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Netzneutralität: Nichts Neues von der Bundesnetzagentur

Matthias Kurth, Präsident der Bundesnetzagentur, hat erneut zum Thema Netzneutralität Stellung genommen. In einem Beitrag „Wettbewerb ist Garant für Netzneutralität“ für die FAZ (hier die Version im FAZ-Blog Netzökonom) singt er noch einmal das Hohelied auf den Markt. Der Wettbewerb auf der Netzebene werde das hehre Ziel Netzneutralität gewährleisten, lautet das Credo:

Der beste Garant für die Gewährleistung von Netzneutralität ist aus meiner Sicht aber die Existenz ausreichenden Wettbewerbs auf der Netzebene. Wenn Kunden Wechselmöglichkeiten haben und nutzen, können bestimmte Verhaltensweisen von Netzbetreibern effektiv sanktioniert oder belohnt werden. Daher sind erweiterte Transparenz- und Informationspflichten für Unternehmen zentral, etwa darüber, ob der Zugang oder die Nutzung von Diensten und Anwendungen eingeschränkt ist.

Die Wahrung von Netzneutralität verbleibt somit auch künftig ein Residuum des Markt- und Betreiberrechts. Doch richtet der Markt es eben nicht: Dass Markteintrittsbarrieren für Diensteanbieter in einem internationalen Marktumfeld wie dem Netz durch erhöhte Transparenzanforderungen gerade nicht aufgehoben, sondern erhöht werden, war hier bereits Thema. Welche Auswirkungen erhöhte Transparenzanforderungen im Sinne des Wettbewerbs auf Nutzerebene zeitigen, können Kunden der Deutschen Telekom AG gegenwärtig erfahren, die das iPhone-App des VoIP-Anbieters und Telekom-Konkurrenten Skype nutzen wollen.

Bis September des vergangenen Jahres war ihnen die VoIP-Nutzung per Mobilfunknetz gänzlich verwehrt. Nachdem die EU und die Bundesnetzagentur nach Protesten von Internetnutzern Druck auf das Unternehmen ausgeübt hatten, wurde eine kostenpflichtige VoIP-Zusatzoption geschaffen. Aus dem transparenten VoIP-Verbot in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Telekom können sich Kunden seitdem herauskaufen. Mit dem Ergebnis, dass das Angebot in der Praxis kaum angenommen wird und nur bei einer Anwenderzahl in kleinem dreistelligen Bereich Anklang findet. Der Wettbewerber Skype wird weiter behindert, weil die Telekom kein Interesse daran hat, einen Konkurrenten mit niedrigeren Telefoniepreisen als sie selbst zu transportieren. (Bericht auf onlinekosten.de)

Nicht nur, aber insbesondere im Wachstumssegment mobiles Internet sind es Netzbetreiber mit einem breiten Kundenstamm und hohen Marktanteilen, die innovative Applikations-, Inhalte- oder Portalproduzenten aus Eigeninteresse diskriminieren. Netzneutralität bedeutete für sie eine Beschränkung ihrer Marktmacht. Die Vorstellung, Kunden könnten solange die Betreiber wechseln, bis sich die Interessen gegenseitig aufheben, ist dem unzutreffenden Leitbild vollständiger Konkurrenz in der marktradikalen Ausprägung der neoklassischen Theorie geschuldet.

Kurth, der SPD-Mitglied ist (hier sein offizieller Lebenslauf), propagiert in seinem aktuellen Debattenbeitrag nichts anderes als das angebots- und wettbewerbspolitische Paradigma, das die Bundesnetzagentur seit langem vertritt. Bereits im Dezember 2008 war in einem Expertengespräch des Unterausschusses Neue Medien im Bundestag deren Vizepräsidentin Iris Henseler-Unger mit den Worten zu vernehmen:

Klare rechtliche Regelungen zur Adressierung von Marktmachtproblemen sowie die Förderung von Wettbewerb auf der Netzebene sind gegenüber spezifischen Regelungen zur Netzneutralität vorzuziehen. Wettbewerb auf der Netzebene begünstigt diskrimierungsfreien Zugang und vergrößert die Wahlmöglichkeiten für Kunden. (Stellungnahme Dr. Iris Henseler-Unger)

Diese Positionierung zur Netzneutralität fand nahezu unverändert Eingang in den Koalitionsvertrag von Schwarz-Gelb. Von Seiten der staatlichen Regulierungsbehörde nichts Neues also.

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