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JMStV: Niemand hat die Absicht, eine Zensurinfrastruktur zu errichten!

Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) wehrt sich in persona ihres Vorsitzenden, Wolf-Dieter Ring, gegen die im Netz erhobenen Zensurvorwürfe zur geplanten Novelle des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV). Ring hält diese für „inkorrekt“ und „kontraproduktiv“. In einer jüngsten Pressemitteilung heißt es:

„Hier drängt sich derzeit der Eindruck auf, dass bewusst falsche Sachverhaltsdarstellungen veröffentlicht werden, um die Netzgemeinde zu medienwirksamen Protestaktionen gegen den Novellierungsentwurf des JMStV aufzurufen und die Politik zu entsprechenden Änderungen zu bewegen“.

Nun, werfen wir einen erneuten Blick auf den Sachverhalt. Im weiterhin aktuellen – am 25. Februar von der Konferenz der Chefin und der Chefs der Staats- und Senatskanzleien abgesegneten und der Konferenz der Ministerpräsidenten zur abschließenden Entscheidung am 25. März (Tagesordnung) vorliegenden – Arbeitsentwurf zur Novelle des JMStV vom 18. Februar 2010 lautet der Passus des neu eingeführten § 5 Abs. 3:

Die Kennzeichnung von Angeboten, die den Zugang zu Inhalten vermitteln, die gemäß §§ 7 ff. des Telemediengesetzes nicht vollständig in den Verantwortungsbereich des Anbieters fallen, insbesondere weil diese von Nutzern in das Angebot integriert werden oder das Angebot durch Nutzer verändert wird, setzt voraus, dass der Anbieter die Einbeziehung oder den Verbleib von Inhalten im Gesamtangebot verhindert, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen, die das Alter der gekennzeichneten Altersstufe noch nicht erreicht haben, zu beeinträchtigen. Der Nachweis, dass ausreichende Schutzmaßnahmen ergriffen wurden, gilt als erbracht, wenn sich der Anbieter dem Verhaltenskodex einer anerkannten Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle unterwirft.

Die Verhinderung (!) der Einbeziehung oder des Verbleibs (!!) von Inhalten im Gesamtangebot (!!!) von Diensteanbietern soll tatsächlich keine Zensurinfrastruktur begründen? Anbieter wären nicht gezwungen, das von ihnen übermittelte Gesamtangebot zu überwachen, und nach Umständen zu forschen, die auf rechtswidrige Inhalte hinweisen? Das und die Kennzeichnung führte nicht zu freiwilligen Netzsperren bei den Anbietern – über diese selbst oder die Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle? All das vermag die kritische Netzcommunity nicht so recht zu glauben, und das gibt der Text des Arbeitsentwurfs tatsächlich nicht her.

Doch darüber hinaus: Was sind eigentlich Inhalte im Netz, die von Nutzern integriert und durch diese verändert werden – und künftig der Kontrollwut des JMStV unterliegen? Richtig: Von Nutzern generierte Inhalte sind ein, wenn nicht der wesentliche Bestandteil des Netzes, erst recht in einer Zeit von Wikis, Blogs und Web2.0. Das der anbieterbezogene Plattformbegriff des Rundfunkstaatsvertrags hier Rechtssicherheit gebiete, vermögen wohl nur die Rundfunkreferenten der Länder zu erkennen. Durch die Bezugnahme auf das TMG scheint der – so mühsam gegenüber dem ersten Arbeitsentwurf getilgte – generelle Begriff des Diensteanbieters wieder durch. Und die Einzelnorm aus § 7 Abs. 2 TMG, die die Anbieter grundsätzlich nicht verpflichtet, übermittelte Inhalte zu überwachen, wird unter der Hand aufgehoben.

Dies ist nur ein Beispiel für den grundlegenden Defekt in der geplanten Novelle des JMStV, das Medium Internet mit den untauglichen Mitteln des Rundfunkzeitalters regulieren zu wollen. Constanze Kurz benennt in ihrer heutigen FAZ-Kolumne „Aus dem Maschinenraum (3)“ weitere Aspekte. Zugleich weist sie auf einen grundlegenden Gesichtspunkt hin:

„Wir müssen uns angesichts des kontrollwütigen Grundtenors des Vertragswerks aber auch als Gesellschaft Fragen stellen: Können und sollen Anbieter von Internet-Dienstleistungen elterliche Pflichten übernehmen? Ist es nicht ein Armutszeugnis, Aufsichts- und Erziehungspflichten im digitalen Raum an den Staat delegieren zu wollen? Früher gab es einen Schlüssel für den Fernseherschrank und mit dem Sandmännchen einen definierten Zeitpunkt zum Ausschalten des Gerätes. Heute erledigen die Erziehung nur noch die Schule und der Staat? Das Netz ist eben kein Babysitter.“

Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Nur so viel: Das Gebaren der KJM ist ein besonderes Exempel für „überwunden geglaubte Denkmuster aus der Münzfernsprecher-Epoche“ und „eine Röhrenradio-Weltsicht auf das Digitalzeitalter“ (Kurz).

2 Kommentare zu “JMStV: Niemand hat die Absicht, eine Zensurinfrastruktur zu errichten!”

  1. […] Medienordnung schaffen Positionspapier des Parteivorstandes « JMStV: Niemand hat die Absicht, eine Zensurinfrastruktur zu errichten! […]

  2. […] ist selbstredend auch ein eifriger Verfechter der geplanten Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) und er ist von CDU/CSU als […]