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Libri: Zitieren verboten

„Ein grandioser Roman“, „Thomas Mann hätte es nicht besser sagen können“, „Super Lesefutter“ – Jahrzehnte lang schmückten Buchverlage gern ihre Werbetexte mit Zitaten aus der Presse. Jetzt wird das schwierig, nämlich wegen des Urheberrechts. Das meint zumindest der Online-Buchhändler und Grossist Libri. In einer Rundmail, die wir unten dokumentieren, warnt Libri die Buchverlage: „Wenn Sie weiterhin von Zitaten aus Veröffentlichungen anderer Rechteinhaber in Ihren werbenden Texten Gebrauch machen möchten, sollten Sie mit dem jeweiligen Rechteinhaber die Übernahme des Zitates im Vorfeld rechtssicher abklären.“ Libri selbst will in seiner Produktdatenbank alle Bezüge auf Rezensionen von FAZ und SZ löschen.

Hintergrund ist ein fünfjähriger Rechtsstreit mit dem Online-Magazin Perlentaucher. Die Süddeutsche Zeitung und die FAZ wollten dem Perlentaucher untersagen, Literaturrezensionen aus diesen Zeitungen zusammenzufassen und an Online-Buchhändler zu verkaufen. Der Perlentaucher beharrte darauf, das Zusammenfassen der Rezensionen sei kein Diebstahl geistigen Eigentums, sondern eine eigene Redaktionsleistung.

Der Bundesgerichtshof gab dem Perlentaucher letztlich weitgehend recht: Lediglich 20 Buchnotizen des Perlentauchers musste schließlich das OLG Frankfurt erneut überprüfen. Bei 13 davon stellten die Richter fest, dass die Zusammenfasssung sich zu sehr an das Original anlehne. Formulierungen wie „langatmige Ausbreitung von Altbekanntem“ seien besonders „originell“, „einprägsam“ oder „künstlerisch“ und dürften nicht einfach so übernommen werden. (Der Perlentaucher berichtete hier.)

Nun sind 13 von etwa 60.000 Rezensionsnotizen nicht gerade viele, und außerdem ist Libri gar kein Kunde des Perlentauchers. Trotzdem sind die Libri-Anwälte offenbar zu dem Schluss gekommen, dass sie in den sich verschärfenden Konflikten ums Urheberrecht besser auf Nummer Sicher gehen. Man will sich selbst und seine Partner also vor eventuellen Schadensansprüchen der Rechteinhaber schützen. Denn grundsätzlich kann der Online-Händler nach dem Urteil des OLG Frankfurt nicht ausschließen, dass im Einzelfall doch einmal ein Text, der aus einer Rezension zitiert, gegen Rechte der Autoren verstößt. Gerade Werbetexte (sog. Blurbs) erfüllen nämlich häufig nicht die hohen Anforderungen, die das Zitatrecht stellt.

Ob die Buchverleger wohl fortan darauf verzichten, FAZ und SZ Rezensionsexemplare zur Verfügung zu stellen? Einstweilen ist die Sache ein schöner Vorgeschmack auf das schwarz-gelbe Leistungsschutzrecht für Presseverleger.

 

Die Libri-Mail im Original:

Sent: Tue, Apr 3, 2012 1:43 pm
Subject: Zitieren von Rezensionen

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Sie möglicherweise mit verfolgt haben, gab es bezüglich des Zitierens von Presse-Rezensionen einen lang andauernden Rechtsstreit zwischen zwei deutschen Tageszeitungen und einem Onlineportal. Im Ergebnis wurde durch das Oberlandesgericht Frankfurt festgestellt, dass auch die Verwendung von kurzen Zitaten aus Rezensionen finanzielle Forderungen des jeweiligen Medienkonzerns nach sich ziehen kann. (Weitere Informationen zum Rechtsstreit finden Sie unter folgendem Web-Eintrag: http://irights.info/blog/arbeit2.0/2011/11/01/nach-6-jahren-rechtsstreit-urteil-zu-faz-sz-gegen-perlentaucher/ )

Aus diesem Grund hat sich Libri entschlossen, bis auf Weiteres alle Produkt-Annotationen mit Bezug auf Presserezensionen aus den beiden klagenden Verlagshäusern aus seiner Titeldatenbank zu löschen. Parallel wurde die Neuaufnahme solcher Annotationstexte unterbunden. Die Verlagsprodukte selbst sind von dieser Maßnahme natürlich nicht betroffen und werden weiter angeboten.

Prinzipiell besteht die hier aufgezeigte Problematik möglicher Rechtsverletzungen bei jedem Zitat aus Rezensionen jeglichen Rechteinhabers, also nach unserem Erachten auch im Zusammenhang mit allen anderen Medien und Medienhäusern, gleichgültig ob aus Presse, Hörfunk, TV oder Internet.

Die Kosten, die der Libri GmbH oder Libri-Kunden aus der Verfolgung von Rechtsansprüchen eines Rechteinhabers entstehen können, werden wir oder die Libri-Kunden den Verlagen als den verantwortlichen Verwendern der jeweiligen urheberrechtlich geschützten Textpassagen durchreichen.

Zu Ihrer eigenen Sicherheit empfehlen wir Ihnen, die betroffenen Annotationen aus Ihren Produktbeschreibungen zu überarbeiten und auf Zitate (insbesondere aus Publikationen der beiden Verlagshäuser) vollständig zu verzichten. Wenn Sie weiterhin von Zitaten aus Veröffentlichungen anderer Rechteinhaber in Ihren werbenden Texten Gebrauch machen möchten, sollten Sie mit dem jeweiligen Rechteinhaber die Übernahme des Zitates im Vorfeld rechtssicher abklären.

Für mögliche Rückfragen steht Ihnen die Katalogredaktion in Hamburg unter novitaeten@libri.de zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

3 Kommentare zu “Libri: Zitieren verboten”

  1. Nähmen wir Buchverlag die mail von Libri ernst, könnten wohl bei den Medienhäudern einige neue Stellen entstehen ….

    Das Zitieren von Besprechungen verbreitet, dass verbreitet wurde, dass sich gerade jemand eine klasse Kreativleistung zu Gemüte geführt hat! Oder anders gesagt: Buchverlage, die aus Besprechungen zitieren, sind noch lange keine Aggregatoren.

    http://www.adatiaverlag.de/liebe-zeitungsverlage-und-sonstige-medien

  2. […] — Autor & cc-Lizenz: Ilja Braun Crossposting via Digitale Linke […]