Funktionsauftrag im Digitalzeitalter
Die Medienlandschaft befindet sich in einem tiefgreifenden wirtschaftlichen, technischen und kulturellen Umbruchsprozess. Mit der Pluralisierung der Verbreitungswege von digitalen Medieninhalten bedarf es einer zukunftsorientierten publizistischen Vielfaltssicherung. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk behält auch im Digitalzeitalter einen besonderen Funktionsauftrag. Um den Bedingungen einer sich verändernden Medienwelt gerecht zu werden, muss er die mit der Digitalisierung verbundenen Entwicklungspotenziale wahrnehmen und nutzen können. Dazu und angesichts der enormen Dynamik des Internet darf den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten keine formale Beschränkung in der Wahl des zu erbringenden digitalen Angebots auferlegt werden. Sicherzustellen ist allerdings, dass neue digitale Aktivitäten im Rahmen des Budgets erfolgen und nicht über eine stetige Erhöhung der Rundfunkgebühr in Rechnung gestellt werden. Als Orientierungsrahmen gilt hier: Der Empfang der Öffentlich-Rechtlichen muss für die Bürgerinnen und Bürger im Digitalzeitalter, in dem die Kosten für Mediennutzung insgesamt stark ansteigen, bezahlbar bleiben. Nur so kann die gesellschaftliche Akzeptanz des gebührenfinanzierten Rundfunks auch künftig aufrechterhalten werden.
Der Prozess der Kommerzialisierung allerdings wirkt hier als ein Entwicklungshemmnis. Wer in einer Welt, in der die Grenzen zwischen ökonomischen und inhaltlichen Aspekten, zwischen Werbung und Medium, zunehmend verschwimmen, die öffentlich-rechtliche Funktion nicht mehr eindeutig belegen kann, setzt seine Existenzberechtigung aufs Spiel. Daher gilt es, der zunehmenden Tendenz zur Selbstkommerzialisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Einhalt zu gebieten. Nur so lässt sich seine Akzeptanz und Gebührenfinanzierung bei den Bürgerinnen und Bürgern langfristig sicherstellen und die zunehmende Konkurrenzsituation zu privaten Rundfunkanbietern aufheben. Nur so kann in der nächsten Runde im Kommerzialisierungsprozess, wie sie die europäische Fernsehrichtlinie (Richtlinie 2007/65/EG) mit der Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Werbung und der weitgehenden Freigabe von Product Placement einleiten wird, etwas Substantielles entgegengesetzt werden. Nur so wird schließlich dem Druck des Wettbewerbsrechts und der EU-Kommission langfristig zu widerstehen sein.
Ein Werbe- und Sponsoringverbot (mit Ausnahme des Sports, dessen Rechteerwerb oft mit entsprechenden Werbe- und Sponsoringauflagen verbunden ist) wäre dazu ein erster wichtiger Schritt. Entgegen anderslautender Behauptungen sind Werbe- und Sponsoringfreiheit durchaus finanzierbar – entweder über das Einspar- und Umschichtungspotential in den bestehenden Haushalten der öffentlich-rechtlichen Anstalten oder aber durch die Kompensation des Ausfalls von Gebührenbefreiungen durch die Träger sozialer Leistungen. Wir plädieren für letzteres. (Laut der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten ergäben die Auswirkungen eines Verzichts der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf Werbung und Sponsoring die Notwendigkeit eines Ausgleichs durch einen Gebührenzuschlag in Höhe von 1,42 Euro. Dies würde mehr als kompensiert, wenn die Ausfälle aus Gebührenbefreiungen gegengerechnet würden.)
Ein nächster Schritt bestände in einer klaren Trennung zwischen öffentlich-rechtlichen und kommerziellen Bereichen. Dies könnte in einem Zwei-Sektoren-Modell à la BBC geschehen, die zwischen gebührenfinanzierten und kommerziellen Tätigkeiten strikt unterscheidet, oder in einer generellen Auflösung von Beteiligungen an kommerziellen Unternehmen sowie des Gebots, Auslagerungen von Produktionen zu unterbinden. Die Frage der Konditionen für outgesourcte Sendungen könnte auf diese Weise ebenso wie die Problematik der Moderatorenproduzenten, die hohe Gagen und Gehälter zugleich mit Gewinnen aus ihrer Unternehmertätigkeit beziehen, gelöst werden. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Stärkung des Kreativpotenzials in den Sendeanstalten. Ein öffentlich-rechtliches Rundfunksystem, in dem die Kreativen mehr und die Verwaltungen weniger zu sagen haben, würde das Programmangebot auch für jüngere Generationen wieder attraktiver machen. Um sie zurückzugewinnen, bedarf es – entgegen den Behauptungen der Programmverantwortlichen – eines Werbeumfeldprogramms nicht.
Entwicklungsoffenheit und Dekommerzialisierung bilden die grundlegenden Voraussetzungen für eine Modernisierung des öffentlich-rechtlichen Funktionsauftrags im Digitalzeitalter. Konditionen und Grundlagen für eine digitale Medienordnung des Rundfunks wurden hier aufgezeigt. Eine Fortführung der Medienregulierung als reine Rundfunkregulierung allerdings wird künftig nicht ausreichen: Die Bedingungen der digitalen Kommunikation und ihrer Netzwerke erfordern in immer stärkerem Maße auch den Einbezug von Presse und Telemedien.
Teil I: Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen
Teil II: Europarechtliche Beschränkungen
Teil III: Regulierung im Digitalzeitalter