DIGITALE LINKE
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TKG: Das erneute Versagen der Bundesländer in der Netzpolitik

Gegen die vom Bundestag beschlossene Novellierung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) hatten die Bundesländer Einspruch erhoben. Der daraufhin vom Bundesrat angerufene Vermittlungsausschuss billigte am Mittwoch einen Kompromiss, der zuvor von einer Arbeitsgruppe mit den Verhandlungsführern Peter Hintze (Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, CDU) auf Seiten der Bundesregierung sowie Marc Jan Eumann (Staatssekretär in der Staatskanzlei NRW, SPD) und Johannes Beermann (Staatsminister und Chef der Staatskanzlei Sachsen, CDU) auf Seiten der Länder ausgehandelt wurde. Bemerkenswert am Verhandlungsergebnis ist zweierlei.

Erstens: Die Bundesländer hatten entscheidende Fragen zur TKG-Novelle erst gar nicht aufgerufen. Netzneutralität, Breitbandversorgung, Daten- und Verbraucherschutz standen nicht auf der Liste des Einberufungsgesuchs, sondern lediglich Erwägungen des Rundfunks (Drs. 685/11(B)). Ziel der Länder war es, bei einer künftigen Versteigerung und Umwidmung von Rundfunkfrequenzen für die mobile Internetnutzung (Digitale Dividende II) beteiligt zu werden. Sie verlangten eine 50-prozentige Beteiligung an den nachfolgenden Erträgen, die bei der ersten Versteigerung (Digitale Dividende I) im Jahr 2010 noch vollständig dem Bund zugeflossen waren.

Gelungen ist ihnen das nicht. Zwar werden im nun verabschiedeten Gesetzestext (Drs. 17/8569) Belange des Rundfunks stärker verankert, sodass die Länder bei einer erneuten Frequenzversteigerung nicht einfach umgangen werden können. Doch gestand – wie ein unveröffentlichtes Zusatzprotokoll zur Vereinbarung zeigt – der Bund ihnen lediglich zu, die 50-Prozent-Forderung zur Kenntnis zu nehmen. Angestrebt werde, so heißt es dort, eine einvernehmliche Regelung über die Erlösverteilung herzustellen. Zu Deutsch: Die Frage nach der Erlösverteilung für eine künftige Digitale Dividende II zwischen Bund und Ländern wurde vertagt.

Zweitens: Der Bund hatte aus der Digitalen Dividende I Einnahmen in Höhe von 4,38 Mrd. Euro erzielt. Sogenannten Sekundärnutzern des versteigerten Frequenzspektrums gestand er Billigkeitsleistungen für anrechenbare störungsbedingte Umstellungskosten in Höhe von 124 Mio. Euro zu. Der Haushaltsausschuss des Bundestages verband die Freigabe einer ersten Tranche dieser Gelder in Höhe von 70 Mio. Euro in seiner 64. Sitzung am 28.09.2011 mit dem Zusatz, dass damit zugleich keine weiterte Ausweitung der Billigkeitsleistungen erfolgen dürfe. Die Bundesregierung wiederum nahm den von ihr im Hintergrund miterwirkten Beschluss zum Anlass, vor dem Ausschuss für Wirtschaft und Technologie am 24.10.2011 zu erklären, vor diesem Hintergrund keine weiteren „Nachbesserungen“ vornehmen zu können.

Betroffen von der Frequenzumstellung sind drahtlose Mikrofone, genutzt in Theatern, Konzertsälen, Kirchen, Konferenzzentren sowie von Unternehmen der Veranstaltungsbranche und Dienstleistern aus der Film- und Fernsehbranche. Schätzungen über erforderlich werdende Ersatzinvestitionen reichen von 1 Mrd. bis zu 3,5 Mrd. Euro. Die Bundesländer, aufgeschreckt durch den breiten Protest der Veranstalter und Kultureinrichtungen, forderten zuletzt eine Entschädigung in Höhe von 700 Mio. Euro. (Siehe hierzu Drs. 17/6660.)

Das Zusatzprotokoll zeigt nun, dass sich die Länder auch in diesem Punkt nicht durchsetzen konnten oder wollten. Leicht abgeändert wurde lediglich die Billigkeitsrichtlinie, nach der die Vorrausetzungen für Billigkeitsleistungen geregelt werden: So wurde der Zeitraum zur Antragstellung um zwei Jahre verlängert; Kirchen, Länder, Städte, Landkreise und Kommunen als Träger von kulturellen Einrichtungen explizit im Text erwähnt; und eine Sockelregelung ab dem sechsten Jahr nach Beginn der Wertminderungszeit von Drahtlosmikrofonen von steuerbegünstigten kulturellen Veranstaltern geschaffen.

Es sind leichte, teils kosmetische Modifikationen, die hier erfolgten. An den wirklichen Problemen der Billigkeitsrichtlinie – siehe hierzu den Antrag der Bundestagsfraktion DIE LINKE (Drs. 17/7655) – wurde nicht gerüttelt. Und an den von der Bundesregierung zugestandenen Billigkeitsleistungen in Höhe von läppischen 124 Mio. Euro insgesamt nicht mal gekratzt.

Die Einberufung des Vermittlungsausschusses und die Verhandlungsbilanz zeigen: Netzpolitik ist in den Ländern immer noch nicht angekommen. Wie schon beim gescheiterten Jugendmedienschutz-Staatvertrag (JMStV) erfassen sie darunter vorrangig Rundfunkpolitik. Gehen sie doch einmal einen Schritt über diesen Status quo hinaus, zeigen sich gar abenteuerliche Ergebnisse. Wohl in einem Akte netzpolitischer Verzweiflung schrieben die Verhandlungsführer in das Zusatzprotokoll, zum Ausbau der Breitbandversorgung wollten Länder und Bundesregierung Vorschläge erarbeiten, wie bestehende KfW-Förderprogramme für Unternehmen und Kommunen durch textliche Präzisierungen, öffentlichkeitswirksame Maßnahmen und eine erhöhte Transparenz besser genutzt werden können.

Substanz sieht anders aus!

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