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LINKE legt alternativen Gesetzentwurf zu Verwaisten Werken vor

Nachdem die SPD einen Gesetzentwurf zum Umgang mit verwaisten und vergriffenen Werken vorgelegt hat (Drs. 17/3991) und dieser Kritik unter anderem an dieser Stelle  erntete, legt DIE LINKE nun einen eigenen Entwurf (Drs. 17/04661) vor.

Der zentrale Unterschied besteht in der Herangehensweise an das Problem. Während der SPD-Gesetzentwurf diese Frage im Rahmen des Urheberwahrnehmungsrechts an die Verwertungsgesellschaften delegiert, regt der LINKE Entwurf die Einrichtung einer klaren Beschränkung des Urheberrechts, auch Schranke genannt, an. nichtkommerzielle Einrichtungen wie Bibliotheken oder Museen sollen Werke, deren Urheber unbekannt oder die Rechtesituation nach einer Standardsuche unklar bleibt, öffentlich zugänglich machen dürfen. Eine Erlaubnis von Verwertungsgesellschaften, die wie im SPD-Entwurf die Rechte unbekannter Urheber fiktiv wahrnehmen, soll nicht eingeholt werden müssen.

Ein weiterer Unterschied besteht in der Vorschrift der Suche nach möglichen Rechteinhabern. DIE LINKE will diese Suche auf eine standardisierte, also computergestützte Suche beschränken, um den Bibliotheken und sonstigen Einrichtungen nicht eine hohe bürokratische und kostenträchtige Last aufzubürden.

Und nicht zuletzt sollen Vergütungen nur in dem Fall gezahlt werden, dass tatsächlich berechtigte Ansprüche bestehen. Das Vergütungsmodell von Börsenverein, Verwertungsgesellschaften und weiteren Akteuren, auf das sich der SPD-Entwurf bezieht, sieht hingegen Vergütungszahlungen für jedes Werk vor – ob es nun endgültig als verwaist eingestuft wird oder nicht. Dabei werden voraussichtlich große Beträge ausgezahlt, deren Verwendung bisher ungeklärt ist. Am wahrscheinlichsten ist eine Ausschüttung im Rahmen der Vewertungsgesellschaften. Das Ergebnis wäre, dass Rechteinhaber und Urheber daran verdienen, die weder zur Erstellung der Werke noch zu ihrer Digitalisierung etwas beigetragen haben.

Neue Rechte sollen an den Digitalisaten nicht entstehen. Das wird private Kooperationspartner wie Google nicht freuen, ist aber unumgänglich, um den EU-rechtlich gebotenen nichtkommerziellen Charakter der Zugänglichmachung zu erhalten. EU-Medienkommissarin Viviane Reding hatte kürzlich Google eine Schutzdauer von 5 Jahren zugestanden (Interview dazu hier) und im Gegenzug die Zusicherung des Suchmaschinenkonzerns erhalten, dass alle Digitalisate aus europäischen Bibliotheken für die Europeana genutzt werden können. Über die Probleme mit möglichen DRM-Maßnahmen im Rahmen der Europeana und der Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB) hatten wir bereits hier berichtet. 

Der Gesetzentwurf lag zum Zeitpunkt der gestigen Debatte im Kulturausschuss des Bundestages zum Thema leider noch nicht vor, bei der die Direktorin der Nationalbibliothek in Frankfurt, Dr. Elisabeth Niggemann, und der Vorstandssprecher des Kompetenznetzwerks Deutsche Digitale Bibliothek , Dr. Hermann Parzinger,  zu Gast waren. Beide appellierten an die Politik, Hindernisse gegen eine Digitalisierung des kulturellen Erbes aus dem Weg zu räumen. Niggemann  gehörte dem „Comité des Sages“ an, das kürzlich unter dem Titel „The New Renaissance“ Vorschläge zur Digitalisierung des Kulturerbes vorgelegt hat (hier die deutsche Kurzfassung). Niggemann mahnte, wie in früheren Interviews und im genannten Report eine praktikable und unbürokratische Regelung der Urheberrechtsproblematik an. Sie schätzte die Kosten für eine Digitalisierung des gesamten Werkbestandes europaweit auf 100 Milliarden Euro. Parzinger ergänzte, in Deutschland würden etwa 30 Millionen Euro jährlich zusätzlich benötigt, um wirklich voran zu kommen. Diesen Betrag hatte DIE LINKE im Rahmen der vergangenen Haushaltsverhandlungen immer wieder eingefordert (wir berichteten). Bisher sieht es mau aus: von den 4,8 Millionen Büchern, die in der Europeana bisher eingestellt sind, stammen etwa 500.000 aus Deutschland. 90 Prozent davon entstammen der Kooperation der Bayerischen Staatsbibliothek mit Google-Books. Aus eigener Kraft sind demnach bisher lediglich 50.000 Bücher digitalisiert worden. 

Offen blieb in der Ausschussitzung die Frage, warum denn die Bibliotheken der Übereinkunft mit den Verbänden zugestimmt hätten, der ihnen hohe Kosten und Bürokratie aufbürdet. Zugleich wurde aus Regierungskreisen der Entwurf einer Regelung zum Umgang mit Verwaisten Werken für das Ende des zweiten Quartals diesen Jahres angekündigt – ob im Rahmen eines „Dritten Korbs“ oder als Einzelregelung blieb ebenfalls offen. Auf europäischer Ebene läuft derzeit ein Stakeholderdialog, um weiteren Regelungsbedarf auszuloten.

2 Kommentare zu “LINKE legt alternativen Gesetzentwurf zu Verwaisten Werken vor”

  1. […] um die Bestände zu digitalisieren und damit den eigentliche Content zu erstellen (mehr dazu hier). Die Linksfraktion im Bundestag hat nun einen Antrag (Drs. 17/6096) eingebracht, in dem diese […]

  2. […] überweisen sollen. Die LINKE hatte hingegen eine Schrankenregelung vorgeschlagen (mehr dazu hier). Bibliotheken und andere gemeinnützige Organisationen hätten demnach für die […]