DIGITALE LINKE
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Intransparente ACTA-Verhandlungen: Spricht die Justizministerin für die Bundesregierung?

Die Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) äußerte in einer Rede auf dem IT-Gipfel eine vermeintlich klare Position zu Vorratdatenspeicherung und besonders zu Internetsperren:

Von zahlreichen freiheitsbeschränkenden Maßnahmen der Vergangenheit, wie Vorratsdatenspeicherung und Internetsperrungen, wollen wir uns bewusst abgrenzen. Dabei konnten wir auch schon erste Erfolge verbuchen. Statt einer Internetsperre ist im EU-TK-Paket jetzt die rechtsstaatlich abgesicherte Kommunikationsfreiheit geregelt.

Erstmals gab es von einer Ministerin auch eine Äußerung zur Internetsperren per Providerhaftung, wie sie derzeit im Rahmen der internationalen Geheimverhandlungen zu ACTA diskutiert werden:

Wichtig ist es uns auch (und das wird besonders die Zuhörer aus der IT-Wirtschaft interessieren) Freiräume für innovative Geschäftsmodelle zu sichern. Daher will diese Bundesregierung die Einführung einer Internetsperrung über den Umweg der Providerhaftung verhindern. Entsprechend klar sind unsere Verhandlungspositionen im Rahmen der ACTA-Verhandlungen mit den USA.

Nun gibt das Justizministerium selbst eine Position als Antwort (pdf) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE betreffs ACTA heraus:

17. Sind die Medienberichte zutreffend, wonach die USA auf eine internationale Übereinkunft zur Haftungsausweitung von Internetserviceprovidern (ISP), etwa durch Anwendung einer so genannten „Three-Strikes“-Regelung, drängen?

Antwort der Bundesregierung: Die Bundesregierung wird während der noch andauernden Verhandlungen Medienberichte zu ACTA nicht kommentieren.

Im Hinblick auf Regelungen in ACTA zur Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums in der digitalen Welt verfolgt die Bundesregierung das Ziel, dass die bestehenden europarechtlichen Regelungen, insbesondere die europarechtlichen Festlegungen zur Internethaftung (Richtlinie 2000/31/EG, E-commerce Richtlinie), nicht durch ACTA beeinträchtigt werden. Die Bundesregierung lehnt Internetsperren bei möglichen Urheberrechtsverletzungen als den falschen Weg zur Bekämpfung dieser Verstöße ab und wird sich für diese Position, falls nötig, auch in den Verhandlungen zu ACTA einsetzen.

Diese erfreulich klare Aussage wurde leider von Herrn Otto, seines Zeichens Parlamentarischer Staatssekretär im ebenfalls FDP-geführten Wirtschaftsministerium, konterkariert. Vielleicht kann die Justizministerin gar nicht für die gesamte Bundesregierung sprechen, sondern bestenfalls für ihr eigenes Haus? Eine Strategie könnte es sein, mehr Tansparenz in die geheimen Verhandlungen mit den USA zu bringen. Leider lässt das Justizministerium hier jeglichen Ehrgeiz vermissen.

Informationen zu ACTA scheut die Bundesregierung wie der Teufel das Weihwasser. Eine förmliche Unterrichtung des Bundestages, wie man sie nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Lissabon und den Lissabon-Begleitgesetzen erwarten würde, findet nicht statt. Zur Praxis der Geheimhaltung selbst äußert sie sich vermeintlich inhaltsleer:

6. Wie bewertet die Bundesregierung, dass die Verhandlungen zu ACTA und ihre konkreten Ergebnisse der Geheimhaltung unterliegen, obwohl das Abkommen vermutlich weitreichende Folgen für die Politik der EU-Mitgliedsstaaten zeitigen wird?

Antwort der Bundesregierung: Die Bundesregierung begrüßt es, dass die Europäische Kommission über den Fortgang der Verhandlungen auf ihrer Webseite (http://ec.europa.eu/trade/creating-opportunities/trade-topics/intellectual-property/anti-counterfeiting/) informiert und am 23. Juni 2008 sowie am 28. April 2009 Anhörungen der beteiligten Kreise durchgeführt hat.

Auf dieser Websete findet man – neben wenig Konkretem – im weiteren eine Absage an Transparenz. In einem Dokument mit dem Titel „The Anti-Counterfeiting Trade Agreement – Summary of Key Elements Under Discussion“ wird die Praxis der Geheimhaltung mit der unsinnigen Behauptung begründet, andernfalls überhaupt nicht verhandeln zu können:

A variety of groups have shown their interest in getting more information on the substance of the negotiations and have requested that the draft text be disclosed. However, it is accepted practice during trade negotiations among sovereign states to not share negotiating texts with the public at large, particularly at earlier stages of the negotiation. This allows delegations to exchange views in confidence facilitating the negotiation and compromise that are necessary in order to reach agreement on complex issues.

Da geht es in den USA schon direkter zur Sache. Bekanntlich wird die Geheimhaltungspraxis dort mit der Gefährdung der nationalen Sicherheit begründet, wogegen zuletzt zwei US-Senatoren protestierten.

Transparenz ist unbedingt erforderlich. Das zeigt auch die Liste einer Anzahl Auserwählter, denen bislang Einblick in das ACTA Internet Chapter gewährt wurde. Allerdings Transparenz auf allen Ebenen, auch auf jener der EU. In Brüssel sperrt sich die Kommission gegen den Beschluss des Europäischen Parlaments, alle Dokumente zu ACTA öffentlich zu machen.

2 Kommentare zu “Intransparente ACTA-Verhandlungen: Spricht die Justizministerin für die Bundesregierung?”

  1. […] Damit setzt die EU-Kommission, trotz zahlreicher Proteste auch aus dem Europäischen Parlament (siehe hierzu: „ACTA: ‚Wir wollen wissen, was los ist’“, für die Fraktion GUE/NGL die Pressemitteilung von Eva-Britt Svensson sowie die überfraktionelle Parlamentarische Anfrage vom 24. Februar 2010), ihre Politik der konsequenten Nichtöffentlichkeit fort. Das war im übrigen bislang auch die offizielle Linie der Bundesregierung in den Verhandlungen, wie der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Bundestag zu entnehmen (wir berichteten). […]

  2. […] LINKE hat bereits 2009 angefangen, ACTA im Bundestag kritisch zu hinterfragen und frühzeitig die Proteste vom Wochenende […]