Nach Berichten von Spiegel Online, Carta und Netzpolitik plant die CDU/CSU die Einrichtung einer Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“. Dazu liegt offenbar ein dem Bundestag demnächst zugehender Antrag vor, aus dem in den genannten Beiträgen ausgiebig berichtet wird. Nicht mitgeteilt, darüber augenscheinlich von ihren Informationsgebern auch nicht aufgeklärt, wird, dass CDU/CSU damit eine Forderung der IT-Lobby übernehmen.
Die Initiative D21 – einem Netzwerk aus Wirtschaft und Politik, das sich der (nicht völlig uneigennützigen) Förderung der Informationsgesellschaft verschrieben hat und u. a. 2000 zusammen mit Bundeskanzler Schröder das später gescheiterte Green-Card-Projekt zur Gewinnung von hochqualifizierten IT-Kräften initiierte und das von der Zusammensetzung her getrost als Lobby-Organisation der IT-Industrie bezeichnet werden kann – hatte Ende letzten Jahres die Stoßkraft zur Einrichtung Enquete-Kommission – seinerzeit unter dem Rubrum „Digitale Gesellschaft“ – vorgegeben. Entsprechende Schreiben gingen den Bundestagsfraktionen bereits im Oktober zu.
Nun ist die Einrichtung einer Enquete-Kommission, stammt der Vorschlag auch von der Industrie, per se nichts Schlechtes. Und die Thematik „Internet und digitale Gesellschaft“ wird ohne Zweifel in dieser Legislaturperiode eine bedeutende Rolle in den Verhandlungen des Bundestages spielen. Angesichts der rasch voranschreitenden Digitalisierung und des daraus resultierenden enormen Handlungsdrucks jedoch – siehe Breitbandversorgung im ländlichen Raum, elektronische Gesundheitskarte, Urheberrecht im Digitalzeitalter, Netzneutralität etc. – kann es kaum gelingen, das Thema in längerer Frist und jenseits der Tagesaktualität zu erörtern.
Hinzu kommt: Wird die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ zum Vorbild genommen, so hat diese in ihrem umfangreichen Schlussbericht zum Stand der Kultur und Kulturpolitik zahlreiche Handlungsempfehlungen aufgezeigt und viele Problembereiche der Kulturwirtschaft und der sozialen Lage der Kulturschaffenden erstmals auch einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das trug ohne Frage zu ihrem Gelingen bei. Gleichzeitig war der Bericht dieser Kommission das Ergebnis einer mehr als vierjährigen Arbeit und gelang es anschließend nur in den allerwenigsten Fällen der fraktionsübergreifend beschlossenen Handlungsempfehlungen, sie in konkrete Beschlüsse des Parlaments zu überführen.
Es bedarf daher keiner seherischen Fähigkeiten, um vorherzusagen, dass die Einrichtung einer Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ nicht zu fraktionsübergreifenden – mit breiter gesellschaftlicher Beteiligung erwirkter – Handlungsempfehlungen führen wird, sondern zur öffentlichkeitswirksamen Begleitung und Einbettung von Gesetzesinitiativen der Bundesregierung benutzt wird.
Übrigens: Nach § 56 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages ist der Bundestag auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder dazu verpflichtet, eine Enquete-Kommission einzusetzen. Dieses Quorum erfüllen CDU/CSU mit ihren 239 Abgeordneten – bei insgesamt 622 Sitzen – von allein.
[…] im Januar des letzten Jahres war an dieser Stelle davon die Rede, dass die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Deutschen […]