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Kontrolliert von Juristen – Die BND-Rasterfahndungsbilanz im Zehn-Jahres-Vergleich (Teil IV)

Die G 10-Kommission besteht nach § 15 Abs. 1 G 10 aus einem Vorsitzenden, der die Befähigung zum Richteramt besitzen muss, drei Beisitzern sowie vier stellvertretenden Mitgliedern. Diese werden vom Parlamentarischen Kontrollgremium nach Anhörung der Bundesregierung für die Dauer einer Wahlperiode bestellt. Ihre Amtszeit endet mit Neubestimmung der Mitglieder der Kommission, spätestens jedoch drei Monate nach Ablauf der Wahlperiode. Die Mitglieder und ihre Stellvertreter nehmen ein öffentliches Ehrenamt wahr. Sie sind in ihrer Amtsführung unabhängig und Weisungen nicht unterworfen. Auch muss es sich nicht um Mitglieder des Bundestages handeln.

Ein Blick auf die aktuelle Zusammensetzung der Kommission zeigt, dass alle Mitglieder, einschließlich der stellvertretenden, männlich und – mit einer Ausnahme: einem Betriebswirt – nach Ausbildungsstand Juristen sind. Zudem besteht eine Art Senioritätsprinzip. Das Durchschnittsalter (Stand: 29.11.2013) der Mitglieder beträgt 73 Jahre. Werden die stellvertretenden Mitglieder – sie besitzen Rede- und Fragerecht, sind aber nicht stimmberechtigt – hinzugerechnet, ergibt sich immer noch ein recht stolzes Durchschnittsalter von fast 68 Jahren. Vorsitzender ist Hans de With (SPD), von 1969 bis 1994 Mitglied des Bundestages und von 1974 bis 1982 Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesjustizministerium. Stellvertretender Vorsitzender ist Erwin Marschewski (CDU), von 1983 bis 2005 Mitglied des Bundestages und von 1991 bis 2002 innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion.

Die G 10-Kommission tagt regulär einmal im Monat. Nach Aussagen des Vorsitzenden trifft sie ihre Entscheidungen auf Basis von Tischvorlagen. Diese werden im Vorfeld von beamteten Mitarbeitern der Kommission durchgesehen und ausgewertet. Im Jahr 2003 – jüngere Angaben existieren nicht – standen dazu zwei Mitarbeiter des höheren Dienstes (Volljuristen), ein Mitarbeiter des gehobenen Dienstes sowie jeweils ein Mitarbeiter im Umfang von einer ganzen und einer halben Planstelle im mittleren Dienst zur Verfügung. Auch im Kommissionssekretariat dominieren demnach Juristen das Bild. Dennoch sah die Bundesregierung darin seinerzeit der Anforderung aus Art. 15 Abs. 3 G 10, der Kommission Mitarbeiter mit technischem Sachverstand zur Verfügung zu stellen, ausreichend Genüge getan (BT-Drs. 15/2042, S. 9).

Für Außenstehende dürfte ebenfalls der Umstand überraschend sein, dass die Kommission jeweils zu Ende eines Vierteljahres über mehrere Tausend Suchbegriffe entscheidet. Laut § 10 Abs. 5 G 10 sind diese Anordnungen auf höchstens drei Monate zu befristen und um jeweils nicht mehr als drei Monate zu verlängern. Zur Erinnerung: Im Berichtszeitraum 2011 wurden im ersten Halbjahr 15.319 und im zweiten Halbjahr 15.740 Suchbegriffe bewilligt (BT-Drs. 17/12773, S. 6/7). Bereits die schiere Menge wirft die Frage auf, ob und in welcher Form diese überhaupt in ihrem fremdsprachlichen Gehalt und Bedeutungskontext bewertet und überprüft werden können oder einfach nur abgenickt werden.

Die Mittel für die Mitarbeiter des Sekretariats wie auch der Etat der Kommission selbst werden aus dem Haushaltsplan des Deutschen Bundestages bestritten. Letzterer betrug im Jahr 2003 115.000 EUR und untergliederte sich in Aufwandsentschädigungen für die Mitglieder der Kommission sowie für sächliche Aufwendungen, „z. B. für Kontrollbesuche bei den Diensten, sonstige Informationsbesuche im In- und Ausland sowie den Empfang ausländischer Delegationen“ (ebd.). Der Etat schrumpfte im Zeitenverlauf um 11.000 EUR. Im Jahr 2013 – und nach dem Entwurf des Bundeshaushaltsplans ebenso 2014 – stehen der Kommission 88.000 EUR für Aufwandsentschädigungen der Mitglieder sowie 16.000 EUR für sächliche Ausgaben einschließlich Ersatz sonstiger Aufwendungen in besonderen Fällen zur Verfügung (BT-Drs. 17/14300, S. 176).

Zwar erstreckt sich die Kontrollbefugnis der Kommission nach § 15 Abs. 5 G 10 auf den gesamten Prozess der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der durch den BND erlangten personenbezogenen Daten und wird ihr mit § 110 Abs. 1 TKG ebenso Zutritt zu den Räumlichkeiten der Telekommunikationsanbieter sowie den dort aufgestellten Erfassungssystemen gewährt. Doch ist eine effektive technische Kontrolle – nach Kriterien wie in Teil III skizziert – aufgrund der personellen Zusammensetzung, aber auch von fehlenden finanziellen Mitteln zu einer externen Begutachtung der Erfassungssysteme nicht möglich.

Entsprechend heißt es in den Unterrichtungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums regelmäßig bloß lapidar, die Kommission habe sich im Rahmen von Informations- und Kontrollbesuchen bei den Diensten über die konkreten Durchführungen der Maßnahmen informiert und sei auch über technische Neuerungen unterrichtet worden (exempl. BT-Drs. 17/12773, S. 4). Die technische Kontrollkompetenz besteht offenbar in Form von Inaugenscheinnahme. Oder anders: Kommission is looking at things.

Hinzu tritt ein weiteres Defizit in der Kontrollpraxis. Wie die Auswertung (pdf) für den Zehn-Jahres-Zeitraum zeigt, überwacht der BND parallel immer drei Gefahrenbereiche aus dem Deliktekatalog nach § 5 Abs. 1 G 10. Gesetzt waren dabei über den gesamten Zeitraum jeweils ein Gefahrenbereich I („Internationaler Terrorismus“) und ein Gefahrenbereich II („Proliferation/Internationaler Rüstungshandel“), lediglich ein Gefahrenbereich III divergierte im Laufe der Zeit.

Bis Mitte des Jahres 2003 firmierte unter Gefahrenbereich III das Katalogdelikt „International organisierte Geldwäsche“. Anderthalb Jahre nach Einführung des Euro als Bargeld und offenbar auch bedingt durch den Sachverhalt, dass mit der Novelle des G 10 die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt wurde, die strategische Fernmeldeüberwachung für die Aufklärung von Geldfälschungen im Ausland nur dann einzusetzen, wenn die Geldwertstabilität in Deutschland selbst bedroht ist, erlahmte das Überwachungsinteresse des BND. Es wurde nun durch das Katalogdelikt „Betäubungsmitteleinfuhr“ abgelöst.

Das wiederum wurde, nachdem in drei aufeinander folgenden Jahresintervallen keine relevanten Treffer erzielt werden konnten, Anfang 2010 durch das Katalogdelikt „Illegale Schleusung“ – ebenfalls mit der Novelle des G 10-Gesetzes 2001 neu eingeführt – abgelöst. Warum die G 10-Kommission bei einer Trefferrelevanz von Null nicht die Zulässigkeit und Notwendigkeit dieser strategischen Beschränkungsmaßnahme nach § 15 Abs. 5 G 10 unterbunden hat, ist unerfindlich.

Selbiges gilt allerdings auch für das Parlamentarische Kontrollgremium. In den entsprechenden Unterrichtungen des Gremiums werden über die Gründe für die vom BND im Einvernehmen mit dem Bundesinnenministerium bestimmten Gefahrenbereiche keinerlei Angaben gemacht. Sie erscheinen jeweils als rechtfertigungsfrei und voraussetzungslos. Somit krankt das gesamte Kontrollsystem. Es besteht ein negativer Dreiklang aus beschränkter juristischer Beaufsichtigung, Nichteinbeziehung von Informatikspezialisten und – in vielen Fällen – überforderten Parlamentariern.

tl;dr

Die Kontrolle des BND ist keine, sie erfolgt beschränkt nur durch Juristen und überforderte Parlamentarier, nicht durch Informatikspezialisten; die technische Kontrollkompetenz der g 10-Kommission besteht in looking at things.

Teil I: Sinkende Trefferrelevanz bei stark steigender Netzüberwachung

Teil II: Zahlen außer Kontrolle

Teil III: 20 Prozent von allem

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