt, wenn Leute freiwillig Inhalte ins Netz stellen. Kollidiert diese Rechtsprechung nicht mit dem LSR? Und was wollen die Verlage tun, wenn Google sie einfach auslistet?

Halina Wawzyniak, LINKE: Hätten nicht die Mitglieder der EU-Kommission Gelegenheit zur Stellungnahme bekommen müssen?

Martin Dörmann, SPD: Die Probleme der Verlage sind nicht wegzureden. Aber ist nicht heute schon die komplette Übernahme von Texten in andere Portale zu verhindern? Und würde sich nicht an der konkludenten Einwilligung zu Snippets mit diesem Gesetz etwas zu ändern?

Burkhard Lischka, SPD: Wie steht es um eine mögliche Kollision der Interessen von Urhebern und Verlagen?

Manuel Höferlin, FDP: Könnte man es nicht so machen, dass die Verlage individuell selbst entscheiden, wie viel Text als Snippet angezeigt werden darf, ohne dass eine Zahlungspflicht entsteht?

Thomas Jarzombek, CDU: Könnte man nicht doch die robots.txt in das Gesetz einbauen?

Petra Sitte, LINKE: fragt noch einmal nach eventuellen Auswirkungen auf Medienvielfalt.

Thomas Silberhorn, CSU: Was ist eigentlich der Unterschied zu Hörfunksendungen, die aus Zeitungen zitieren?

Prof. Dr. Ralf Dewenter, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf: Kleinere Verlage wären vermutlich schwerer betroffen als größere.

Prof. Ensthaler, Technikrecht, TU Berlin: Wann liegt eine wirtschaftliche Beeinträchtigung vor? Sicher nicht allein durch Zitieren im Hörfunk, aber da klagen die Verlage ja auch nicht. Als Schutzgegenstand sehe ich nicht die Ergebnislisten von Suchmaschinen, sondern die Übernahme von redaktionell aufbereiteten Inhalten durch einen Suchmaschinenbetreiber, der sie dann selbst als Informationshäppchen anbietet.

Christoph Keese, Axel Springer AG: Unsere Wunschvorstellung ist, dass jedes Newsdesk unterschiedliche Ausspielungsgrade für die Text angeben kann, also selbst entscheiden, ob viel oder wenig im Netz angezeigt wird. Es wird einen Marktpreis geben, sobald es einen Markt gibt. Wir wollen marktgerechte Preise setzen. Wir legen es nicht darauf an, dass irgendwelche Aggregatoren uns auslisten, aber wenn einer nicht will, dann kann ja ein junges deutsches Startup in die Lücke springen. Durch die Entbündelung im Internet müssen neben Anzeigen und Abos auch Einnahmen durch Lizenzgebühren treten, sonst können wir unsere Abomodelle nicht durchsetzen. Es wäre natürlich verlockend einfach, wenn man zwischen denen, die viel übernehmen, und denen, die nur Schnipsel übernehmen, unterscheiden könnte. Aber schauen Sie sich die Google-Bildersuche an, die wird jetzt bildschirmgroß. Die Grenzen werden immer fließender.

Dr. Till Kreutzer, iRights.info: Die Paperboy-Entscheidung zu Snippets sagt klar: Links sind weder wettbewerbswidrig noch ein Eingriff in Datenbankrechte noch ein Eingriff in Urheberrechte. Das würde sich durch den Gesetzentwurf  ändern. Zukünftig müssten Rechte eingeholt werden. Es gibt aber Hunderte von Verlagen und Tausende von Journalisten und Blogger, die ich alle vorher fragen müsste, wenn ich einen Newsaggregator anbieten will. Bislang musste ich diese Rechte nicht klären.

Prof. Dr. Schwartmann, Kölner Forschungsstelle für Medienrecht: Ist die Paperboy-Rechtsprechung mit dem Leistungsschutzrecht kompatibel? 2003 hat das Gericht gesagt: Wer das nicht will, der muss sich dagegen schützen. Aber heute reden wir über ganz andere Dienste als Paperboy, nämlich über Google News – ein Dienst, der dazu führt, dass man die Webseiten der Verlage gar nicht mehr zu besuchen braucht. Die Entscheidung zur Google Bildersuche war 2010. Wie der BGH heute entscheiden würde, wissen wir nicht.

Prof. Dr. Gerald Spindler, Uni Göttingen: Der Entwurf sagt ausdrücklich, dass sämtliche Schranken des Urheberrechts unberührt bleiben. Davon ist auch § 49 (2) umfasst – das ist ein Widerspruch. Zur Kollision von Urheber- und Verlagsinteressen: Wenn ich nur einfache Nutzungsrechte eingeräumt habe, kann der Verlag mit seinem neuen Leistungsschutzrecht verhindern, dass mein Text von Suchmaschinen angezeigt wird. Das lässt sich auch nicht auflösen.

Thomas Stadler, Fachanwalt für IT-Recht: Ob die Mitgliedsstaaten der EU der Kommission im Sinne des Notifizierungsverfahrens Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen, kann ich auf die Schnelle nicht 100%ig beantworten, aber es klingt plausibel. Diese Diskussion gab es schon mal im Zusammenhang mit dem Zugangserschwerungsgesetz. Letztlich ist das aber ein rein formaler Punkt.

4 Kommentare zu “Anhörung zum Leistungsschutzrecht”

  1. […] hat der unermüdliche @presroi love live mitgebloggt, und auch die Digitale Linke hat mitgeschrieben.   [View the story "#LSR: Öffentliche Anhörung am 30.01.2013" on […]

  2. […] erklärt haben kann hier nachgelesen werden. Da ich von der Anhörung getwittert habe und hier eine Quasi-Live-Berichterstattung stattfand, verweise ich einfach […]

  3. […] der Oppositionsfraktionen eingeladen werden, da sich die Koalitionsfraktionen wie zuvor in der Anhörung im Rechtsausschuss vom 30.01.2013 erneut weigerten, Google zu […]

  4. […] Nicht-Antwort der Bundesregierung auf den von der Bundestagsfraktion DIE LINKE im Anschluss an die Anhörung im Rechtsausschuss formulierten Fragenkatalog „Unwägbarkeiten des Leistungsschutzrecht für Presseverlage“ (Drs. […]