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Open Access und das Urheberrecht

Das Bundesjustizministerium hatte jüngst zu einer weiteren Anhörung im Rahmen des ministeriellen Konsultationsprozesses eingeladen. Das umfangreichste Thema der Tagesordnung lautete diesmal „Open Access“. (Matthias Spielkamp hat hier eine recht vollständige Mitschrift veröffentlicht.) Anwesend waren neben Politikerinnen und weiteren interessierten Externen vor allem Wissenschaftsorganisationen und Bibliotheken sowie Verlags- und IT-Branche.

Relativ schnell kristallisierte sich heraus, dass die Wissenschaft dringenden Regelungsbedarf sieht – und die Verlagsbranche nicht. Letztere will ihre Leistungen und Investitionen refinanziert sehen: „Branding“ der Artikel über Peer Reviewed Journals, Layout, Marketing, Schaffung von Marktnachfrage etc. Der „Goldene“ Weg von Open Access sei doch bereits ein prima Geschäftsmodell für die Verlage. Eine gesetzliche Regelung sei zudem unnötig, da die meisten Verlage nichts gegen eine Zweitveröffentlichung über den „Grünen“ Weg hätten. Und überhaupt kämen nur 5 Prozent der in Deutschland publizierten Wissenschaftsliteratur auch von deutschen Verlagen. Da die europäische Urheberrechtsrichtlinie Regelungen zugunsten von Open Access nicht vorsehe, dürfe Deutschland hier auch nicht vorpreschen. Dies würde auch noch die letzten deutschen Wissenschaftsverlage um ihre Marktanteile bringen, denn für die ausländische Konkurrenz gelte das nationale Vertragsrecht nicht.

Die Wissenschaftsseite hingegen stellte noch einmal dar, dass die Preiszockerei der monopolisierten Top-Journals ein Ende haben müsse. Es gebe eine Publikationskrise, die die Wissenschaftskommunikation fast zum Erliegen bringe. Insbesondere die Rechtsunsicherheiten bei Zweitveröffentlichungen seien ein großes Problem. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hätten das Kleingedruckte der Publikationsverträge mit privaten Verlagen gar nicht zur Kenntnis genommen.

Drei zentrale Urheberrechtsinstrumente zur Erleichterung von Open-Access-Publikationen wurden von Seiten des Ministeriums benannt: die Anbietungspflicht, Zwangslizenzen sowie ein unabtretbares Zweitveröffentlichungsrecht. In der Debatte gerieten diese jedoch immer wieder durcheinander.

Eine gesetzliche Anbietungspflicht für Veröffentlichungen wurde von niemanden offen befürwortet. Stattdessen verwiesen Vertreter der Wissenschaftsorganisationen und des Aktionsbündnisses „Urheberrecht Bildung und Wissenschaft“ auf internationale Vorbilder in der Forschungsförderung. Allerdings fordern bei diesen Beispielen immer Förderinstitutionen oder Forschungsinstitute bzw. Hochschulen in Förder- oder Arbeitsverträgen eine Anbietung der Texte ein, unter anderem die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW). Diese unterhält ein umfangreiches Onlinerepositorium.  Eine gesetzliche Regelung jedoch, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zur Open-Access-Erstveröffentlichung bei der eigenen Hochschule oder beim Forschungsinstitut zwinge, fand keine Befürworter. 

Zwangslizensierungen, also die zwangsweise Abgabe von Veröffentlichungsrechten gegen angemessene Lizenzgebühren, wollte ebenfalls niemand.

Eine umfangreiche Debatte entspann sich lediglich zur Möglichkeit eines gesetzlichen Zweitverwertungsrechtes. Einen solchen § 38 hatte bereits der Bundesrat 2007 vorgeschlagen, als der so genannte Zweite Korb zur Urheberrechtsnovellierung beraten wurde. Der Vertreter des Justizministeriums interessierte sich vor allem für die praktische Rechtsdurchsetzung auf einem vollständig internationalisierten Markt: nutzen deutsche Autorinnen und Autoren das Recht überhaupt, wenn der amerikanische Verlag eine nationale gesetzliche Vorschrift nicht anerkennt?

Bis auf den Börsenverein und die Vertreter der Verlagsbranche waren sich alle einig, dass ein solches Recht trotz dieser Probleme eine sinnvolle Regelung sei. Es nutze allerdings nicht zuvorderst Open Access, sondern stärke wissenschaftliche Urheber bei der Möglichkeit der Wissensverbreitung. Sogar eine Ausweitung eines Zweitverwertungsrechtes auf alle Urheber wurde ins Gespräch gebracht. Faktisch käme das einem Verbot von Total-buyout-Verträgen gleich.

So weit gehen die großen Parteien zwar nicht, aber immerhin befürworten die oppositionelle SPD und die regierende Union nun ein Zweitverwertungsrecht nach einer bestimmten Embargofrist. Fragt sich der geneigte Leser, warum dann die Initiative des Bundesrates zu Zeiten der großen Koalition von ebendieser abgelohnt wurde. Auch die Grünen sprachen sich für eine solche gesetzliche Regelung aus, scheinen jedoch das Prinzip der Anbietungspflicht nicht verstanden zu haben.

Auch aus LINKER Sicht ist ein Zweitverwertungsrecht eine sinnvolle Maßnahme – am besten ohne Embargofrist . Wenn der Verlag einen vergütenswerten Mehrwert schafft, hat er eine Embargofrist nicht nötig. Wenn der Verlag keinen solchen Mehrwert schafft, ist ein Schutz durch eine Embargofrist erst recht nicht angemessen. Und tatsächlich ist eine Ausweitung des Zweitverwertungsrechts auf alle Urheber denkbar. Solch ein Recht könnte ökonomisch bedingte Kräfteungleichgewichte ausgleichen und die Verbreitung kreativer Inhalte erleichtern. Kreative hätten gegenüber der Industrie eine deutlich verbesserte Verhandlungsposition. Insofern ginge es dabei um eine echte Stärkung der Urheber.

Zur Stärkung von Open Access ist jedoch mehr notwendig als nur ein Zweitverwertungsrecht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: Bibliotheken müssen besser ausgestattet werden. Die Orientierung auf Core-Journals bei der Messung von Zitationsindizes muss zurück gedrängt werden. Wissenschaftliche Karrieren dürfen nicht mehr prioritär von der Zahl der Publikationen in ein bis zwei dieser Zeitschriften abhängen. Und nicht zuletzt sollten öffentliche Wissenschaftseinrichtungen und Drittmittelgeber wie die DFG eine Open-Access-Publikation verbindlich in Förder- und Arbeitsverträgen festschreiben.

2 Kommentare zu “Open Access und das Urheberrecht”

  1. […] Zweitveröffentlichungsrecht aus. Gleiches gilt für die Parteien SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Positiv wurden also diese Forderung sowohl von der Wissenschaft als auch von der Politik […]

  2. […] Beitrag für die FAZ: wem nützt ein Zweitverwertungsrecht? Im Nachklang der BMJ-Anhörung (wir berichteten) hat diese Frage ihre Berechtigung. Leider gibt Reuß keine Antwort, sondern diskutiert anfangs […]