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Bundesregierung prüft Abschaffung der Künstlersozialkasse

Die Künstlersozialkasse ist im parlamentarischen Betrieb ein Dauerbrenner. In den 80er Jahren eingeführt, um Kreativschaffenden und Publizisten eine kostengünstige Krankenversicherung zu ermöglichen, gerät die Kasse zuverlässig jedes Jahr aufs Neue in die Kritik. Nämlich immer dann, wenn die Beitragssätze für die Künstlersozialabgabe neu festgesetzt werden. Diese müssen von den Unternehmen abgeführt werden, die Aufträge an freiberufliche Kreativschaffende vergeben.

Besonders unbeliebt ist es natürlich, wenn die Beiträge steigen. So auch jetzt wieder: Nach dem neuesten Entwurf der Künstlersozialabgabeverordnung (KSAVO) soll der Satz im Jahr 2014 von derzeit 4,1% auf 5,2% steigen. Dieser Wert bezieht sich auf die Summe der Honorare, die Verwerter, also beispielsweise Buch- und Zeitschriftenverlage, Konzertveranstalter oder auch Werbeagenturen im Jahr an Kreativschaffende zahlen.

Wie hoch darf ein solcher Abgabesatz sein, damit er akzeptabel ist? Fragt man die Unternehmen, erhält man darauf kaum eine befriedigende Antwort. Eigentlich lehnen diese die Künstlersozialkasse nämlich insgesamt ab. Schließlich sind Kreativschaffende in der Regel Freiberufler, und Freiberufler sollen nun mal für ihre Krankenversicherung selbst sorgen, so die vorherrschende Meinung. Dem halten die Kulturpolitiker entgegen, Künstler und Kreativschaffende seien doch aber besonders prekär und schutzbedürftig.

Diese Verteidigung hilft in letzter Zeit nur noch begrenzt. Denn natürlich geht es mittlerweile vielen Leuten so, wie es irgendwann, in den 80er Jahren, hauptsächlich den prekären Künstlern ging: Sie kommen von ihrer Arbeit kaum über die Runden. Daraus kann man schließen, dass man die Privilegien für Künstler und Publizisten endlich abschaffen sollte, damit endlich alle gleich schlecht dran sind. Oder dass man die Unternehmen dann eben insgesamt verstärkt in die Pflicht nehmen muss, zur sozialen Absicherung derer, denen sie ihre Gewinne verdanken, einen Beitrag zu leisten.

Aber diese Diskussion wird von allen Beteiligten ängstlich vermieden. Kein Politiker traut sich, die Abschaffung der Künstlersozialkasse zu fordern, weil er den Aufschrei fürchten müsste, den es nach sich ziehen würde, wenn ein Großteil der 170.000 dort versicherten Künstler und Publizisten fortan von Hartz IV leben müsste. Zugleich traut sich von den Verteidigern der Künstlersozialkasse niemand, die Unternehmen stärker in die Pflicht zu nehmen, weil alle fürchten, dass dann die Künstlersozialkasse erst recht unter Beschuss geraten würde. Stattdessen fordern die Kulturverbände jetzt stärkere Kontrollen der Unternehmen durch die Deutsche Rentenversicherung.

Nur vor dem Hintergrund dieser Stillhalte- und Diskussionsvermeidetaktik konnte geschehen, was jetzt geschehen ist: Die Bundesregierung prüft mittlerweile die Abschaffung der Künstlersozialkasse. Genauer gesagt: Sie prüft im Rahmen des Projekts „Optimiertes Meldeverfahren in der sozialen Sicherung“ (OMS), ob es nicht vielleicht effektiver ist, wenn zukünftig die Kreativen den Abgabesatz der Unternehmen mit übernehmen – zusätzlich zu ihrem eigenen Krankenversicherungsbeitrag. Sie könnten die Differenz dann ja auf ihre Rechnungen draufschlagen.

Die Abgabepflicht soll also von den Unternehmen auf die einzelnen Kreativen verlagert werden. Die wiederum sollen sich die Kohle wiederholen, in dem sie ihre Rechnungen erhöhen. Tolle Idee. Und bestimmt viel effektiver als bisher.

DIE LINKE hat sich im Rahmen einer Kleinen Anfrage (BT-Drucksache 17/14693) an die Bundesregierung gewandt und dabei insbesondere gefragt, warum der Kultur- und Sozialausschuss in diese Überlegungen nicht einbezogen wird. Wenn die Antwort eingetroffen ist, werden wir sie hier dokumentieren.

6 Kommentare zu “Bundesregierung prüft Abschaffung der Künstlersozialkasse”

  1. […] (KSAVO) soll der Satz im Jahr 2014 von derzeit 4,1% auf 5,2% steigen…” Artikel von Ilja Braun vom 16.September 2013 im Blog der Linkspartei .  Aus dem Text: “… Kein Politiker traut sich, die Abschaffung der Künstlersozialkasse zu […]

  2. K. Pattosien sagt:

    Guten Tag,

    ich denke, man sollte eine Verdiensthöchstgrenze entsprechend Familienstand festlegen. Alles was darüber hinaus verdient wird, sollte selbst versichert werden.
    Hier bereichern sich einige wirklich gut verdienende Künstler zu Lasten der Allgemeinheit.
    Wir sind auch selbständig und bekommen keine Sozialversicherungsunterstützung. Wo bleibt hier die Gleichberechtigung?

    Freundliche Grüße
    Kerstin Pattosien

  3. K. Pattosien sagt:

    Guten Tag, Wichtig
    bitte den oben genannten link löschen. Wurde wie auch immer unter meinem Namen und unter meiner Mail Adresse geschickt.
    Wurde von mir nicht verfasst.
    Freundliche Grüße
    K. Pattosien

  4. Ich bin freiberuflicher Technischer Redakteur. Und obwohl ich sonst herzlich wenig von der alten neuen Bundesregierung halte, finde ich die Idee gut, alle Beitraege auch fuer die KSK (in der ich nicht Mitglied bin) bzw andere Sozialversicherungen voll selbst zu zahlen. Der Vorteil davon ist naemlich:
    – weniger Buerokratie in den beauftragenden Unternehmen und in der KSK/ DRV
    – und damit fuer mich weniger Scheu eines potenziellen Auftraggebers, meine Dienste zu buchen.
    Viele meiner Auftraggeber sind keine ausbeuterischen Monster, sie haben nur verstaendlicher Weise Angst vor dem zusaetzlichen Verwaltungsstress, den die KSK ihnen bringen wuerde. Und meine Angst ist einfach, dass ich aus diesem schlichten Grund dann weniger Auftraege haette. Denn dann wuerde mir auch kein Kuenstler und keine Linke helfen, meine Broetchen zu verdienen.
    Noch lieber waere mir natuerlich ein gaenzlich ueber Steuern finanziertes Sozialsystem, denn es bietet noch weniger Buerokratie mit gutem Potenzial fuer Gerechtigkeit…

  5. Lutz Bürger sagt:

    Nach meiner eigenen Erfahrung und jahrzehntelangen Beobachtung (auch im internationalen Vergleich) ist die Künstlersozialkasse ein Konstrukt aus Absurdistan:

    1. Künstler, deren Einkünfte REGELMÄSSIG GENUG(!) und ausreichend hoch sind, um ihre soziale Versicherung vollkomen selbst zu tragen, werden von der KSK unterstützt, während gleichzeitig (selbst äußerst erfahrene und jahrzehntelang erfolgreiche!) Künstler, die (aus familiären Gründen, aus künstlerisch-konzeptionellen Gründen (z.B. Basisarbeit im nichtzahlungsfähigen, nichtsubventionierten Sektor) oder andern Ursachen) in eine präkäre Lage geraten, nach zwei Jahren gnadenlos und unglaublich formalistisch und ohne daß nach den (teilweise verheerenden) Konsequenzen auch nur ansatzweise gefragt würde (und da geht es nicht immer nur um Geld, sondern auch um zerstörte Lebenswerke, deren Vollendung so verhindert wird – auch ein kultureller(!) Gau) einfach aus der KSK ausgeschlossen.

    Unsinniger, ungerechter, unfreiheitlicher und kulturloser ist die Lage von Künstlern in der Geschichte wohl selten organisiert gewesen.

    2. Veranstalter müssen für „ihre“ Künstler im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben an die Künstlersozialkasse auch dann „abführen“, wenn der in Anspruch genommene Künstler garnicht mehr Mitglied der KSK ist.
    Das bedeutet eine wettbewerbsrechtliche (weil preiskalkulatorische) Schlechterstellung der ohnehin präkär belasteten Künstler zu gunsten ihrer besserbetuchteren Kollegen – übler kann man wohl die Ideen des Wettberwebs in einer „sozialen“ Marktwirtschaft kaum pervertieren – von europarechtlichen Wettbewerbsverzerrungen ganz zu schweigen.

    3. Künstler aber, die aus der KSK ausgeschlossen werden, fallen nicht etwa in die vielbehauptete „soziale Hängematte“, – ihnen bricht dann der Krankenkassenzwang das Genick – sie werden von den Arbeitsagenturen mit Zermürbungsstrategien, die zur Aufgabe wirklicher künstlerischer Tätigkeit zwingen und von den Krankenkassen mit völlig wahnwitzigen und unangemessen hohen Forderungen (Stichwort: Unterstellung eines sogen. „fiktiven Einkommens“ (eine juristische Argumentations-Methode, die bezeichnenderweise während des Dritten Reiches ihre Einführung ins „deutsche“ Rechtswesen erhielt) endgültig und lebenslang ruiniert, d.h., mancher soll mehr an die Krankenkasse zahlen, als er Bruttoeinnahmen hat – das hat in meinen Augen (gerade angesichts der maßlosen Bezüge von Krankenkassenvorständen) eher etwas mit organisiertem Raub, als mit freiheitlich -demokratischer Grundordnung und dem Rechtsstaatprinzip der Angemessenheit zu tun).
    Soll so vielleicht das Präkariat kulturell mundtot gemacht werden?
    Ist DAS vielleicht des Pudels Kern bei der KSK – diese verquaste „soziale Absicherung“ also von vornherein nur ein tarnender Vorwand??

    Alles in allem kann ich nur mit einem Satze aus der Matthäuspassion zusammenfassen: „Wozu dienet dieser Unrat?!“

    Für mich ist der Stab über dieses Konstrukt ein für allemal gebrochen und ich gehe ins sehr ernste Finale mit der Schlußphrase aus Brecht/Dessaus Oper „Die Verurteilung des Lukullus“: „Ins nichts mit ihm, ja ja ins nichts mit ihm!“

    Die Abschaffung der Künstlersozialkasse ist sicherlich längst überfällig und man kann nur hoffen, daß den deutschen Steuerzahler dieser Irrwitz nicht im Nachhinein noch auf europarechtlicher Ebene hohe Strafzahlungen wegen Wettbewerbsverzerrung kostet. Was meine (fachkundigen!) ausländischen Kollegen von diesem Konstrukt und dessen Auswirkungen auf DEREN Lebenslage halten, erfrage jeder (vorsichtig 😉 ) selber …

    Lutz Bürger
    Dipl. Dirigent mit über 30 Jahren Bühnenerfahrung in fast allen Genres der Musik, Spielmann, Satiriker, Notwehrjournalist

  6. Liss Hoffmann sagt:

    Guten Abend,

    Ich arbeite als Grafikerin und Modedesignerin und bin gerade dabei, mein eigenes Label zu gründen. Obwohl es gerade in meier Situation eine enorme Erleichterung wäre, von der KSK aufgenommen zu werden, stehe ich dieser sehr ablehnend gegenüber.

    Vor allem weil ich der Meinung bin, dass es keinen Grund gibt, warum man Künstlern Vorteile gewähren sollte, die Selbständige in anderen Berufen nicht haben. Mein Mann ist selbständiger Baumpfleger – er sorgt dafür, dass tote Äste nicht auf Autos und Menschen fallen. Es geht um Sicherheit, und dennoch ist sein Stundenlohn oft unter aller Kanone, einfach weil Auftraggeber oft Privatleute mit sehr wenig Geld sind. Ein guter Freund (ebenfalls selbstständig) macht Freizeitaktionen für Kinder, schön draußen in der Natur. Ein Bekannter hat einen Gartenbaubetrieb. Ist doch auch wichtig, dass Menschen nach der Arbeit den Abend in einem herrlich angelegten Garten genießen dürfen, oder nicht? Ist die Freude daran jetzt von schlechterer Qualität, als wenn sie das Geld für ein Gemälde oder ein Haute-Couture-Kleid ausgegeben hätten? Was ist denn en meinem Beruf besonderer oder wichtiger, als an den oben genannten? Warum soll ich als Künstlerin bitteschön besonders schutzbedürftig sein im Vergleich zu einem Handwerker? Ich muss gute Arbeit machen. Ich muss schauen, dass ich etwas mache, was gefragt ist und mich entsprechend präsentieren. Wie jeder andere! Läuft es nicht, mache ich etwas falsch oder bin einfach nicht zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort. Kann passieren. Warum sollte man dann gerade mich denn auf einer solchen Durststrecke unterstützen und nicht z.B. meinen Mann, der immerhin für Sicherheit sorgt?

    Ja, Künstler leiden unter Dumpinglöhnen. Andere Selbständige genauso, wie in dem auch Artikel angesprochen wird. Allerdings bin ich mit der Aussage „Daraus kann man schließen, dass man die Privilegien für Künstler und Publizisten endlich abschaffen sollte, damit endlich alle gleich schlecht dran sind.“ nicht einverstanden. Das ist mir etwas zu polemisch. Privilegien (meiner Meinung nach unberechtigte) abschaffen ist eine Sache. Das ist eine Frage der Fairness. Die Tatsache, dass immer mehr Selbstständige mit ihrer keine-Ahnung-wieviel-Stunden-Woche kaum über die Runden kommen gehört auf eine ganz andere Baustelle. Das ist natürlich ein Unding und man muss Maßnahmen anstreben, um das zu ändern. Aber zu sagen, es sei auch keine Lösung, die Künstler genauso schlecht dastehen zu lassen wie alle anderen ist für mich kein Argument.

    Ein Argument wäre für mich, neue Konzepte auszuarbeiten und/oder vorzustellen, die sowohl den Künstlern helfen, als auch anderen Selbstständigen. Vielleicht ein Bedingungsloses Grundeinkommen. Wer jetzt denkt, es wäre eine Utopie oder würde Menschen zu Faulheit verleiten, hat sich nicht genügend informiert. Es gibt auch andere intelligente Konzepte.

    Wir Künstler sind doch immer so visionär. Wir sind so unkonventionell, rebellisch, gesellschaftskritisch und zukunftsorientiert. Da werden wir uns wohl auch ein paar Ideen dafür andrücken können, wie man Gesellschaft, Wirtschaft und Politik in Zukunft besser gestalten kann. Für alle besser, nicht nur für Künstler. Wenn wir für so etwas nicht kreativ genug sind, haben wir erst recht keine Privilegien verdient.

    Viele Grüße,

    Liss Hoffmann