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Wie ein Konsens zum Nonsens führt: Indem beim Jugendmedienschutz Rundfunkregeln auf das Internet übertragen werden

Bisher liegt den Landesparlamenten noch nicht der aktuelle Entwurf zum Jugendmedienschutzstaatsvertrag vor. Nach dem auf carta.info veröffentlichten letzten Entwurf vom 18.2.2010  sollen Internetprovider nun doch nicht als Anbieter gelten und Jugendschutzprogramme “bereithalten” müssen. Die Haftung der Internetanbieter wurde also erheblich zurückgenommen. In diesem zentralen Punkt ist der neue JMStV-Entwurf tatsächlich besser all als seine Vorversionen. Doch ist der jetzige Entwurf in vielen weiteren Punkten zu kritisieren:

  1. Jugendschutz über Sendezeiten – analog dem Fernsehen – ist für das Internet absurd und letztlich nicht mehr als ein Alibi.
  2. Die KJM soll für das Internet zuständig sein. Der Bund hat der FSK den Jugendschutz im Filmbereich übertragen. Doch wer wird bei Filmen und Spielen im Internet das letzte Wort haben? Dies ist bisher unklar.
  3. Das Ausland mit all seinen Angeboten wird von den Ministerpräsidenten ausgeblendet.
  4. Mit der verlangten Alters-Kennzeichnung (ab 6 Jahre, ab 12 Jahre, ab 16 Jahre und ab 18 Jahre) und der Pflicht, nutzergenerierte Inhalte auf jeden Fall altersstufenkennzeichnungsgerecht zu filtern, werden viele nichtkommerzielle Anbieter überfordert.
  5. Mit der Regelung, dass Inhalteanbietern, die die “freiwillig” gekennzeichneten Inhalte mit einer falschen Altersfreigabe ausweisen, hohe Geldstrafen drohen, sorgt man dafür, dass möglichst alle Angebote ab 18 Jahre gekennzeichnet sind.
  6. Den Jugendschutzprogrammen soll durch anbieterseitige Kennzeichnung das Filtern vereinfacht werden. Dabei gilt: Wer sich nicht selbst als unbedenklich deklariert, ist bedenklich. Wer als Anbieter nicht mitmacht, ist verdächtig – und könnte in den Filterprogrammen vorsichtshalber ausgefiltert werden.
  7. Während den Inhalteanbietern sehr viel vorgeschrieben wird, steht im Gesetz erstaunlich wenig über die Funktionalitäten der Jugendschutzprogramme.
  8. Die Internetprovider werden gezwungen, Jugendschutzfiltergramme für ihre Nutzer “leicht auffindbar” anzubieten. Dabei sind solche Programme im offenen Internet leicht auffindbar.

Angeblich werden mit dem Staatsvertrag Eigeninitiative (der Eltern) und Freiwilligkeit (der Anbieter) beim Jugendmedienschutz gestärkt. Doch gestärkt und indirekt gefördert werden vor allem die Jugendschutz-Zertifizierer. Die neuen Anbieterpflichten stehen völlig unverhältnismäßig zu der erwartbaren geringen Verbesserung des Jugendschutzes. Das Gesetz sorgt für neuen Regulierungsstress bei Websitebetreibern, ohne dass der Schutz vor jugendgefährdenen Inhalten wirklich verbessert würde.

Statt die Bildung offener Jugendschutzstrukturen und einen Wettbewerb der Lösungsmodelle zu unterstützen, setzt man auf die staatsnahen Institutionen – wie die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) und jugendschutz.net.

Die Ministerpräsidenten übertragen das im Rundfunk Bewährte auf das Internet. Und dies nur, weil sie einerseits ihre Kompetenzen und Zuständigkeiten nicht in Frage stellen und andererseits die in den Ländern geschaffen Einrichtungen erhalten wollen.

Somit schaffen sie mehr Probleme schaffen als sie lösen.

Der Jugendmedienschutz braucht einen Neustart. Der erste Schritt für einen sinnvollen und wirksamen Jugendschutz im Internet wäre es zu fragen, wie er funktionieren könnte? Diese Frage müssen die Ministerpräsidenten und ihre Referenten beantworten. Erst dann sollten sie Gesetze und Staatsverträge machen. Ansonsten folgt aus dem politischen Konsens ein regulatorischer Nonsens.

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