DIGITALE LINKE
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Enquete als Farce

Bereits im Januar des letzten Jahres war an dieser Stelle davon die Rede, dass die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Deutschen Bundestages nach dem Willen der Koalition wohl kaum zur Erarbeitung von fraktionsübergreifenden Handlungsempfehlungen genutzt werden wird, sondern vielmehr zur öffentlichkeitswirksamen Begleitung und Einbettung von Gesetzesinitiativen der Bundesregierung. Mit der heutigen Sitzung der Kommission hat sich dieses, seinerzeit noch im Konjunktiv ausgesprochene, Urteil bestätigt.

Nachdem der von der FDP benannte Sachverständige padeluun angekündigt hatte, für eine gesetzliche Verankerung der Netzneutralität zu stimmen und sich dem Sondervotum (dort: Z. 1953–2290) von SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN samt Sachverständigen anzuschließen, wurde auf der heutigen Kommissions-Sitzung eine Beschlussfassung von Seiten der Koalition erneut abgesetzt. Mangels eigener Mehrheiten drohte dieser binnen Wochenfrist zum zweiten Mal eine herbe Abstimmungsniederlage und eine Mehrheitsfindung, die der von der Bundesregierung in der bevorstehenden Novellierung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) vertretenen Position zur Netzneutralität diametral zuwidergelaufen wäre.

Wie schon vergangenen Montag musste eine Abstimmung daher heute unbedingt und mit allen Mitteln verhindert werden. Erneut gelang das der Koalitionsmehrheit per Geschäftsordnungsantrag. Schon in der dazu vorgetragenen Begründung, der Text in Sachen Netzneutralität würde bei gegenläufigem Votum in seiner Konsistenz Schaden nehmen, erweist sich die Arbeit der Enquete zunehmend als Farce. Doch kommt es noch dicker!

padeluun erklärte nach Beendigung der Sitzung in einem Kommentar zu einem entsprechenden Bericht auf Netzpolitik.org, dass ihm die FDP die Zusammenarbeit in netzpolitischen Angelegenheiten aufgekündigt habe:

Besonders spannend nun, dass mir gerade mitgeteilt wurde, dass die FDP (das ist die Partei, die mich für die Enquête vorgeschlagen hat), “mir für netzpolitische Themen nicht mehr als Ansprechpartner zur Verfügung steht“.

Damit sind padeluun die Instrumente der in Koalitionsräson stehenden FDP aufgezeigt. Mit der Mitteilung ist eine Kündigung durch die Liberalen, wenngleich (noch) nicht ausgesprochen, so doch avisiert. Der abweichende Sachverständige hat nun die Wahl – entweder in sich zu gehen und zur Besinnung zu kommen oder aus eigenem Antrieb den Schlussstrich zu ziehen und sein Mandat aufzugeben. Tut er beides nicht, liegen weitere Instrumente parat.

Das vom Deutschen Bundestag herausgegebene Handbuch „Enquete-Kommissionen des Deutschen Bundestages“ sieht durchaus auch eine Entlassung von Personen vor. Zu den benannten Sachverständigen heißt es dort in Interpretation der Geschäftsordnung:

Der Bundestagspräsident beruft die benannten Personen, kann sie aber auf Aufforderung der benennenden Fraktion auch wieder abberufen. [S. 13]

Das entspricht dem Motto: Wo kämen wir auch hin, wenn eine Meinungsfindung frei und unabhängig vom Auftraggeber erfolgte!

Wie die „Schmierenkomödie“ (Markus Beckedahl) demnächst weitergespielt werden wird, wird sich im Hohen Hause spätestens nach der Sommerpause erweisen.

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