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Koalition peitscht Vorratsdatenspeicherung durch den Bundestag – DIE LINKE wehrt sich

Als Opposition hat man es nicht leicht. Gestaltend tätig zu werden ist so gut wie unmöglich. Immer wieder werden Anträge und Gesetzentwürfe im Plenum und in den Ausschüssen des Bundestages von der Mehrheit der Koalitionsfraktionen weggestimmt. Soweit, so normales parlamentarisches Spiel. Doch auch als Opposition hat man Rechte, die nicht einfach weggestimmt werden können. Ein Recht ist unter anderem, dass der Opposition genügend Zeit eingeräumt wird, um über Gesetzentwürfe und Anträge der Koalition zu entscheiden. Doch immer wieder überrumpeln die Koalitionsfraktionen die Oppositionsfraktionen mit kurzfristigen Aufsetzungen von (Änderungs-)Anträgen und Gesetzentwürfen. Genau das passiert nun wieder – ausgerechnet mit dem höchst umstrittenen Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung, der offiziell „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten“ heißt.

Was ist passiert? Heute, exakt 10.19 Uhr, bekamen die Mitglieder des für die Vorratsdatenspeicherung hauptverantwortlichen Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz offiziell die Mitteilung, dass der Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung nebst eines Änderungsantrages der Koalitionsfraktionen auf die Tagesordnung der morgigen Ausschusssitzung gesetzt wird. Also nicht einmal 24 Stunden vor der Ausschusssitzung wird den Mitgliedern des Ausschusses mitgeteilt, dass morgen die Vorratsdatenspeicherung diskutiert und beschlossen werden soll. Die Mitglieder eines der vielen mitberatenden Ausschüsse Digitale Agenda bekamen heute  9.23 Uhr diese Mitteilung für ihren Ausschuss und damit immerhin ein wenig mehr als 24 Stunden vor der nächsten Ausschusssitzung morgen 15.00 Uhr. Das muss aus Sicht von Union und SPD deshalb so schnell gehen, weil sie bereits diesen Freitag die Vorratsdatenspeicherung im Plenum des Bundestages diskutieren und beschließen wollen. Die Koalition möchte die Vorratsdatenspeicherung also noch in dieser Woche durch den Bundestag durchpeitschen.

Es ist schon extrem ärgerlich, dass die Große Koalition die Opposition immer häufiger versucht, bei umstrittenen Vorhaben zu überrumpeln. Dabei reicht bereits ein Blick in die Geschäftsordnung des Bundestags, dass dieses Vorgehen – aus guten Gründen – nicht zulässig ist. Jetzt wird es leider etwas formalistisch, aber Formalien sollten gerade im Gesetzgebungsverfahren eingehalten werden. Nach § 61 Abs. 1 S. 2 der Geschäftsordnung soll den Ausschussmitgliedern die Tagesordnung in der Regel drei Tage vor der Sitzung zugeleitet werden. Dies ist offensichtlich nicht gegeben, wenn die Tagesordnung einen Tag vorher ergänzt wird. Dazu wird im Kommentar zur Geschäftsordnung von Hans-Achim Roll ausgeführt: „Wenn dem Vorsitzenden rechtzeitig vor Beginn der Sitzung ein Antrag auf Erweiterung der Tagesordnung vorgelegt wird, muss er den entsprechenden Punkt in den Entwurf der Tagesordnung aufnehmen und gegebenenfalls eine Ergänzungsmitteilung herausgeben“ (§ 61, Rdn. 1). Dabei bezieht sich Roll explizit auf eine Auslegungsentscheidung des Geschäftsordnungsausschusses des Bundestages.  In § 61 Abs. 2 der Geschäftsordnung werden dann die Regeln für die Erweiterung einer Tagesordnung festgelegt. Demnach kann der Ausschuss die Tagesordnung nur erweitern, wenn nicht eine Fraktion widerspricht.

Bei Hans-Achim Roll heißt es dazu im Kommentar: „Der Ausschuss kann gemäß Absatz 2 mit Mehrheit die ihm vorgelegte Tagesordnung ändern. Das gilt uneingeschränkt für die Absetzung und die Umstellung der Reihenfolge. Bei einer Erweiterung kann dagegen eine Fraktion im Ausschuss (…) mit der Wirkung widersprechen, dass die Erweiterung unterbleibt. Es handelt sich um ein absolutes Minderheitenrecht, dass die Minderheit vor unvorbereiteten Beratungen schützen soll.“ (§ 61, Rdn. 2). Der letzte Satz des Kommentars macht deutlich, worum es hier geht. Es geht darum, die Opposition davor zu schützen, von der Koalition überrumpelt zu werden. Gerade vor ein paar Wochen merkte das Bundesverfassungsgericht an, dass die Abgeordneten des Bundestages in der Lage sein müssen, sich umfassend informieren zu können. Das kann bei einer derartig kurzfristig aufgesetzten Beratung eines Gesetzentwurfes kaum gewährleistet werden. Deshalb hat jede Fraktion das Recht, einer Ergänzung der Tagesordnung zu widersprechen. Von diesem Recht wird die Fraktion DIE LINKE Gebrauch machen und wird der Aufsetzung in allen Ausschüssen, in denen der Gesetzentwurf beraten werden soll, widersprechen. Wir sind gespannt, ob die Koalition die Geschäftsordnung des Bundestages einhält und die Ergänzung unterbleibt oder ob die Rechte der Opposition erneut mit Füßen getreten werden.

Wie auch immer die Koalition sich morgen in den Ausschüssen verhalten wird – wir werden berichten –, die Vorratsdatenspeicherung wird höchstens aufgeschoben, nicht aufgehoben. DIE LINKE wird daher auch ihre inhaltliche Kritik deutlich machen. Es gibt keinerlei Nachweis, dass für die Strafverfolgung und Gefahrenabwehr die Vorratsdatenspeicherung erforderlich ist. Aber in einem Rechtsstaat muss die Einschränkung von Grundrechten –und um eine solche handelt es sich unzweifelhaft in diesem Fall – erforderlich sein und begründet werden. Die Einführung der Vorratsdatenspeicherung ohne die Erforderlichkeit nachzuweisen muss deshalb als Angriff auf den Rechtsstaat angesehen werden. DIE LINKE wird den Gesetzentwurf daher ablehnen und hat außerdem einen Antrag in den Bundestag eingebracht, in dem dazu aufgefordert wird, auf die Vorratsdatenspeicherung zu verzichten.

 

 

2 Kommentare zu “Koalition peitscht Vorratsdatenspeicherung durch den Bundestag – DIE LINKE wehrt sich”

  1. […] Medienordnung schaffen Positionspapier des Parteivorstandes « Koalition peitscht Vorratsdatenspeicherung durch den Bundestag – DIE LINKE wehrt sich […]

  2. […] danach, vor allem im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz geschah, ist hier und hier nachlesbar. Meine Rede zum Thema VDS kann hier angeschaut werden. Und wer lieber lesen […]