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Günter Krings gegen Open Access – der Professorenversteher [2. UPDATE]

Günter Krings, Innenpolitiker der CDU, hat sich unter der ebenso beschwörenden wie anmaßenden Überschrift „Das wird die Politik nicht mittragen!“ in einem Beitrag für die FAZ (nicht online) frontal gegen Open Access und die Förderpraxis der DFG gewandt. Er wirft ihr vor, gegen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu agieren (obwohl diese in den Gremien der DFG als Selbstverwaltungsstruktur die Akteure sind). Er habe ja nichts gegen Open Access, aber dieses solle doch bitte über die Verlage laufen. Diese hätten die eigentliche Kompetenz, außerdem würden in der europäischen Verlagsbranche 40.000 Menschen arbeiten.

Die mit deren Expertise verbundene Qualität können die Betreiber von Open-Access-Repositorien wissenschaftlichen Autoren nicht bieten. Ihr Modell basiert vielmehr darauf, dass sie die durch Verlage oder kostenpflichtige Open-Access-Plattformen erbrachten Leistungen übernehmen wollen, ohne sich an den im Rahmen der Erstpublikation entstandenen Kosten zu beteiligen. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft geht es also nicht um die Qualität des Publizierens, sondern um die Kosten für den Zugang zu qualitativ hochwertigen Inhalten. Sie will in Wirklichkeit nicht den „freien Zugang“, sondern den „kostenlosen Zugang“. Damit erweist sie den Wissenschaftlern in Deutschland einen Bärendienst.

Krings stellt damit auf den grünen Weg des Open Access ab, der den Verlagen ein besonderer Dorn im Auge ist. Ein Zweitverwertungsrecht könnte den grünen Weg fördern, da er Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eine stärkere Stellung in Verhandlungen über Verlagsverträge verschafft. Weil jedoch auch die Autorinnen und Autoren selbst ein solches Zweitveröffentlichungsrecht einfordern, räumen immer mehr Verlage dies vertraglich bereits jetzt ein. Der Nachteil an diesen einzelvertraglichen Regelungen ist die Unsicherheit und Unübersichtlichkeit im Einzelfall. Kaum ein Wissenschaftler hat Zeit und Expertise, dieses Regelungsgeflecht zu durchblicken. Eine gesetzliche Lösung, wie sie die Linksfraktion fordert, wäre hier die praktikablere Alternative.

Das Pikante an Krings‘ Position ist, dass die Forschungspolitiker seiner Fraktion die Sache völlig anders sehen. Mit Michael Kretschmer, dem stellvertretenden Vorsitzenden, und Tankred Schipanski hatten bereits 2010 zwei nicht unwichtige Akteure in der Unionsfraktion ein solches Zweitveröffentlichungsrecht in Aussicht gestellt. Dieses hatten sie noch Ende September diesen Jahres für die geamte Fachgruppe ihrer Fraktion bekräftigt :

Mit Bezug auf die aktuelle Diskussion um den ‚dritten Korb‘ der Urheberrechtsreform fordert die Arbeitsgruppe Bildung und Forschung dazu auf, die Möglichkeit eines gesetzlich garantierten Zweitverwertungsrechts nochmals eingehend zu prüfen. Ziel einer solchen Regelung ist es, die rechtliche Position des wissenschaftlichen Autors zu stärken. Ihm soll trotz umfassender Rechteeinräumung gegenüber seinem Verlag die Möglichkeit gegeben werden, nach Ablauf eines halben Jahres sein Werk kostenlos in öffentlich zugängliche Repositorien („Open Access“) einzustellen.    

Krings hingegen unterstellt der DFG und damit den Hochschulen, sie wollten die Verlage und damit auch die Wissenschaftlerinnen und die Wissenschaftler um die Früchte ihrer Arbeit betrügen. Dieses Argumentationsmuster ähnelt verdächtig dem von Roland Reuß und Volker Rieble, die in der vergangenen Woche im selben Medium noch einmal einen Großangriff auf die DFG starteten und bereits mehrfach mit Tiraden gegen Open Access die Debatte befeuerten. Als Beleg führt Krings eine Äußerung auf dem Fachgespräch der Linksfraktion zum Urheberrecht am 10.10.2011 an. 

Überzeugend wurde von den Vertretern der Bibliotheken und des Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft dort der unumstrittene Fakt dargelegt, dass die überproportinal gestiegenen Kosten für die Beschaffung von wissenschaftlicher Literatur neue Wege in der Publikationstätigkeit der Wissenschaft geradezu erzwingen. Besonders die großen Verlage nutzen ihre Quasimonopole, um unverschämte Renditen (Beispiel Elsevier: 35%) zu erzielen. Diese Margen sind nur erreichbar, weil die Verlage sich nicht nur einfache, sondern exklusive Nutzungsrechte sichern und damit kein Wettbewerb auf dem Publikationsmarkt stattfindet. Wenn Krings hier das Kartellrecht in der Pflicht sieht, setzt er am falschen Ende an. Bezahlen müssen diese Margen die Steuerzahler. Denn sie finanzieren nicht nur die Erarbeitung des Wissens, sondern auch deren Publikation über den Kauf der Journale und Publikationen.  Krings findet diese Umverteilung von der öffentlichen in private Hände richtig, verschleiert allerdings dieses Problem, indem er den Widerspruch in die wissenschaftliche Community verlagert:

So oder so aber sind die Wissenschaftler die Verlierer eines Zweitverwertungsrechts. Außerdem droht ein kultureller Rückschritt: Nicht der Leser, sondern der Autor muss so künftig die Lektorats- und Druckkosten allein zahlen. Das kann sich nur ein Professor mit vielen Hilfskräften leisten. Es geht hier also um eine Umverteilung innerhalb der Wissenschaft. Die DFG als Vertreterin der Wissenschaftsorganisationen und der wissenschaftlichen Elite, die von den Fördergeldern profitiert, lobbyiert hier auch gegen den akademischen Mittelbau. Dem werden die Urheberrechte beschnitten, und er soll — nach den Vorstellungen der DFG — einer Elite per gesetzlichen Zwang seine Forschungsergebnisse über Open Access umsonst zur Verfügung stellen.

Man nehme das Argument gegen ein Zweitverwertungsrecht noch einmal auseinander: weil die Verlage den Autorinnen und Autoren mit einem gesetzlichen Zweitveröffentlichungsrecht keine Exklusivabtretungen und Buy-outs mehr abverhandeln dürften, würde der Mittelbau seine Forschung umsonst den Professorinnen und Professoren zur Verfügung stellen. Denn die ärmeren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler könnten sich ja keine Publikationsgebühren für eine Open-Access-Veröffentlichung leisten. Diese vollkommen unverständliche Argumentation basiert wohl auf dem Missverständnis, Leser und Autor seien verschiedene Akteure. Sind sie aber in der Wissenschaft gerade nicht. Zudem gehören die Forschungen weder im Mittelbau noch in der professoralen Elite allein den Autorinnen und Autoren. Sie sind zwar urheberrechtlich geschützt, ökonomisch gesehen jedoch kein Privateigentum, ihre Erarbeitung wird erst durch die Gesellschaft ermöglicht.  Forscherinnen und Forscher treten die Ergebnisse in der Regel umsonst an die Verlage ab, müssen häufig sogar noch Druckkostenzuschüsse bezahlen. 

Krings wird wie Reuß und Jochum Beifall aus der konservativen Professorenschaft für seine Position bekommen, die sich jede Einflussnahme ihrer Dienstherren mit Verweis auf das Beamtenrecht und die Wissenschaftsfreiheit verbittet. Das sollte ihm zu denken geben, denn die von ihm ins Feld geführten Nachwuchskräfte wird er nicht begeistern. Denn Mittelbau und Wissenschaftseinrichtungen, die zumeist sehnlichst die Abkehr vom Diktat der Highclass-Journals herbeiwünschen, wollen endlich weg von der künstlichen Verknappung ihrer Informationsressourcen (und haben dies u.a. mit einer Petition deutlich gemacht).  

Nun, man darf einer innerfraktionellen Auseinandersetzung um das Wissenschaftsurheberrecht gespannt entgegen sehen, hatte doch eine kleine Gruppe von Unionsmenschen gerade in einer Initiative für ein faires Urheberrecht für Aufsehen gesorgt. Für eine schnelle Vorlage eines „Dritten Korbes“ verheißt diese Konfontation jedoch nichts Gutes.

Ben Kaden kommentiert den Text von Günter Krings bei iuwis denn auch als Eigentor:

An dem Beitrag von Günter Krings dürfte der Verlagslobby jedenfalls sehr einsichtig werden, was wirklich ein Bärendienst ist. In Zeiten eines hochprofessionalisierten Kommunikationsmanagements sollte jemandem wie dem CDU-Fraktionsvorsitzenden solch ein verquerer und offensichtlich argumentativ taschenspielertrickartiger Text eigentlich nicht mehr durchrutschen.

UPDATE:  Günter Krings hat seine Kompetenzen in dem Bereich Qualitätskontrolle in der Wissenschaft schon im Fall Guttenberg unter Beweis gestellt. Im Gespräch mit der NOZ legte der CDU-Politiker damals großen Wert auf das Renommee von Prüfer und Verlag (via Eric W. Steinhauer ). Krings 

„bezeichnete die Vorwürfe gegen Guttenberg dagegen in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ als „lächerlich“. Guttenbergs Dissertation sei von einem der führenden deutschen Verfassungsrechtler wissenschaftlich betreut worden und in einem höchst renommierten Wissenschaftsverlag erschienen. Einzelne fehlende oder falsch gesetzte Fußnoten seien sicher ärgerlich, das könne aber nicht ernsthaft einen Plagiatsvorwurf begründen. Krings warf der Opposition im Bundestag eine „Schmutzkampagne“ vor.

 Oder anders: Einzelne Fehler in der Argumentation gegen den Grünen Weg des Open Access seien sicher ärgerlich, dies könne aber nicht ernsthaft den Oppositionsvorwurf einer Schmutzkampagne begründen.

UPDATE 2: Auch die Allianz der Forschnungsorganisationen äußert sich zu Krings‘  Artikel (pdf):

„Die Einlassungen des MdB Günter Krings lassen diese Vorteile völlig außer Acht und rücken Verlagsinteressen in den Mittelpunkt. Doch dabei sollte berücksichtigt werden, dass die we-sentlichen Leistungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erbracht werden. Diese leisten die der Publikation zugrunde liegenden Forschungsarbeiten und verfassen die Artikel. In den meisten Fällen erhalten sie für ihre wissenschaftlichen Publikationen von den Verlagen kein Honorar. Von den Autorinnen und Autoren wird außerdem oft verlangt, druck-reife Manuskripte abzuliefern und die Nutzungsrechte an ihrem Werk dem Verlag exklusiv und vollständig zu übertragen. Auch die Qualitätskontrolle, das „Peer Review“, wird von Wis-senschaftlerinnen und Wissenschaftlern – in der Regel wieder ohne Honorierung durch die Verlage – erbracht. Die Leistungen der Verlage erschöpfen sich also in der Organisation des Peer-Review-Prozesses, der Redaktion, dem Druck bzw. der Online-Bereitstellung, dem Vertrieb und der Werbung. Diese Leistungen müssen selbstverständlich vergütet werden – aber angemessen.“

 

2 Kommentare zu “Günter Krings gegen Open Access – der Professorenversteher [2. UPDATE]”

  1. […] Zweitveröffentlichungsrecht: CDU-Politiker Günter Krings findet Open Access gut. Nicht gut findet er jedoch das geforderte Zweitveröffentlichungsrecht, dies erläutert er in der heutigen FAZ. Ben Kaden hat den Text auf IUWIS kommentiert. Einen weiteren Kommentar hat Tobias Schulze veröffentlicht. […]

  2. […] einen hohen Bedarf an Urheberrechtsreformen fest und widerlegen die Meinung, dass die Wissenschaft selbst kein Interesse an Erleichterungen im Urheberrecht habe. Die […]