DIGITALE LINKE
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Haftungsprivilegien für Host-Provider in der Diskussion

Gestern lud das Kölner Forum Medienrecht zu ihrer Jahresauftaktveranstaltung in den Kölner Ratssaal.   Die Haftungsprivilegien von Intermediären waren das Thema mehrere Impulsreferate und Podien. Auch Halina als recht- und netzpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE war dabei. Doch worum geht’s bei diesen Haftungsprivilegien von Intermediären überhaupt?

Intermediäre sind nichts anderes als Vermittler. Im digitalen Bereich unterscheidet man zwischen den sogenannten Zugangsanbietern (Access-Provider) und Diensteanbieter (Host-Provider). Access-Provider bieten einen Zugang zum Internet an. §8 des Telemediengesetzes (TMG) regelt, dass Access-Provider nicht für das haften müssen, was Nutzerinnen und Nutzer mit den Internetanschluss anstellen. Das heißt, wenn ein Nutzer oder eine Nutzerin rechtswidrig ein urheberrechtlich geschütztes Werk hochlädt, kann dafür nicht der Access-Provider verantwortlich gemacht werden. Diese Regelung wird derzeit nicht infrage gestellt. In dem Zusammenhang wird eher diskutiert, ob Anbieter offener Funknetze auch als Access-Provider gelten und sie damit auch unter diesen Haftungsausschluss fallen. In einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) wurde dies verneint. Betreiber würden als sogenannte Störer haften, wenn sie ihre Funknetze nicht ausreichend schützen also zum Beispiel verschlüsseln. Diese Störerhaftung hat seitdem zu großer Rechtsunsicherheit geführt, sodass sich bei allen im Bundestag vertretenden Parteien (als letztes bei der CDU) die Einsicht durchgesetzt hat, diese Störerhaftung zu beseitigen. Wie immer wird aber über die genaue Umsetzung gestritten. Im Zusammenhang mit Access-Providern sind auch die Netzsperren erneut ins Gespräch gekommen. Wieder einmal ist ein Urteil des BGH Schuld, das solche Netzsperren grundsätzlich erlaubt. Es kann also unter bestimmten Umständen von Access-Providern verlangt werden, dass sie bestimmte Inhalte für die Augen ihrer Nutzerinnen und Nutzer sperren. Eigentlich schien die Diskussion entschieden, da sich schon lange die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass Inhalte zu löschen viel effektiver ist als sie einfach nur auszusperren. Doch Dank des BGH wird dieser Klassiker der netzpolitischen Diskussionen wohl wieder neu aufflammen.

Aufgeflammt ist auch die Diskussion um die Host-Provider. Host-Provider bieten ihren Nutzern die Möglichkeit Daten ins Netz zu laden und zu teilen. Host-Provider können einfache Cloud-Dienste sein oder Dienste wie YouTube oder Facebook, die es Nutzerinnen und Nutzern ermöglichen, selbst erstellte Inhalte weit zu verbreiten. Aber auch Internetseiten wie Kino.to, die ganz offensichtlich rechtswidrig urheberrechtlich geschützte Werke verbreiten, fallen darunter. Host-Provider können sich ähnlich wie Access-Provider auf Haftungsprivilegien berufen. Dies ist in §10 Telemediengesetz geregelt. Demnach sind Host-Provider dann nicht für fremde Informationen, die ihre Nutzerinnen und Nutzer speichern, haftbar, wenn sie keine Kenntnis von rechtswidrigen Handlungen hatten oder sie unverzüglich handelten, nachdem sie von solchen Handlungen erfuhren. Es ist angesichts dessen relativ leicht einsehbar, dass Seiten wie Kino.to sich nicht auf diese Haftungsprivilegien berufen können. Doch kein Gesetz ohne Auslegungsvarianten. Dies liegt unter anderem daran, dass neben der nationalen auch die europäische Ebene einiges mitzureden hat. Und so gibt es einige Urteile sowohl auf deutscher als auch auf nationaler Ebene, die die genaue Auslegung der Haftungsprivilegien für Host-Provider zu klären versuchten – oder auch nicht.

Auf europäischer Ebene unterscheidet die Rechtsprechung bei der Bemessung, ob einem Host-Provider umfassende Prüfpflichten auferlegt werden, welche Art der Vermittlung er vornimmt, erklärte Dieter Frey in seinem sehr anschaulichen Eingangsreferat zu Beginn der Veranstaltung. Ist sie neutral, also stellt der Provider lediglich die technischen Möglichkeiten zur Verfügung, dann kann er sich auf die Haftungsprivilegien berufen. Ist der Host-Provider aber aktiv an der widerrechtlichen Verbreitung von bspw. urheberrechtlich geschützten Werken beteiligt, dann kann er sich auf diese Privilegien nicht berufen. Aktiv bedeutet, dass er zum Beispiel solche Angebote Dritter bewirbt. In der deutschen Rechtssprechung hat sich bisher der Ansatz durchgesetzt, dass ein Host-Provider dann haften kann, wenn er sich die Inhalte in irgendeiner Form zu eigen macht. Exemplarisch steht dafür der Fall von chefkoch.de gegen marions-kochbuch.de. Wiederholt hatten Nutzerinnen und Nutzer auf chefkoch.de urheberrechtlich geschützte Bilder von marions-kochbuch.de hochgeladen. Deshalb verklagte marions-kochbuch-de chefkoch.de auf Unterlassung und Schadensersatz. Der BGH gab dieser Klage statt. Er urteilte, dass sich chefkoch.de die Inhalte seiner Nutzerinnen und Nutzer zu eigen macht , weil es auf die Bilder sein Logo setzte und damit der Eindruck entstand, es handele sich um ein redaktionellen Inhalt. Vor dem Hintergrund solcher unterschiedlichen Urteile kann man sich die Frage stellen, ob die Haftungsprivilegien für Host-Provider tatsächlich einer Reform bedürfen.

Nun plant die Große Koaltion seit geraumer Zeit den ganz großen Wurf. In einem bereits in den Bundestag eingebrachten Gesetzentwurf will man die Störerhaftung bei Betreiben offener WLANs und gleichzeitig die Haftungsprivilegien sogenannter „gefahrengeneigter Dienste“ beseitigen. Warum dies ein Problem ist hat Halina hier ausführlich dargelegt. Doch die Verabschiedung dieses Gesetzentwurfes lässt weiter auf sich warten. Offensichtlich scheint auch die Große Koalition noch einiges an Diskussionsbedarf zu haben, sowohl was die genaue Ausgestaltung der Haftungsprivilegien für Betreiber offener WLANs angeht als auch, was die Haftungsprivilegien für Host-Provider angeht. Vor diesem Hintergrund bewegte sich die erste Diskussionrunde, an der neben Halina, Martin Dörmann von der SPD, Michael Duderstädt von der GEMA und Oliver Süme vom Internetwirtschaftverband eco teilnahm.

Martin Dörmann erklärte in seinem Eingangsstatement, warum die Verabschiedung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung, der – unter Auflagen – die Störerhaftung beim Betreiben offener Funknetze beseitigen und das Haftungsprivileg für sogenannte „gefahrengeneigte Dienste“ aufheben soll, so lange auf sich warten lässt. Es sei die CDU, die sich einfach nicht einige werde. In der SPD habe sich mittlerweile durchgesetzt, dass die Zielsetzung des Gesetzentwurfes richtig, aber die Umsetzung mangelhaft sei. Insbesondere sei fraglich, ob die angestrebte Regelung überhaupt europarechtskonform sei. Allzu überraschend kommt diese Aussage nicht, hatte doch schon der AK Urheberrecht der SPD Verbesserungen angemahnt. Man überlege derzeit, ob man einen Entschließungsantrag zum Gesetzentwurf einbringt, der noch einmal die Grundzüge des Vorhabens klarstellt. Wie dieser Antrag genau aussehen soll, überließ er dann aber der Fantasie des Publikums.

Michael Duderstädt von der GEMA kritisierte, dass insbesondere Host-Provider wie die Google-Tochter YouTube sich weigerten, Urheberinnen und Urheber angemessen an ihren Einnahmen zu beteiligen. Dies sei nicht richtig, erwiderte Georg Nolte von Google auf einem späteren Podium. YouTube böte über die ContentID die technische Möglichkeit an, urheberrechtlich geschützte Werke automatisiert in neu hochgeladenen Videos zu erkennen. Die jeweiligen Rechteinhaber hätten dann die Möglichkeit, solche Inhalte zu sperren oder an der Werbeeinnahmen beteiligt zu werden. Außerdem habe YouTube in 140 Ländern Vereinbarungen getroffen, wie Rechteinhaber an den Werbeeinnahmen beteiligt werden. Nur in Deutschland sei die Verhandlung seit 2009 zu keinem Ergebnis gekommen. Woran das genau liegt, darauf wollten weder GEMA noch Google genauer eingehen.

Letztlich wird aber niemand drumherum kommen, eine angemessene Beteiligung von Kreativen  zu regeln.  Selbst wenn eine Einigung zwischen GEMA und YouTube/Google zustande kommt, ist dies aber längst nicht gesichert. Dies ist keine Frage, die Host-Provider lösen können oder müssen. Die angemessene Vergütung von Kreativen müssen die GEMA und die Verwerter letztlich gewährleisten. Es ist daher an der Zeit, das Urhebervertragsrecht und das Gesetz zur Umsetzung der Verwertungsgesellschaften-Richtlinie (VGG) so zu gestalten, dass Kreative – und hier besonders diejenigen, die gar nicht oder nur kaum von ihrem kreativen Schaffen leben können,– angemessen vergütet werden. Man müsse daher aufpassen, dass man die Debatten um die Host-Provider-Haftung und die angemessene Vergütung von Kreativen nicht miteinander vermische, erklärte daher Halina.

DIE LINKE bleibt bei ihrer Forderung, die Privilegien für Host-Provider in §10 TMG nicht anzutasten. Erst recht lehne sie es ab, sogenannte „gefahrengeneigte Dienste“ mit schwammigen Unbestimmtheiten von der Haftungsprivilegierung auszunehmen, so Halina weiter. Die bestehenden Regelungen reichen vollkommen aus, um gegen „schwarze Schafe“ wie Kino.to vorzugehen. Es gäbe aber – wie so oft – ein Vollzugsdefizit. Man müsse daher vielmehr darüber reden, wie Host-Provider, die offenkundig davon leben, dass rechtswidrige Inhalte verbreitet werden, in Regress genommen werden können. In einem Gesetzentwurf, den LINKE und Grüne bereits vor anderthalb Jahren gemeinsam vorlegten, regele man daher ausdrücklich nur, dass Betreiber offener Funknetze als Access-Provider, also Zugangsanbieter, gelten und damit nicht dafür haften müssen, was Nutzerinnen und Nutzer mit dem WLAN-Zugang anstellen. Erstaunlicherweise hatte keiner auf dem Podium irgendetwas gegen diese Forderung einzuwenden. Das hörte sich vor ein paar Jahren noch ganz anders an.

Eine spannende Veranstaltung war der Jahresauftakt des Kölner Forums Medienrecht auch dieses Jahr. Überzeugende Argumente, warum das Haftungsprivileg für Host-Provider aufgeweicht werden müsse, kamen keine. Dafür umso mehr, warum man diese Büchse der Pandora lieber nicht öffnen sollte und den §10 Telemediengesetz lieber so belässt wie er jetzt ist.

 

2 Kommentare zu “Haftungsprivilegien für Host-Provider in der Diskussion”

  1. […] Zeit im Zug nutze ich meistens um Bücher zu lesen. Da ich vorgestern nach Köln gefahren bin, um an der wirklich gelungenen Veranstaltung des Kölner Forum Medienrecht zum Thema: […]

  2. Max Blum sagt:

    Wichtig Ist ja auch zu beachten, dass Bestandteil der „Kreativen“ unter anderem auch solche sind, die auf Youtube ein selbst geschaffenes Video hochladen, das beispielsweise stellenweise urheberrechtlich geschützte Musik enthält. Wer soll hier also geschützt und wer gefördert werden? Es ist unmöglich, hier klar den „Kreativen“ und den „Urheberrechtsverletzer“ zu benennen. Insofern ist es ärgerlich, dass die sinnvolle Übergangslösung, die Youtube den Rechtinhabern anbietet, seitens GEMA abgelehnt wird. Da sollte bitte noch einmal nachgehakt werden! Solang die GEMA keine schlüssigen Gegenenwürfe hat, ist es unerträglich, dass sie eine so blockierende Haltung einnimmt und damit letztlich den mittellosen Kreativen schadet, die sich u.a. auf Youtube präsentieren.