DIGITALE LINKE
— Politik in der digitalen Welt! —
 

LINKE NETZPOLITIK – Für Commons, Dialog und Teilhabe

In Dresden findet an diesem Wochenende der Bundesparteitag der Partei DIE LINKE statt. Dort wird das Wahlprogramm zur Bundestagswahl am 22. September 2013 beschlossen. Dieses enthält auch ein kürzeres Kapitel zu den netzpolitischen Positionen der Partei. Eine Langfassung (hier das PDF), jenes Kapitel des Wahlprogramms aufgreifend, vertiefend und erweiternd, erarbeitet von der BAG Netzpolitik, dokumentieren wir nachstehend:

 

EIN INTERNET FÜR MEHR SOLIDARISCHES HANDELN UND SOZIALE ÖKONOMIEN

Das Internet ist ein Raum gesellschaftlicher Innovation. Es dient als Universal-Infrastruktur dem Transport, der Produktion und Distribution einer Vielzahl von Gütern, darunter kommerzielle, öffentliche und nicht vom Markt bestimmte Güter. Das Netz basiert auf einer verteilten, globalen Struktur und einer nicht diskriminierenden Steuerung, indem Inhalte aufgeteilt in Pakete bewertungsfrei zerlegt und transportiert werden. Im Verbund mit der aktiven Teilhabe der Nutzerinnen und Nutzer bilden diese Art Struktur und Steuerung das Fundament für ein System der offenen Informationsbereitstellung. Mit dem Internet hat sich grundlegend verändert, wie Menschen kommunizieren, produzieren und mit Informationen umgehen. Das Netz ermöglicht solidarisches Handeln und neue soziale Ökonomien, doch dem steht zugleich eine aggressive Privatisierung von Wissen und Kultur entgegen. Die Gemeingüter der Kommunikationsrevolution werden als erweiterte Renditequellen erschlossen und persönliche Freiheiten durch die Medien-, Unterhaltungs- und Technologiekonzerne erneut in Waren verwandelt und privatisiert angeeignet.

Dazu kommen das Drängen nach erweiterten Kontrollrechten durch nationalstaatliche Sicherheitseinrichtungen und die Befürworter des digitalen Sicherheitsstaates. Und so verwandelt sich das Netz Stück für Stück von einem freien, prinzipiell offenen Raum in ein geschlossenes, auf Privateigentum basierenderendes Medium. Dieser Prozess ist bereits weit vorangeschritten: Einhegung und Abschottung von Informationen in Sozialen Netzwerken oder proprietären Smartphone-Umgebungen, die Drosselung und Unterbindung des Zugangs zu rivalisierenden Diensten im mobilen Internet sowie Überwachungszugriffe auf die Informationsinfrastruktur durch autoritäre ebenso wie durch demokratische Regierungen sind allgegenwärtig.

DIE LINKE steht dementgegen für einen Dreiklang aus digitaler Freiheit, Gleichheit, Solidarität. Wir setzen uns dafür ein, das Netz im Sinne einer Public Domain als handlungs- und nutzungsoffenen Raum zu gestalten und seine neuen Formen der sozialen Interaktion, des Austauschs, des vernetzen Wissens und Handelns zu fördern. Das Netz wird zunehmend zum Bestandteil des Alltags. Wir betrachten das Netz als öffentliche Ressource. Für DIE LINKE ist Netzpolitik Gesellschaftspolitik. Wir wollen, dass das Internet als Raum der sozialen Innovation offen bleibt. Die Potentiale des Netzes, solidarisches Handeln und neue soziale Ökonomien zu ermöglichen, wollen wir aktiv fördern. In der nächsten Legislaturperiode wollen wir uns im Bundestag deshalb für die folgenden Punkte einsetzen:

  • Für DIE LINKE ist Netzpolitik Gesellschaftspolitik. Wie wollen, dass das Internet als Raum der sozialen Innovation offen bleibt.

 

INFRASTRUKTUR UND ZUGANG

Das Internet ist ein Labor der sozialen Innovation, und das soll es bleiben. Netzneutralität bildet die Grundlage für das Innovationspotential des Netzes. Sie ist elementar für Demokratie, Pluralismus und Meinungsbildung im Internet. Damit weiterhin alle gleichberechtigt und diskriminierungsfrei Inhalte senden und empfangen können, fordern wir die gesetzliche Festschreibung der Netzneutralität und ihre technologisch zeitgemäße Sicherstellung. Priorisiert werden dürfen nur ausgewählte zeitkritische Dienste oder Inhalte (VoIP, Online-Gaming etc.) aus allein technischen Gründen, nicht nach kommerziellen Interessen der Netzbetreiber. Priorisierung darf nicht zu Lasten anderer Dienste, Anwendungen oder Inhalte erfolgen. Ein zukunftsfähiges, neutrales Netz für alle erfordert den Ausbau von Netzwerkkapazitäten und glasfaserbasierten Breitbandzugängen (FTTH).

  • Die Sicherung der Netzneutralität ist – wie die Versorgung mit Wasser und Strom – eine wichtige infrastrukturelle Aufgabe, die nicht der Steuerung durch den Markt überlassen bleiben darf.

Wir wollen die emanzipatorischen Möglichkeiten des Internet als zentrale Informationsquelle und als globalen Wissensspeicher erhalten und ausbauen. DIE LINKE lehnt daher Zensurmaßnahmen und Internetsperren in jedweder Form ab. Gleiches gilt für das Überwachen und Filtern von Datenpaketen – sei dies zur Durchsetzung von Rechten des sogenannten geistigen Eigentums, zur staatlichen Kontrolle von Inhalten oder zum Drosseln und Blockieren von konkurrierenden Diensten und Datenverkehren aus Geschäftsinteresse. Wir fordern ein Verbot von Deep Packet Inspection, das zur Kontrolle der Inhalte von Kommunikation genutzt wird. Wir setzen uns ein für ein Exportverbot für Software und Geräte, mit denen Internetnutzerinnen und -nutzer verfolgt und Internetsperren errichtet werden können.

  • Zensur und Netzsperren wollen wir verhindern. Wir wollen die Privatisierung der Rechtsdurchsetzung im Netz stoppen und die Deep Packet Inspection, d. h. den Blick in die Datenpakete durch Netzbetreiber und Provider oder staatliche Stellen, unterbinden.

Die Netzinfrastruktur im Sinne einer öffentlichen Domäne – Public Domain – als handlungs- und nutzungsoffenen Raum zu gestalten, bedarf neuer institutioneller Formen gesellschaftlicher Teilhabe. Schon jetzt ist ein Netzausbau in kommunaler Trägerschaft möglich. Langfristig sehen wir das Netz als Gemeinressource jenseits von Markt und Staat. Eine Revitalisierung und Zurückgewinnung des Netzes als öffentlicher Raum kann angesichts eines globalen Informationsraums und der allgegenwärtigen Überwachungsbestrebungen durch Konzerne und Staaten nur gemeinwirtschaftlich gelingen. Dazu sind weitreichende gesetzliche Änderungen, auch des Grundgesetzes und des Europäischen Rechts, erforderlich.

Der Zugang zu Information für alle ist Voraussetzung für Partizipation und die Wahrnehmung demokratischer Rechte unter Gleichen. Wer keinen schnellen Internetzugang hat, ist schon heute von vielen Angeboten des täglichen Lebens und von der Teilhabe gänzlich ausgeschlossen. Um den Anschluss ans digitale Zeitalter nicht zu verpassen, muss in Deutschland unverzüglich die flächendeckende Versorgung mit schnellen Internetzugängen sichergestellt werden. Wir wollen einen gleichberechtigten Zugang aller Menschen zum Netz.

Dafür ist eine flächendeckende Breitbandversorgung gerade in strukturschwachen Regionen und für alle sozial wie gesellschaftlich Benachteiligten vonnöten. Dazu sind die Universaldienstverpflichtungen auf Breitbandanschlüsse zu erweitern und der Aufbau von gemeinwirtschaftlichen Netzinfrastrukturen zu fördern.

  • Wir wollen Breitband-Internetanschlüsse in den gesetzlichen Universaldienst aufnehmen und dabei eine Mindestbandbreite von zunächst 10 Mbit/s gesetzlich festschreiben. Diese Mindestbandbreite ist den technischen Standards in regelmäßigen Abständen anzupassen.
  • In Städten und Gemeinden sollen kostenfreie Funknetze eingerichtet werden. Die sogenannte Störerhaftung ist dahingehend zu ändern, dass es Privatpersonen erlaubt wird, ihre Internetanschlüsse mit anderen jederzeit zu teilen.
  • Wir wollen, dass auch Menschen mit Behinderungen und sozial Schwache und Seniorinnen und Senioren am Internet teilhaben können. Die Informations- und Partizipationsangebote sind barrierefrei zu gestalten. DIE LINKE fordert die Anerkennung von internetfähigen Endgeräten als Teil des soziokulturellen Existenzminimums. Für Hartz-IV-Beziehende muss die Anschaffung eines geeigneten PCs über die Regelleistungen hinaus erstattungsfähig sein.

 

OPEN DATA UND OPEN CONTENT

Wir wollen die demokratischen und sozialen Potentiale, die die digitale Revolution ermöglicht, freisetzen:

Datenbestände in Verwaltungen, Forschungseinrichtungen oder Unternehmen bilden eine unschätzbare Ressource – nicht nur aus ökonomischer Sicht, sondern auch für wissenschaftliche Analysen, kulturelle Debatten und politisches Handeln. Daten sind eine Grundlage für die gesellschaftliche Selbstverständigung. In aggregierter und maschinenlesbarer Form können sie Anwendungen und neues Wissen induzieren.

  • Die LINKE setzt sich ein für die Öffnung der Datenbestände in Verwaltungen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen nach konkreten Standards. Dazu gehören etwa eine diskriminierungsfreie Lizenzierung, die Standardisierung der Dateiformate, die zeitnahe Veröffentlichung, die Kostenfreiheit, die Vollständigkeit sowie die Kompatibilität mit anderen Datenbeständen.

So könnte künftig offen liegen, wie Ministerien Fördermittel einsetzen oder das Gesundheitsamt der Kommune Daten zur Armut und zur Kindergesundheit miteinander abgleicht. Verwaltungen und öffentliche Unternehmen können diese Daten unkompliziert zur Verfügung stellen, müssen damit aber Einblicke in ihre eigene Tätigkeit gewähren und Fragen an diese akzeptieren. Die Öffnung von Daten der öffentlichen Hand ist somit auch ein Akt der Herrschaftskritik und der Demokratisierung von staatlichen Organen.

  • Open Data ist für uns ein erster und notwendiger Schritt für die Öffnung von Verwaltungsprozessen und damit eine Grundlage für mehr Partizipation und direktdemokratische Entscheidungsfindungen. Damit wären Planfeststellungsverfahren konzeptionell partizipativer gestaltbar und Bürgerhaushalte auf breiter Front umsetzbar.

Ebenfalls ein kleiner Schritt ist der Weg zu Open Content, also der Öffnung von Inhalten und Werken. Parlamente, Kultureinrichtungen, Behörden und Bibliotheken entwickeln große Mengen an Werken im urheberrechtlichen Sinne – Texte, Fotos, Videos, Grafiken. Bisher unterliegen diese in der Regel den Regeln des Ausschließlichkeitsrechtes – d. h. die Rechteinhaber bestimmen allein und auf Dauer über die Verwendung dieser Werke. Eine weitere Nutzung ist in der Regel nicht vorgesehen und nur auf individuelle Anfrage. Diese Werke wollen wir, da steuerfinanziert, einer freien Nutzung unter offenen Lizenzen zugänglich machen.

  • Eine nachträgliche Privatisierung öffentlicher Daten und Werke wollen wir ausschließen.
  • Wir setzen uns ein für eine umfassende Nutzung von Open Data, in der die Persönlichkeitsrechte gewahrt bleiben. Datenbestände von Verwaltungen, Behörden und öffentlichen Unternehmen sollen im Internet unter freien Lizenzen und in maschinenlesbarer Form zugänglich gemacht werden.

Open Content erschöpft sich aber nicht mit den Open Data-Projekten der öffentlichen Hand oder deren Werken. Unternehmen und Organisationen aller Eigentumsformen sind aufgefordert, ihr Wissenskapital zu teilen.

Auf Open Content ausgerichtete Projekte von Non-Profit-Organisationen (NPOs) haben vielen anderen Unternehmen einiges voraus. Sie zeigen eindrucksvoll, dass Kreativität und Produktivität auch ohne Aussicht auf materielle Rendite möglich ist. Die digitalen Commons können und sollten Vorbild sein für ein solidarisches Wirtschaften in allen Bereichen der Gesellschaft.

Zur Absicherung der individuell beigetragenen Werte wünschen wir uns eine Zusammenarbeit großer NPOs mit der öffentlichen Hand und daraus resultierende verbindliche Rahmenbedingungen. Die Finanzierung der Projekte könnte so mit einer Grundfinanzierung abgesichert werden. Spenden- oder werbefinanzierte Modelle bergen erhöhte Gefahren für die Dauerhaftigkeit und Unabhängigkeit solcher Projekte. Gleichzeitig muss die inhaltliche Unabhängigkeit solcher Projekte von staatlichen Eingriffen gewahrt bleiben.

Auf der anderen Seite sollten entsprechende Rahmenbedingungen und Mindestanforderungen an demokratische Teilhabe in etablierten NPOs zur Bedingung ihrer steuerlichen Begünstigung oder öffentlichen Sockelzuwendung gemacht werden. Dazu gehören zugleich Kontrollmechanismen gegen Korruption und Zweckentfremdung. Um solche Modelle der Zusammenarbeit weiterzuentwickeln, wollen wir mit unseren Vorstellungen in den Dialog mit öffentlicher Hand und NPOs treten. Wir wollen Open Content nicht nur fördern, sondern auch dessen demokratische Organisation sicherstellen.

In vielen Bereichen, zum Beispiel bei Social Media oder dem Online-Handel, haben dagegen längst einige wenige Konzerne eine dominierende Stellung eingenommen. In weiten Teilen ist die digitale Wirtschaft geprägt von Oligo- und Monopolen. Hier braucht es neue Formen der demokratischen Teilhabe – durch transparentere Strukturen, Mitbestimmungsrechte, andere Eigentumsverhältnisse und Öffnung von Wissen und Kapital als Open Content.

  • Für Werke und Datensammlungen, die von privaten Unternehmen überwiegend im Rahmen von öffentlicher Förderung erstellt wurden, wollen wir künftig eine verpflichtende Veröffentlichung nach Open Data-Standards festschreiben.

 

DATENSCHUTZ

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist für DIE LINKE Leitbild zur Gestaltung der digitalen Gesellschaft. Daten werden im Netz zur Ware, Konzerne betreiben Raubbau an der Privatsphäre. Dem setzen wir einen freien und selbstbestimmten Umgang mit Daten entgegen, verbunden mit einem durchsetzungsstarken und fortschrittlichen Datenschutz. Datensicherheit und -schutz ist auch in Sozialen Netzwerken und Clouds zu gewährleisten. Die Möglichkeit zur Nutzung von Diensten und Anwendungen darf nicht von einer Einwilligung in die Datenerhebung oder -weitergabe abhängen. Wir setzen uns für datenschutzfreundliche Technik (Privacy by Design), für datensparsame Grundeinstellungen (Privacy by Default) bei Webdiensten, Smartphones, Tablet-Computern und Apps sowie für ein Recht auf Datenportabilität, der Nutzung von erworbener Software und erstellten Daten auf verschiedenen Endgeräten und Diensten, ein.

Mit der Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe persönlicher Daten sowie ihrer automatisierten Zusammenführung zu Persönlichkeitsprofilen geht die Erfassung nahezu jeder Lebensäußerung der Menschen einher. Die Datenauswertung von Geolokalisationsdiensten ermöglicht zudem die Erstellung von umfassenden Bewegungsprofilen. Ähnliches gilt für die Auswertung von Daten aus der Nahfeldkommunikation (NFC) von Funknetzen mit RFID-Technologie etwa in Bezahl- und Kreditkarten. Der Schutz der informationellen Selbstbestimmung muss auch hier erhalten bleiben.

Die Vorratsdatenspeicherung zur anlasslosen Speicherung aller Verbindungsdaten lehnt DIE LINKE ebenso ab wie die jüngst eingeführte Bestandsdatenauskunft, mit der Polizei und Geheimdienste auf einfachste Art und Weise Internet- und Handy-Nutzer identifizieren können und Zugriff auf Passwörter, PIN- und PUK-Codes von Smartphones sowie Namens- und Adresszuordnungen von dynamischen IP-Adressen erhalten. Geheimdienstliche Maßnahmen zur Totalüberwachung des Internet und sämtlicher digitaler Kommunikation – wie sie mit dem PRISM-Programm des amerikanischen Militärnachrichtendienstes NSA, partiell aber auch mit den gesetzlich festgeschriebenen Befugnisse des Bundesnachrichtendienstes (BND) bestehen – sind sofort einzustellen.

Wir wollen den Datenschutz stärken und das Recht auf Anonymität im Netz erhalten:

  • Wir fordern die strikte Beachtung des Prinzips der Datensparsamkeit.
  • Wir wollen durch einen stringenten Vollzug der gesetzlichen Vorgaben sicherstellen, dass die Nutzerinnen und Nutzer vor einer Erhebung von personenbezogenen Daten hierüber umfassend informiert werden.
  • Die Erhebung und Erstellung von Persönlichkeits-, Konsum- und Vorliebenprofilen von Kindern ist grundsätzlichen zu untersagen.
  • Wir lehnen das anlasslose Speichern von Daten auf Vorrat ebenso ab wie den Einsatz von Staatstrojanern und anderer Schnüffelsoftware. Geheimdienstliche Programme und Befugnisse zur totalen Überwachung von digitaler Kommunikation sind sofort einzustellen. Das Recht auf Anonymität im Netz muss auch nach Einführung des IPv6-Standards erhalten bleiben.
  • DIE LINKE fordert ein klares Bekenntnis des Staates zum Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. Die in Projekten wie INDECT betriebene Mustererkennung von sogenannten verdächtigen Verhalten mittels Videoüberwachung gefährdet digitale Bürgerrechte.
  • Wir setzen uns ein für ein Exportverbot für Software und Geräte, mit denen Internetnutzerinnen und -nutzer verfolgt und Internetsperren errichtet werden können.

 

CYBERÜBERWACHUNG, CYBERSECURITY, CYBERWAR

Die Beschaffung der Euro Hawk-Drohnen für die Bundeswehr ist zwar gestoppt. Die Aufklärungstechnik jedoch, die für die Riesendrohnen entwickelt wurde, ist fertiggestellt. Jetzt wird nach einem anderer Trägerflugzeug für die Technik gesucht. Weiter will sich Deutschland mit einer halben Milliarde Euro an der Stationierung von acht Spionagedrohnen der NATO in Sizilien beteiligen, was etwa ein Drittel der Kosten ausmacht. Unter dem Motto „Eyes in the sky for boots on the ground“ will die Bundeswehr weitere vier Drohnen für das NATO-Programm beisteuern.

Mittlerweile liebäugeln auch Polizeibehörden mit größeren Drohnen, beispielsweise um ferngesteuerte Fluggeräte unter anderem zur „Bekämpfung von Piraterie“ zu nutzen. Die Bundespolizei hat hierzu umfangreiche Tests mit Helikopterdrohnen durchgeführt. Die Europäische Union finanziert Forschungen zur Fähigkeit, „nicht kooperative Fahrzeuge“ zu stoppen. Die Entwicklung und der Einsatz von Drohnen tangieren Antimilitarismus, Bürgerrechte, Datenschutz oder Antirepression. Fliegende Kameras im Rettungswesen oder für die Feuerwehr zu nutzen, kann die Gefährdung von Menschen reduzieren. Der Aufrüstung von Polizei und Militär erteilt DIE LINKE jedoch eine klare Absage. Das gilt für Spionage- und Kampfdrohnen gleichermaßen.

  • Wir fordern deshalb nicht nur ein Moratorium für alle entsprechenden Forschungs- und Beschaffungsprojekte von Drohnen, sondern setzen uns für eine völkerrechtliche Ächtung der Killerwaffen ein.

Seit zwei Jahren warnen Bürgerrechtsgruppen sowie Datenschützerinnen und Datenschützer vor dem EU-finanzierten Sicherheitsforschungsprojekt INDECT – zu Recht. Nach fünfjähriger Forschung soll ein „Intelligentes Informationssystem“ präsentiert werden, das das Potential besitzt, die Überwachung des städtischen Raums durch Video- und Audiosensoren zu perfektionieren. Ziel ist das automatisierte Aufspüren verdächtigen Verhaltens. Hierfür wird auch das Internet nach Hinweisen abgesucht.

Die Liste der Forschungsprojekte, die zum Ziel haben, Europas Städte und Grenzen noch effizienter abzusichern, sogenanntes abnormales Verhalten von Menschen zu erkennen und überhaupt Überwachungsmaßnahmen zu effektivieren, ist lang. Unter kryptischen Akronymen wie INDECT, HERMES, TALOS oder ADABTS steckt das Ziel der allumfassenden Kontrolle – ob von Grenzen oder Städten.

Die Bundesregierung forscht an ähnlichen Anwendungen zur sogenannten Mustererkennung in Videoaufnahmen, um diese später zur Grenzsicherung, an Bahnhöfen und Flughäfen, bei Sportereignissen oder in Einkaufszentren einzusetzen. Möglich ist auch eine „rückwärts gerichtete“ Suche, also die nachträgliche Erstellung eines Bewegungsprofils per Mausklick. Vor allem aber sollen die Systeme Prognosen erlauben: Durch die statistische Auswertung früherer Ereignisse soll unerwünschtes Verhalten vorausgesagt werden.

Werden diese Möglichkeiten mit dem Zugriff auf polizeiliche Datenbanken gekoppelt, wird der Überwachungsstaat schrankenlos. Werden gleichzeitig weitere Datenquellen abgefragt, lässt dies ungeahnte Rückschlüsse auf das soziale Verhalten Betroffener zu. Deutsche Polizeien sind hierzu selbst an Forschungsprojekten beteiligt, um entsprechende Möglichkeiten zu entwickeln oder zu verbessern.

  • Zur daten- und bürgerrechtlichen Prüfung der Software ist die Offenlegung des Quellcodes zwingend erforderlich. Bei Forschung im Bereich „Data Mining“ und „vorhersagende Analyse“ mit Beteiligung von Bundeseinrichtungen fordern wir öffentliche Einblicke in die Forschungsprogramme, den Forschungsstand und die Funktionsweise der entwickelten Technologien.
  • Eine polizeiliche oder geheimdienstliche Nutzung dieser Systeme lehnen wir ebenso ab wie den Export der Überwachungstechnologien. Das gilt nicht nur für autoritäre Regimes, denn wie die Skandale um den Staatstrojaner oder die massenhafte Funkzellenabfragen bei Demonstrationen zeigen, werden derartige Spähwerkzeuge national und weltweit gegen unliebsame Bewegungen genutzt – in Teheran und Istanbul genauso wie in Dresden, Minsk, Tunis und Riad.

Krieg auf Verdacht, wie er im sogenannten Tallinn Manual der NATO beschrieben wird, lehnen wir ebenso strikt ab wie Krieg als generelles Mittel der Politik.

  • Hacker dürfen auch künftig nicht als aktive Kriegsteilnehmer eingestuft, Hackerangriffe nicht als kriegerische Aktionen bewertet werden. Wir brauchen internationale, vertragsrechtliche Lösungen zur nicht-militärischen Bewältigung von Cyberwar-Szenarien.
  • Auch im Rahmen einer Neudefinition Kritischer Infrastrukturen darf es zu keiner Vermischung des Schutzes ziviler Kritischer Infrastrukturen mit Strategien zur militärischen Cybersicherheit kommen. Im Bereich der zivilen Cybersicherheit muss das klare Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten gelten.

 

URHEBERRECHT

Wissen soll produktiv weiter verwendet werden dürfen. Das muss mit dem Recht der Schöpferinnen und Schöpfer geistiger Werke auf angemessene Bezahlung in Einklang gebracht werden. Wir wollen diese Fragen in einem modernen Patent- und Urheberrecht regeln. Die private Aneignung von Wissen in Form von Urheber- und Patenrechten darf nicht zur ökonomischen oder kulturellen Entwicklungsschranke werden.

  • Wir fordern eine Reform des Urhebervertragsrechts, damit Kreative ihre Ansprüche auf angemessene Vergütung wirksam durchsetzen können. Wir wollen die Möglichkeit zu Total-Buyouts, durch die sich die Verwerter umfassende und ausschließliche Nutzungsrechte auch in die Zukunft einräumen lassen, vertragsrechtlich einschränken. Urheberinnen und Urheber sollten eine bessere Kontrolle über ihre Rechte haben, insbesondere über Rechte, die vertraglich eingeräumt wurden, dann aber nicht genutzt werden. Gemeinsame Vergütungsregeln müssen notfalls auf dem Wege der Rechtsverordnung in Kraft gesetzt werden können. Der Anspruch auf angemessene Vergütung sollte von Berufsverbänden der Urheberinnen und Urheber auf dem Klageweg geltend gemacht werden können.
  • Wir setzen uns für neue Lizenz- und Vergütungsmodelle (Creative Commons, Kulturwertmark, Crowdfunding) sowie für eine umfassende Reform der Verwertungsgesellschaften ein.
  • Die Rechte von Urheberinnen und Urhebern, die mit digitalem Material arbeiten, möchte DIE LINKE durch die Einführung einer Mash-up-Schranke stärken. Sie schützt in einer Remixkultur vor unangemessenen Rechtsstreitigkeiten.

Die Verlängerung urheberrechtlicher Schutzfristen wollen wir umkehren und Grundlagen für faire, nichtkommerzielle Nutzungsmöglichkeiten schaffen. Die Kriminalisierung ganzer Nutzergruppen lehnen wir ab. Den überzogenen und massiven Einsatz von Abmahnungen gegen Bürgerinnen und Bürger wegen vermeintlicher Urheberrechtsverletzungen wollen wir stoppen, indem wir Abmahnungen auf kommerziellen Missbrauch und tatsächliche Rechtsverletzungen eingrenzen und die Anwaltsgebühren deckeln. Nichtkommerzielle Nutzungshandlungen in Tauschbörsen sollen erlaubt sein. Wir fordern ein Recht auf Weiterverkauf von digitalen Kulturgütern. Wir lehnen ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage ab.

  • Wir fordern ein Recht auf Weiterverkauf von digitalen Kulturgütern. Nutzungsfreiheiten sollten nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen von Online-Shops ausgehebelt werden dürfen.
  • Wir wollen Open Access als Voraussetzung für mit öffentlichen Geldern geförderte Forschung etablieren, zugleich die Digitalisate aus Archiven und Museen zu Produktionsmitteln für alle machen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollen ein echtes unabdingbares Zweitveröffentlichungsrecht bekommen, um über das Schicksal ihrer Publikationen selbst entscheiden zu können. Dies muss für alle überwiegend aus öffentlichen Mitteln – also auch aus Hochschulbudgets – finanzierten Forschungsarbeiten bei Formatgleichheit und einer Embargo-Frist von sechs Monaten gelten.
  • DIE LINKE fordert seit Langem besondere Nutzungsfreiheiten im Urheberrecht für den Wissenschaftsbereich. Diese sollten idealerweise in einer sogenannten Wissenschaftsschranke zusammengefasst werden. Wissenschaft und Forschung sollen ihre Aufgaben mit den Möglichkeiten, die der digitale Wandel eröffnet hat, besser erfüllen können. Schranken müssen gegenüber privatwirtschaftlichen Verträgen durchsetzungsstark ausgestaltet sein, sonst nützen sie nichts, weil immer der stärkere Vertragspartner die Bedingungen diktiert. Auch müssen unbedingt jene Vervielfältigungen und Digitalisierungen, die für eine digitale Langzeitarchivierung nötig sind, ermöglicht werden. Die Wissenschaftsschranke soll für alle Werkarten gelten. Die Zahlung einer pauschalen Vergütung als angemessener Ausgleich für den Rechteinhaber/die Rechteinhaberin ist auch heute schon vorgesehen und sollte beibehalten werden. Wichtig wäre aber, dass die Zahlung in einem fairen Verhältnis zur Gegenleistung stehen muss. DIE LINKE hält es für sinnvoll, auf die Bedürfnisse moderner Bildungs- und Forschungsprozesse durch eine europäische Anpassung der Wissenschaftsschranke zu reagieren. Wir können damit zum einen die Durchsetzung in Deutschland erleichtern und zum anderen harmonisierte Regelungen schaffen, die im Bereich der Wissenschaft allemal sinnvoll sind. Wissenschaft ist transnational und sollte auf einer gemeinsamen rechtlichen Basis arbeiten können.

 

FAIR WORK, HARDWAREPRODUKTION, GREEN IT

DIE LINKE setzt sich für gute und gut bezahlte Arbeit – für Fair Work – in der digitalen Kreativwirtschaft ein ebenso wie in der IT- und Hardwareproduktion – national wie international. In Deutschland ist die soziale Lage vieler Erwerbstätiger im kreativ geprägten Bereich digitaler Ökonomie oft prekär. Einkommen sind in der Regel diskontinuierlich, häufig nicht existenzsichernd und zu niedrig, um ausreichend Vorsorge für Phasen der Nichterwerbstätigkeit treffen zu können. Die etablierten Mechanismen kollektiver sozialer Sicherung greifen insbesondere für die Risiken der Auftragslosigkeit, einer längeren Krankheit und des Alters nicht oder nur unzulänglich. Gezielte Anpassungen im Sinne einer erweiterten Aufnahmefähigkeit der sozialen Sicherungssysteme für prekär Beschäftigte und Selbständige sind unabdingbar.

  • DIE LINKE setzt sich für die finanzielle und soziale Absicherung von prekär Beschäftigten und Freiberuflern ein, insbesondere auch in Form von günstigeren Beiträgen bei Rente und Sozialversicherungen.

Smartphones, Tablet-PCs, Spielekonsolen und andere Unterhaltungselektronik werden in den allermeisten Fällen in Billiglohnländern hergestellt und zusammengeschraubt. Die dort gezahlten Niedrigstlöhne, ein kaum vorhandenes Arbeitsrecht und miserable Umweltstandards stehen in einem krassen Gegensatz zu den Angeboten in den Hightech-Stores der westlichen Konzerne.

  • Wir wollen Konzerngewinne, die auf der Verletzung von internationalen Standards bei Arbeitsrechten, Umwelt- oder Gesundheitsschutz basieren, steuerlich sanktionieren. Unternehmen, die mit Auftragnehmern in Entwicklungs- und Schwellenländern zusammenarbeiten, sollen dazu verpflichtet werden, dass diese sich an hohe Standards der Arbeitsqualität und der sozialen Absicherung ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer halten. Hierzu sind internationale Vereinbarungen erforderlich.

Rohstoffeffizienz, Recycling und Substitution sind für die materiellen Grundlagen von Infor­mationstechnologie eine notwendige Bedingung.

  • Grundlegende Bauteile von IT-Geräten sollten festgeschriebenen Standards genügen, damit sie wechselseitig einsetzbar sind.
  • Zubehör wie Akkus und Ladegeräte sollten möglichst universal verwendbar sein.

IT-Geräte sollten reparaturfähig sein und am Ende des Lebenszyklus möglichst einfach und vollständig verwertbar. Um mehr Recycling zu erreichen, halten wir ein Pfandsystem für denkbar, das zunächst als Pilotprojekt für Mobiltelefone und Smartphones eingeführt wird.

  • Darüber hinaus setzt sich DIE LINKE für mehr Grundlagenforschung im Bereich der Substitution ein. Seltene Erden oder andere Rohstoffe können in der Produktion durch andere, leichter verfügbare ersetzt werden.

Großes ökonomisches und ökologisches Potenzial für eine umweltfreundliche Zukunft sehen wir im Bereich von Green IT.

  • Wir wollen nationale und internationale Smart-Grid-Forschungsprojekte sowie die Erforschung von IT in Hybridnetzen fördern und Verteilnetze, die zu modernen IT-gestützten Energienetzen ausgebaut werden, etablieren.

Smart Grids, Smart Metering und Smart Cities stellen die Gesellschaft allerdings auch vor große Herausforderungen in Sachen Datenschutz. Wenn anhand der Messung des Energieverbrauchs Rückschlüsse auf die Lebensgewohnheiten möglich werden, müssen die Privatsphäre und die informationelle Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger effektiv geschützt sein.

  • Schlechte Arbeitsbedingungen, unfaire Löhne, ökologisch und gesundheitlich untragbare Zustände in den IT-Zuliefer- und Produktionsbetrieben, in der Gewinnung und Verarbeitung von unentbehrlichen Metallen und seltenen Erden müssen ein Ende haben. Deshalb setzen wir uns international für Fair-Work in der IT-Industrie ein.

 

COMMONSBASIERTE INFRASTRUKTUR, AUTORENNETZWERKE UND MEDIENKOMPETENZ FÖRDERN

Das Internet und seine Protokolle der Kommunikation beruhen auf der Kultur des Teilens. Digitales Teilen ist Ausdruck gesellschaftlicher Solidarität. DIE LINKE will Commons-basierte, selbstverwaltete, nichtkommerzielle und öffentliche Alternativen zu Mainstream-Angeboten in Form von Freier Software, offenen Technologien sowie dezentralisierten Infrastrukturen, unabhängigen Blogs und selbstbestimmten sozialen Medien fördern. Die Erlössituation von Bloggerinnen und Bloggern, von digitalen Autorennetzwerken und innovativen Online-Plattformen soll mit öffentlichen Mitteln verbessert werden. Zugleich fordern wir, deren Betreiberinnen und Betreiber explizit mit in den Personenkreis aufzunehmen, für den ein gesetzlicher Informantenschutz für Whistleblower gelten soll.

DIE LINKE will die Grundlagen zu einer solidarischen Medienbildung für alle Generationen schaffen. Medienbildung heißt: Kenntnisse für ein selbstbestimmtes und selbstbewusstes Verhalten im Netz vermitteln. Medienbildung befähigt zur eigenverantwortlichen Mediengestaltung, sei es in Blogs, Wikis, Foren, Podcasts, sozialen Netzwerken oder auf klassischen Websites. Medienbildung ist durch den ständigen Wandel im Netz ein lebenslanger Prozess und muss für alle gesellschaftlichen Gruppen nicht nur in Schulen, sondern etwa auch in Altersheimen oder Bibliotheken angeboten werden. Dazu ist die Einbeziehung von Medienbildung in allen Schulfächern und in Angebote für alle gesellschaftlichen Gruppen erforderlich.

  • Langfristig wollen wir neue Modelle der Finanzierung kreativer Werke etablieren. Freie Software und offene Technologien wollen wir fördern und unabhängige Bloggerinnen und Blogger sowie innovative Online-Plattformen unterstützen. Wenn digitale Medieninhalte und neue Formate gemeinwirtschaftlich gefördert werden, müssen sie dauerhaft frei zur Verfügung stehen.

 

2 Kommentare zu “LINKE NETZPOLITIK – Für Commons, Dialog und Teilhabe”

  1. […] den Piraten wollten nun auch die Linken ihren Bezug auf die Commons formulieren. Im Entwurf klingt der Titel schon mal super: »Für […]

  2. […] wie Überwachung oder elektronische Gesundheitskarte sind auch in anderen Kapiteln verteilt) und hier eine Langfassung der netzpolitischen Positionen der LINKEN Bundesarbeitsgemeinschaft […]