DIGITALE LINKE
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Das „Google-Institut“ und unabhängige Netzforschung

Ein Gastbeitrag von Petra Sitte, forschungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE:

Gestern wurde bekannt, wer das von Google bereits im Februar angekündigte „Institut für Internet und Gesellschaft“ leiten wird und dass die Arbeit Mitte Oktober beginnt. Eine gute Initiative, die jedoch Fragen aufwirft:

Auf der einen Seite ist es begrüßenswert, dass endlich auch auf wissenschaftlicher Seite der gesellschaftliche Aspekt des Netzes prominente Beachtung in Form eines eigenen Institutes findet. Die Leitlinien der künftigen Institutsarbeit und ihr Fokus auf die Menschen, die im und mit dem Internet leben, arbeiten und kommunizieren, scheinen sinnvoll gewählt. Nicht zuletzt bin ich von der fachlichen Expertise des Leitungsgremiums voll überzeugt. Jeanette Hofmann und Wolfgang Schulz habe ich in der Internet-Enquete als äußerst kundige und kritische Geister erlebt, die für das Thema die nötige Portion Leidenschaft mitbringen. Gerade deshalb bin ich von ihrer inhaltlichen Unabhängigkeit überzeugt.

Auf der anderen Seite trete ich seit Jahren für die Unabhängigkeit der Wissenschaft ein, die aufgrund ständiger Unterfinanzierung durch die öffentliche Hand massiv gefährdet wird. Wird dies durch privatwirtschaftliche Förderung ersetzt, steht Forschung immer in Frage, seien die Forscherinnen und Forscher noch so freie Geister und seien die Versprechen der Geldgeber, sich inhaltlich herauszuhalten, noch so ernst gemeint.

Insofern ist auch die von Philipp Banse geäußerte Kritik ernst zu nehmen, die Institutsgründung sei ein Armutszeugnis für die Wissenschaft in Deutschland.

Es ist zwar nicht so, dass niemand mit öffentlichen Mitteln rund ums Internet forschen würde. Da wären beispielsweise die Max-Planck-Institute für Informatik und Software-Systeme, der Exzellenz-Cluster „Multimodal Computing and Interaction“ oder das DFG-Schwerpunktprogramm „Ultra-Wideband Radio Technologies for Communications, Localization and Sensor Applications“.

Aber hier zeigt sich, der Schwerpunkt liegt auf der Technik und nicht den gesellschaftlichen Aspekten. Und zumindest dort, wo Technik und Nutzerperspektive verbunden werden, wie beim „THESEUS“-Programm des Forschungsministeriums (u.a. zur semantischen Suche) liegt der Schwerpunkt auf der Produktentwicklung. Die tragenden Säulen hier sind Firmen aus der Privatwirtschaft. Die von Banse zu Recht geforderte Unabhängigkeit ist gar nicht gewünscht. Nicht zuletzt sind die juristischen Forschungen insbesondere im Immaterialgüterrecht, wie am entsprechenden MPI unter der Leitung von Prof. Reto Hilty nicht zu vergessen. Doch hier ist das Internet ein Schwerpunkt unter anderen.

Der gesellschaftlichen Bedeutung, die das Netz seit langem hat, wird diese Technik- und Produktfixiertheit ebenso wenig gerecht wie die nicht vorhandenen Schwerpunkte in den Gesellschaftwissenschaften. Dies aber pauschal den deutschen Netzforschen vorzuwerfen, ist bei aller berechtigten Kritik zu voreilig.

Eine breite, transdisziplinär angelegte Forschung, wie sie sich das neue Institut vornimmt und wie sie zu Recht gefordert wird, lässt sich in Deutschland zur Zeit leider nur über sogenannte Drittmittelprojekte leisten. Solche Verbünde werden nur über Projektgelder der Wirtschaft oder der öffentlichen Hand finanziert.

Insbesondere das zuständige Bundesministerium für Bildung und Forschung setzt hier so klare wie falsche Prioritäten. Es verwechselt den eigenen Anspruch, die großen Gesellschaftsprobleme zu behandeln, mit ausschließlicher Wirtschaftsförderung. Da wird für zu fördernde Projekte die oben angesprochene Co-Finanzierung aus der Wirtschaft verlangt und der Schwerpunkt auf die Vermarktbarkeit von Forschungsergebnissen gelegt. Gesellschaftswissenschaften werden so an den Rand gedrängt. Ähnliches gilt für die europäische Forschungsförderung, die den Anteil der Fördergelder für Geistes- und Sozialwissenschaften kontinuierlich verringert und sie vor allem als Begleit- und Akzeptanzforschung der Innovationsförderung marginalisiert.

Augenscheinliches Beispiel für die Politik des Forschungsministeriums war die Konferenz „Zukünftiges Internet“ vergangene Woche. Zwar wurden dort neben den üblichen Subventionsansprüchen der Unternehmen unter Schlagwörtern wie „öffentlicher Raum“ oder„Metaregeln für die Informationsgesellschaft“ auch gesellschaftliche Themen außerhalb von Industrieinteressen diskutiert. Die Öffentlichkeit war von dieser Konferenz durch nicht vorhandene Bewerbung in der Netzcommunity und einer Teilnahmegebühr von 200 Euro faktisch ausgeschlossen. Auch gibt es keinerlei Anzeichen, dass das Forschungsministerium seine oben kritisierte Förderpolitik ändern will.

Ich werde nicht zuletzt in der ab September arbeitenden Projektgruppe „Bildung und Forschung“ der Internet-Enquete meine Kritik an dieser Politik zum Ausdruck bringen. Solange die Grundfinanzierung der Forschungseinrichtugen nicht gewährleistet ist und Projektmittel nach Vermarktbarkeit vergeben werden, werden auch die besten Netz-Forscherinnen und -forscher nur schwer gemeinsame und unabhängige Internet-Institute aufbauen können.

3 Kommentare zu “Das „Google-Institut“ und unabhängige Netzforschung”

  1. Tobias Schulze sagt:

    Frank Rieger (CCC) dazu kritischer: Ist dieser soziale Blindenhund bissig? http://www.faz.net/artikel/C30351/google-laesst-forschen-ist-dieser-soziale-blindenhund-bissig-30462686.html

  2. […] die Potenziale digitaler Kommunikation für mehr Selbstbestimmung genutzt werden können. Welche Forschung brauchen wir dafür? Und welche Rolle spielen die neuen Plattformen und Dienste. Oder ob wir etwas […]

  3. […] die Potenziale digitaler Kommunikation für mehr Selbstbestimmung genutzt werden können. Welche Forschung brauchen wir dafür? Und welche Rolle spielen die neuen Plattformen und Dienste. Oder ob wir etwas […]