Vorgestern traf sich die im April des Jahres gegründete Deutsche Content Allianz (wir berichteten) mit Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) in Berlin. Einer am gestrigen Tag herausgegebenen Pressemitteilung ist zu entnehmen, dass die Allianz dort ihre Unzufriedenheit „mit dem einseitigen Fokus der kultur- und netzpolitischen Debatten auf die technischen Infrastrukturen im Internet“ zum Ausdruck brachte und sich vorbehaltslos hinter Neumanns 12-Punkte Papier zum Schutz des geistigen Eigentums im digitalen Zeitalter stellte.
Kritisiert wurde die angebliche Verzögerungstaktik von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) bei der Überarbeitung der Rahmenbedingungen zur Verschärfung des Urheberrechts. Notwendig sei, so heißt es in der Pressemitteilung weiter, „die Weiterentwicklung der Providerhaftung sowie die Etablierung eines sanktionierten Warnhinweismodells bei Urheberrechtsverletzungen im Internet.“
Nun ist die Position des privatwirtschaftlichen Teils der Allianz aus Bundesverband Musikindustrie (BVMI), GEMA, Produzentenallianz, Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) und Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) seit langem bekannt. Sie fordern im Falle von Urheberrechtsverletzungen im Netz Sanktionsmaßnahmen um jeden Preis. Neu ist, dass mit ARD und ZDF nun auch der gebührenfinanzierte, gemeinwirtschaftliche Teil der Allianz mit im Boot sitzt. Entsprechend wurde die Pressemitteilung obendrein über die ARD-Pressestelle verbreitetet.
Brisant an dieser Konstellation ist nicht nur, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk, dessen Bestands-, Entwicklungs- und Finanzierungsgarantie das Bundesverfassungsgericht aus seiner dienenden Funktion ableitet, freiwillig in das Fahrwasser privatwirtschaftlich motivierter Geschäftsinteressen begibt. Sondern auch, dass eine Rechtsdurchsetzung auf Basis eines sanktionierten Warnhinweismodells mit erheblichen Einwirkungen auf die Kommunikations- und Meinungsfreiheit verbunden wäre.
Ein solches, so zeichnet sich immer deutlicher ab, lässt sich effizient nur auf Grundlage der Technologie der tiefen Paketinspektion – Deep Packet Inspection (DPI) – umsetzen. DPI erlaubt es, nicht nur den Header eines Datenpaketes auszulesen, sondern auch das dazugehörige Datenfeld selbst. Verglichen mit der Beförderung eines Postbriefs würde beim Durchlaufen von (digitalen) Inspektionsstellen zusätzlich zu den Absender- und Empfängeradressen auf dem Umschlag (Header) ebenfalls der Briefinhalt (Datenfeld) ausgewertet. Im Falle der klassischen Briefpost käme das dem Öffnen jedes Briefes gleich.
Interessant ist auch, dass sich die Allianz in ihrer Pressemitteilung zur Wirksamkeit eines Warnhinweismodells auf eine vom Bundesverband Musikindustrie und Börsenverein in Auftrag gegebene GfK-Studie beruft. Eine andere Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), die dem in der Urheberrechtsdebatte beliebten Klischee widersprach, Umsonst-Mentalität und Diebstahl im Netz bescherten der Unterhaltungsindustrie Millionenschäden, gleichsam aber unter Verschluss blieb (wir berichteten), findet keine Erwähnung. Das heißt wohl: Was nicht passt, wird passend gemacht – ein Armutszeugnis von ARD und ZDF.
[…] (BMVI) und die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO). Im Herbst letzten Jahres (wir berichteten) hatte sie sich für ein sanktioniertes Warnhinweismodell zur Ahndung von Urheberrechtsverletzungen […]
[…] Rundfunk beschwerte sich bei dieser Gelegenheit erneut – siehe exemplarisch hier –,dass die netzpolitische Diskussion technik- statt contentorientiert geführt werde […]
[…] zwei Tage zuvor traf sich Gorny, nun als Vertreter der Deutschen Content Allianz, mit EU-Digitalkommissar Günther Oettinger in Brüssel. Weitere Teilnehmer der Content Allianz […]