DIGITALE LINKE
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Ein Blick auf die Digitale Agenda einer Großen Koalition

Die Digitale Linke hat das Papier der Unterarbeitsgruppe Digitale Agenda geleakt. Lars Klingbeil wies via Twitter darauf hin, dass es nicht die aktuellste Fassung sei. Da zumindest ich den Unterschied nicht kenne, arbeite ich mich mal am vorliegenden Papier ab. Lars Klingbeil kann ja richtig stellen, wenn von mir kritisierte Passagen weggefallen sind.

Das Papier scheint deutlich fortschrittlicher zu sein, als das was die AG Innen und Justiz erarbeitet hat. Dort heißt es – kommt im Papier der UADA auch vor – u.a.: „Das Strafrecht passen wir – auch durch Abschluss internationaler Übereinkommen – an das digitale Zeitalter an. Wir schließen Schutzlücken und systematisieren die bisher verstreut geregelten datenbezogenen Strafvorschriften. Wir verbessern den strafrechtlichen Schutz von Beleidigungen in sozialen Netzwerken und Internetforen (Cybermobbing), da die Folgen für die vor einer nahezu unbegrenzten Öffentlichkeit diffamierten Opfer besonders gravierend sind.“ (Seite 6/7, Zeilen 193-198) Anpassung des Strafrechts kann hier wohl nur Strafverschärfung heißen, denn Beleidigung bleibt Beleidigung, ob im Netz oder von Angesicht zu Angesicht, und ist bereits strafbar. Natürlich ist Cybermobbing ein Problem, aber mit einer Strafverschärfung kommt man auch nicht weiter, zumal durch diverse Privatsphäreeinstellungen die „nahezu unbegrenzte Öffentlichkeit“ eingeschränkt werden kann. Aber nur weil weniger Öffentlichkeit hergestellt wird, wird die Beleidigung insbesondere für das Opfer ja nicht weniger schlimm. Statt mit Strafverschärfung sollte die Sensibilität im Umgang mit sozialen Netzwerken gestärkt werden. Im Netz wie außerhalb gilt: Beleidigungen muss widersprochen und das Opfer dadurch gestärkt werden. Eine Strafverschärfung ist nicht notwendig.

Aber zurück zum Papier der UADA. „Bundesweit sollen bis zum Jahr 2018 flächendeckend Internetzugänge mit 50 MBit/s verfügbar sein“ (Zeile 15/16) Das Ziel ist gut, der Weg dahin bleibt dunkel. Möglicherweise ist das auch eine Forderung die unter Finanzierungsvorbehalt steht. Das DPI gesetzlich untersagt werden soll (Zeile 25/26) ist zu begrüßen. Ob dies aber die Innen- und Rechtspolitiker der vermutlichen Großen Koalition ähnlich sehen, das wird sich zeigen.

Im UADA wird formuliert: „Die Gewährleistung von Netzneutralität wird als eines der Regulierungsziele im 27 Telekommunikationsgesetz verbindlich verankert werden. Mobilfunkanbieter müssen Internettelefonie ggf. gegen separates Entgelt ermöglichen.“ (Zeilen 27-29) Das mit der Netzneutralität hört sich erst mal gut an, auf die konkrete Ausgestaltung wird es dann aber ankommen. Und die Möglichkeit Internettelefonie gegen separates Entgelt zu ermöglichen, dürfte mindestens Nahe am Bruch der Netzneutralität sein.

Zu unterstützen ist die Forderung der UADA: „Ziel ist darüber hinaus die Etablierung heterogener, frei vernetzter und lokaler Communities und ihrer Infrastrukturen. Durch die Förderung dieser sowie von Ad- hoc-Netzwerken im Rahmen der F&E-Strategie sollen lokale, dezentrale Netzwerke unterstützt werden, die eine komplementäre Infrastruktur für einen fest definierten Nutzerkreis umfassen“. (Zeile 44-48)

Wünschenswert wäre gewesen, im Hinblick auf die Forderung: „Die Bundesregierung wird neben dem Zukunftsprojekt Industrie 4.0 in den Bereichen intelligente Mobilität, Smart Grid, E-Health und Sicherheit Schwerpunkte setzen und die deutsche Softwareindustrie stärken.“ (Zeile 120-122), deutlich zu machen, dass dies mit hohen Datenschutzstandards verbunden sein muss. Natürlich kommt das Thema Datenschutz im Papier der UADA auch vor, aber eben losgelöst von der hier zitierten Forderung. Positiv ist auch die Absicht, „Open-Source-Lösungen“ zu fördern (Zeile 132). Positiver wäre gewesen auch zu schreiben wie, und ob auch das unter Finanzierungsvorbehalt steht. An der Stelle, wo tatsächlich Open Source gefördert werden könnte, steht es eben nicht. In Zeile 140-142 heißt es: „Bei Ausschreibungen sollen Sicherheitsstandards vorgegeben werden und – wenn möglich – Open-Source-Lösungen erwogen werden.“ Bei Ausschreibungen soll eben nicht Open Source vorgegeben sein, sondern erwogen werden. Und das auch nur „wenn möglich“. Die Antworten warum dies nicht möglich sein wird, kann sich wohl jede/r selbst ausdenken.

Die Forderung nach einem ordentlichen Ausschuss im Bundestag für Internet und digitale Gesellschaft (Zeile 157-158) ist fast schon eine Selbstverständlichkeit, handelt es sich doch um eine einstimmige Empfehlung der Enquete Internet und digitale Gesellschaft. Auch die Bereitstellung eines Open Data Portals (Zeile 213) ist zu begrüßen.

Weil ich vorhin das Thema Datenschutz angesprochen habe. Swift und Safe Harbor sollen nur nachverhandelt (Zeile 245/246) und nicht ausgesetzt werden. Einen Datenschutz-TÜV für Großprojekte soll es nicht geben und die Elektronische Gesundheitskarte soll trotz aller Kritik ausgebaut werden (Zeile 386). Hier wäre aus meiner Sicht mindestens ein Moratorium und nachfolgend eine Evaluierung angesagt und notwendig.

Im Hinblick auf die Medienkompetenz fehlt aus meiner Sicht die Forderung nach zwingender Verankerung des Themas in der Ausbildung von Kita-Erzieher/innen bis hin zu Lehrer/innen.

In Zeile 410 wird sich gegen einen „allgemeinen Klarnamenzwang in der Online-Kommunikation“ ausgesprochen. Allgemein bedeutet aber, dass ein besonderer Klarnamenzwang denkbar ist. Wenn ich nun davon ausgehe, dass mit Online-Kommunikation nicht der Einkauf oder die Reisbestellung gemeint ist, sondern tatsächlich Kommunikation im Sinne von mit jemandem kommunizieren, dann wäre es schon spannend zu wissen, in welchen Bereichen ein besonderer Klarnamenzwang denkbar sein soll.

Drei Sachen fehlen im Papier der UADA: eine Vorstellung zur Reform des Urheber- und Urhebervertragsrechtes (hier erfolgt lediglich in Zeile 306 eine Erwähnung, das es eines bildungs- und forschungsfreundlichen Urheberrechts bedarf), eine Absage an die Vorratsdatenspeicherung egal für welche Speicherfrist und eine Absage an das Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Das ist außerordentlich bedauerlich, waren doch gerade diese Themen zentrale Auseinandersetzungspunkte der vergangenen Legislaturperiode.

Nun wird spannend sein, was die UADA tatsächlich im Koalitionsvertrag verankern kann. Daran sollte sie am Ende gemessen werden.

4 Kommentare zu “Ein Blick auf die Digitale Agenda einer Großen Koalition”

  1. […] geleakten Papier der Unterarbeitsgruppe Digitale Agenda der vermutlichen Großen Koalition habe ich hier noch mal […]

  2. Jan Wagner sagt:

    Die Aussage, im Mobilfunk ggf. gegen Entgelt VoIP zuzulassen, ist eine klare Absage an die Netzneutralität im mobilen Bereich. Da LTE als Mobilfunktechnik dort die Grundversorgung übernimmt, wo leitungsgebundenes Netz aufgrund der fehlenden Universalverpflichtung fehlt, nimmt die UADA die Aufhebung der Netzneutralität in der Internetgrundversorgung im eigenen Papier vorweg. Der dann zwischen „Innen und Justiz“ und UADA zu findende Kompromiss wird daher keine konkreten Regelungen pro Netzneutralität enthalten. Schwache Nummer.

    Dass die VDS bzw. eine Absagen an diese fehlt, darf wohl als frühzeitiges Zugeständnis für „Innen und Justiz“ zu werten sein. Das UADA-Papier, also diese Version, liest sich schon wie ein Kompromiss, der dann Grundlage des Koa-Vertrags wäre, aber leider ist das die (Maximal-)Forderung aus dem Netzbereich der Parteien. Halina, deine Aussage, 4 Jahre GroKo seien 4 Jahre bürgerrechtlicher Rückschritt, deuten sich hier schon an!

  3. […] der besagten Unterarbeitsgruppe, hat heute auch die linke Netzpolitikerin Halina Wawzyniak abgegeben. Mit weiteren Diskussionen zu diesem Thema dürfte in den nächsten Tagen zu rechnen […]

  4. […] geleakten Papier der Unterarbeitsgruppe Digitale Agenda der vermutlichen Großen Koalition habe ich hier noch mal […]