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JMStV: SPD-Netzpolitik als Farce – Dörmann heißt jetzt Stadelmaier

Kurz bevor Martin Stadelmaier (SPD) – rundfunkpolitischer Chefunterhändler von Kurt Beck und Leiter der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz – am Samstag auf einer Diskussionsrunde zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) in Berlin auftrat, tat sich etwas auf der Website der Mainzer Staatskanzlei. Plötzlich erschien dort unter der Rubrik Medien der aktuelle Arbeitsentwurf zum JMStV (Stand: 12. März 2010).

Noch am frühen Freitag nachmittag war an gleicher Stelle lediglich die Version vom 7. Dezember 2009 eingestellt. Die Fassung vom 18. Februar 2010 ist dort nie erschienen. Ein Blick auf die aktuelle Version sowie Stadelmaiers Berliner Äußerungen zeigen jedoch, dass die neue Form praktizierter Transparenz nicht mit einer Öffnung für die von einer kritischen Netzöffentlichkeit dargebrachten Argumente einhergeht. Im Gegenteil – es verfestigt sich der Eindruck, dass die SPD in den Ländern sich in der Netzpolitik neuerlich an einer Pirouette versucht, die sie bereits auf Bundesebene zu Fall gebracht hatte.

Zunächst ist festzustellen, dass der jüngste Arbeitsentwurf keine substantiellen Veränderungen gegenüber der Fassung vom 18. Februar 2010 enthält. Bis auf einen neu hinzugefügten – wesentliche inhaltliche Aspekte nicht tangierenden – Satz* handelt es sich um rein redaktionelle Änderungen, die zu verzeichnen sind. Neu eingefügt allerdings finden sich zwei zusätzliche Protokollerklärungen. Erstere stammt ausschließlich von Ländern mit grüner Regierungsbeteiligung und hat zum Wortlaut:

Die Freie Hansestadt Bremen, die Freie und Hansestadt Hamburg und das Saarland unterstreichen, dass die technische Umsetzung von Jugendschutzmaßnahmen nicht dazu führen darf, dass anderweitige Schutzvorkehrungen verpflichtend vorgeschrieben werden.

Die Freie Hansestadt Bremen, die Freie und Hansestadt Hamburg und das Saarland stellen fest, dass die Kontrollpflichten von Anbietern für fremde Inhalte, auch im Rahmen von Foren und Blogs, durch diesen Staatsvertrag nicht erweitert werden.

Der erste Satz dieser Protokollerklärung ist für die Galerie: Es war immer eindeutig, dass die Novellierung des JMStV – darin auch Handlungsausdruck des parallel scheiternden Zugangserschwerungsgesetzes – nicht verpflichtend über eine staatlicherseits vorgegebene Liste zu sperren vorgab, sondern über eine per Gesetz vorgegebene anbieterseitige freiwillige Selbstkontrolle. Und beim zweiten Satz ist unklar, weshalb diesem entgegenlaufende Gestzesaussagen sich im Text des JMStV (wir berichteten) selbst finden. Letzteres sieht zudem auch Stadelmaier anders.

Auf der Berliner Veranstaltung stellte er heraus, dass die politische Initiative des JMStV tatsächlich auf den – hier in den Worten von Saskia Franz wiedergegeben – „von der KJM geforderten netzseitigen Jugendschutzfilter beim Zugangsprovider zielt“ und damit „das Gegenteil einer nutzerautonomen Lösung“ darstellt. Das zumindest ist der Wiedergabe von Stadelmaiers Position auf Heise Online zu entnehmen. Ausdrücklich ist in diesem Kontext die Rede davon, dass Blogs selbstverständlich nicht von einer Ausweitung der Kontrollpflichten ausgenommen seien:

Zur technischen Realisierung der Filtersysteme wird laut dem Staatssekretär ein „einfaches Identifikationsverfahren“ in Zusammenarbeit mit Einrichtungen wie der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) geschaffen, „wo sich jeder selbst einschätzen kann“. Im Gegenzug werde der entsprechende Inhalte-Lieferant „von der Haftung freigestellt“, solange er nicht klar gegen Jugendschutzauflagen verstoße. Stadelmaier unterstrich, dass auch Blog-Betreiber Verantwortung für ihre Inhalte hätten und an dem Ratingverfahren teilnehmen sollten. Wer dies nicht tue, müsse in Kauf nehmen, dass Eltern ihre Webseiten ausblenden würden, wenn sie sich für den Einsatz eines entsprechenden Jugendschutzprogramms einsetzten.

Netzsperren durch die Hintertür – auch für legale Angebote, die sich solchen Kontrollverfahren wissent- oder unwissentlich nicht unterziehen – lassen im JMStV-Entwurf fröhlich grüßen. Da ist es schon erstaunlich, dass als weitere zusätzliche Protokollerklärung – diesmal aller Bundesländer – eine Evaluierungsverpflichtung (vier Jahre nach Inkrafttreten) neu aufgenommen wurde. Man erinnere sich: Genau mit einer solchen hatte die SPD seinerzeit unter anderem Bedenken am Zugangserschwerungsgesetz zu zerstreuen gesucht.

Nachdem Martin Dörmann, auf SPD-Bundesebene vormals Hauptvertreter der Pro-Netzsperren-Kampflinie, inzwischen Abbitte geleistet hat (siehe „Die SPD hat in der Netzpolitik einen Nachholbedarf“), wiederholt sich die Geschichte auf der Ebene der Länder nun als Farce. Mit dem Unterschied: Dörmann heißt jetzt Stadelmaier!

* Neu eingefügt am Ende von § 11 Abs. 1 wurde der Satz: „Dies gilt nicht gegenüber ausschließlich selbstständigen oder gewerblichen Vertragspartnern, sofern Jugendschutzbelange nicht berührt sind.“

4 Kommentare zu “JMStV: SPD-Netzpolitik als Farce – Dörmann heißt jetzt Stadelmaier”

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    This post was mentioned on Twitter by kaffeebeimir: typisch. leider. http://blog.die-linke.de/digitalelinke/jmstv-spd-netzpolitik-als-farce-%E2%80%93-dormann-heist-jetzt-stadelmaier/ #spd…

  2. […] Kritiker bislang zu behaupten wagen: Die Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (wir berichteten) dient als Ersatz für das Internetsperrgesetz Ursula von der Leyens, das sich durch die […]

  3. […] substantiellen Veränderungen zu vermelden. Die Grundlagen des Arbeitsentwurfs vom 12.03.2010 (wir berichteten) bleiben in der zuletzt veröffentlichten Fassung vom 03.05.2010 erhalten. Netzsperren durch die […]

  4. […] im März des Jahres (wir berichteten) hatte er auf einer Diskussionsrunde zum JMStV in Berlin behauptet, dass auch Blog-Betreiber […]