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Ist das Leistungsschutzrecht nackt?

Wann kommt das Leistungsschutzrecht für Presseverlage? Und vor allem: Wie wird es aussehen? Das Justizministerium war heute Morgen im Unterausschuss Neue Medien des Bundestages gebeten, einen Sachstandsbericht zum Leistungsschutzrecht zu geben. Die Antworten waren mager, in einigen Punkten aber auch aufschlussreich.

Zunächst: Ein Gesetzentwurf, so die Aussage des Parlamentarischen Staatssekretärs Max Stadler (FDP), liegt bislang nicht vor. Zwei Lösungen seien denkbar: Entweder werde Newsaggregatoren der Lizenzerwerb von Snippets über eine Verwertungsgesellschaft gesetzlich vorgeschrieben oder aber im Gesetz ein Unterlassungsanspruch geschaffen, mit dem eine Verwertungsgesellschaft, falls die Verlage das wünschten, in Vergütungsverhandlungen mit den Aggregatoren treten könnten.

Die Tendenz ging, so war der Eindruck, stark zu letzteren Variante. Diese wurde auch als nacktes Leistungsschutzrecht bezeichnet. Damit bekäme das Ganze in Zukunft wohl Ähnlichkeiten mit den aktuellen Streitigkeiten zwischen der GEMA und Google über das Zeigen und Sperren von Musikvideos auf YouTube. Newsaggregatoren könnten solange keine Ausschnitte aus Presserzeugnissen zeigen, bis sie sich mit der neuen Verwertungsgesellschaft auf einen Preis geeinigt hätten.

Deutlich gemacht wurde aus Reihen des Ministeriums auch, dass Snippets kein Zitat darstellten, solange sie keinen im Rahmen einer eigenen geistigen Leistung stehenden Zitatzweck hätten. Anders ausgedrückt: „Die FAZ schreibt“ ist kein, die „Die FAZ schreibt völlig zu Recht“ ist ein Zitat. Entsprechend fällt die automatisierte Zusammenstellung von Snippets auf keinen Fall unter das Zitatrecht, die Übernahme von Textteilen aus Presseerzeugnissen auf dem eigenen Blog eventuell oder auch nicht. In dieser Lesart des Ministeriums wird das Zitatrecht natürlich nicht durch das Leistungsschutzrecht betroffen sein.

Doch was ist mit Bloggern? Fallen sie unter das Leistungsschutzrecht? Stadler präsentierte dazu zwei, ihm von seinem Ministerium aufgeschriebene, Beispiele: Demnach ist der jugendliche Blogger, der über die Auftritte seines Blasmusikvereins berichtet und sich dazu aus der lokalen Presseberichterstattung bedient, nicht betroffen. Sehr wohl erfasst wird jedoch der Blogger, der als Journalist mit dem Schwerpunkt Urheberrecht – Grüße an Matthias Spielkamp – arbeitet, weil das von ihm betriebene Blog seinem Gewerbe diene.

Zeigte sich in diesem Punkt bereits, dass das Leistungsschutzrecht gar nicht so nackt ist wie vorgegeben, kam es im Folgenden noch besser. Eine Beamtin des Justizministeriums ergänzte, bereits ein Werbebanner auf einem Blog sei eine gewerbliche Nutzung. Ob auch die Einbindung eines Flattr-Buttons als gewerbliche Nutzung einzustufen sei, sei darüber hinaus eine politisch zu treffende Entscheidung.

22 Kommentare zu “Ist das Leistungsschutzrecht nackt?”

  1. Torsten sagt:

    Hier geht es etwas durcheinander: Was heute als Zitat möglich ist, wäre auch mit einem wie-auch-immer-Leistungsschutzrecht kostenfrei, oder?

    Der Journalist mit Schwerpunkt Urheberrecht, darf aber nicht automatisiert Snippets aus LSR-Medien ohne eigene publizististische LEistung auf sein Blog packen ohne dafür zu zahlen. Drei Sätze aus einem FAZ-Artikel zu zitieren wäre aber nicht zu beanstanden? Sprich: Rivva wäre betroffen, Matthias Spielkamp eher nicht.

  2. Eva Kiltz sagt:

    „Damit bekäme das Ganze in Zukunft wohl Ähnlichkeiten mit den aktuellen Streitigkeiten zwischen der GEMA und Google über das Zeigen und Sperren von Musikvideos auf YouTube. Newsaggregatoren könnten solange keine Ausschnitte aus Presserzeugnissen zeigen, bis sie sich mit der neuen Verwertungsgesellschaft auf einen Preis geeinigt hätten.“

    Das trifft nicht zu. Das Repertoire der GEMA kann sehr wohl von jedem ab genau dem Moment gezeigt werden, ab dem derjenige, der es zeigen will, in Lizenzverhanldungen mit der GEMA eintritt und sich bereits erklärt, den Betrag, den er für „angemessen“ als Lizenz hält, zu bezahlen, sowie die Differenz dazu auf ein Hinterlegungskonto einzuzahlen. Auch im Fall YouTube wäre das jederzeit möglich, selbst jetzt noch

  3. Eva Kiltz sagt:

    edit: es muss heißen „Das Repertoire der GEMA Mitglieder“

  4. Massimiliano Huber sagt:

    So ein Solidaritätrsbeitrag zum Aufbau Internet wäre doch super. Dann würde es sicher auch von den Politikern akzeptiert. Einfach eine Steuer drauf, Diäten prozentual erhöhen und gut ist. Alternativ wäre eine Firewall um Deutschland denkbar. Oder eben einfach abschalten.

    Typisch deutsch!

  5. Journalismus ist kein Gewerbe.

  6. Durden sagt:

    > Zwei Lösungen seien denkbar: Entweder werde Newsaggregatoren der Lizenzerwerb von Snippets über eine Verwertungsgesellschaft gesetzlich vorgeschrieben oder aber im Gesetz ein Unterlassungsanspruch geschaffen, mit dem eine Verwertungsgesellschaft, falls die Verlage das wünschten, in Vergütungsverhandlungen mit den Aggregatoren treten könnten.

    Auch nach fünfmaligem Lesen wird mir der Unterschied nicht klar. Ich verstehe nur: entweder die Aggregatoren holen eine Lizenz, sonst dürfen sie nicht, oder die Aggregatoren dürfen nicht, bis sie eine Lizenz holen. Gibt es da irgendeinen juristischen Unterschied, der dem Laien nicht einleuchtet?

  7. Juergen Scheele sagt:

    @Torsten: Ihre Lesart klingt stimmig. Allerdings ließ es das Ministerium in der Sitzung offen, ob es so gemeint ist, und ist auch die Variante I, also die ursprüngliche Verlegerforderung, noch nicht vom Tisch. Offenbar hat man Schwierigkeiten, die Rechtsmaterie zu fassen. Kurz: Warum als Beispiel für einen kommerziellen Blog ausgerechnet das eines Journalisten mit Schwerpunkt Urheberrecht gewählt wurde, der wohl in der Regel keine Snippets automatisiert verarbeitet, kann nur das Ministerium beantworten.

  8. Juergen Scheele sagt:

    @Durden: Variante I besagt: Die Aggregatoren sind von vornherein gezwungen, eine Lizenz zu erwerben. Variante II bedeutet: Verleger, die eine kostenlose Nutzung durch Aggregatoren nicht wollen, machen von ihrem Unterlassungsanspruch gebrauch, und die Verwertungsgesellschaft tritt in Vergütungsverhandlungen mit den Aggregatoren ein.

  9. Florian sagt:

    Twitter betroffen. Ein Tweet kann wohl kaum ein eigenes Werk sein. Wenn ich also meinen Twitter Account gewerblich betreibe und einen FAZ Artikel mit Titel und Link poste, der für meine Branche interessant ist, dann fällt das unter das LSR.

  10. […] der Digitalen Linken gibt es einen kurzen Bericht über das was im Unterausschuss Neue Medien des Bundestages zum sog. […]

  11. Durden sagt:

    @Jürgen Scheele: Also einfach ausgedrückt bietet die zweite Variante den Verlegern die Möglichkeit, auf ihr Leistungsschutzrecht zu verzichten, während die erste Variante (den Aggregatoren) nur die Auswahl zwischen „Lizenz zahlen“ oder „Aggregator dicht machen“ lässt, richtig?

  12. Juergen Scheele sagt:

    @Durden: Richtig. @Florian: Interessanter Hinweis. Twitter wurde meines Wissens in der Diskussion bislang nicht behandelt, ebenso wie Facebook außen vor bleibt. Wie zu hören ist, betrachten die Verleger Facebook-Links als gute Links, Google- Links hingegen als böse Links. Wir werden das aufgreifen.

  13. […] sind kein Zitat. Weitere Informationen zum LSR findet ihr im Beitrag von Petra Sitte auf dem Blog Digitale Linke. […]

  14. […] Ist das geplante Leistungsschutzrecht nackt? (DIGITALE LINKE) – […]

  15. […] Autorin & cc-Lizenz: Petra Sitte Crossposting via Digitale Linke […]

  16. […] linke Abgeordnete Petra Sitte glaubt in den Äußerungen Max Stadlers herausgehört zu haben, dass die Lösung derzeit in Richtung eines […]

  17. Leist ung sagt:

    Was ist mit Suchmaschinen. Die Frage sollte eigentlich seit Belgien jeder mit als erstes stellen. Dort hatte m.W. Google die Zeitungen aus Google-Websuche rausgenommen bis die Verwertungsgesellschaft bestätigte, das Google für die Suchergebnisse nichts bezahlen muss.

    Was hier gerne vergessen wird ist nämlich, das Google-Reader, Google-News und Google-Web-Suche sowie noch Google-Bildersuche und Produktsuche und was ich sonst noch vergessen habe unterschiedliche Produkte sind auch wenn das Interface (die Suchmaske) bei allen ausser Google-Reader quasi gleich wirkt. Hinzu kommt, das man teilweise mit robots.txt und anderen Mitteln heute schon die Inhalte aus den Suchmaschinen heraus halten kann. Wer mal gezielt ältere Meldungen mit news-Google gesucht hat, merkt auch, das News-Sites die Geld wollen, erst mal bittesehr den News-Content und Metadaten wie Datum und Autor korrekt markieren müssten. Ansonsten sollte die Verwertungsgesellschaft nichts auszahlen dürfen.

  18. Bernd sagt:

    Wenn Artikel nicht mehr bei Google verlinkt sind … wo bekommen die Verlangsseiten dann ihre Klicks her, über die sie wiederum Werber anziehen?

  19. […] Ist das Leistungsschutzrecht nackt? Petra Sitte von den Linken schreibt über eine Anhörung im Unterausschuss Neue Medien vom vergangenen Mittwoch, in der es über die derzeitigen Pläne zum Leistungsschutzrecht ging. Bleibt alles noch sehr vage, da es noch keinen Gesetzesentwurf gebe. Klar scheint jedoch bereits, dass es mitnichten nur darum gehen dürfte, Newsaggregatoren finanziell zu treffen. […]

  20. […] Audio: Closed Format: MP3 Download (verlinkte Audio-Quelle: rbb radioeins) Vgl.: * Ist das Leistungsschutzrecht nackt?, Digitale Linke * Das nebulöse Leistungsschutzrecht im Unterausschuss Neue Medien, Tabea […]

  21. […] Ist das Leistungsschutzrecht nackt?: Das Justizministerium hat im Unterausschuss Neue Medien des Bundestages einen Sachstandsbericht zum Leistungsschutzrecht gegeben. Die Antworten werden in dem Artikel ausgewertet. Musik & Style […]