DIGITALE LINKE
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Ein Rückblick auf die Leistungsschutzrecht-Gala auf den Münchner Medientagen

Auf den gestern zu Ende gegangenen Münchner Medientagen 2010 sind die Presseverleger mit ihrer Forderung nach einem Leistungsschutzrecht noch einmal richtiggehend zur Höchstform aufgelaufen. Das stand irgendwie zu erwarten, zeichneten sie doch zu einem Gutteil als Mitveranstalter dieser als Mediengipfel ausgewiesenen Veranstaltung. Dennoch ist den Aussagen ihrer Vertreter aus Lobby und Politik in nachzulesenden Verlautbarungen ein erstaunliches Ausmaß an willentlichem Amok und unfreiwilligem Koma zu entnehmen. Dazu im einzelnen:

Den Auftakt machte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), der sich in einem offenkundigen medien- und netzpolitischen Parforceritt für Internetsperren gegenüber kinderpornographischen Inhalten im Netz aussprach, in diesem Kontext zugleich für Löschen und Sperren plädierte, ebenso entschieden für den Schutz des geistigen Eigentums im Digitalzeitalter eintrat sowie unisono gegen „junge Piraten“, „rechtsfreien Raum“, Kulturflatrate und gegen staatliche Pressesubventionen Stellung bezog, gleichsam aber die Einführung eines Leistungsschutzrechts begrüßte. (Heise OnlinePressemitteilung vom 13.10.2010)

Ihm sekundierte der in Sachen Leistungsschutzrecht notorische Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG, Mathias Oliver Christian Döpfner. Dessen Botschaft lautete, die Politik dürfe die im Koalitionsvertrag vorgesehene Initiative nicht einschlafen lassen. Gegen die „Gratismentalität im Netz“ müsse gemeinsam angegangen werden. Die Kritik des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) gegen das Leistungsschutzrecht – wir berichteten – sei unfaire Polemik: „Ausgerechnet Verbände, die Stimme für Marktwirtschaft und Eigentum sein sollten, nehmen eine antimarktwirtschaftliche und eigentumsfeindliche Position ein. Sie sprechen Verlagen das Recht ab, Eigentum an den Früchten ihrer Arbeit zu besitzen“. Und: „Wenn der BDI von einer ‚Zwangsabgabe’ spricht und von einer ‚GEZ 2’, dann entspricht das nicht der Wahrheit.“ ( Handelsblatt)

„Ich weiß nicht, für was der BDI steht, wahrscheinlich nicht für Intelligenz“, ergänzte Burda-Vorstandschef Paul-Bernhard Kallen. Der BDI kritisiere auf der einen Seite die Produktpiraterie in China, wolle aber auf der anderen das Leistungsschutzrecht in Deutschland verhindern, lautete sein Credo (ebd.), ohne dass diesem ganz offenkundigen unsinnigen Vergleich in der veröffentlichten Presse widersprochen wurde – so als gäben die im BDI versammelten Unternehmen durch vermeintlich kostenfreie Bereitstellung ihrer Produkte in China Beihilfe zur Produktpiraterie.

Kallen, der als Vorstandsvorsitzender der Hubert Burda Media zugleich für Focus, Bunte und Focus Online Verantwortung zeichnet, sieht ordnungspolitische Schritte als nötig an, um die Überlebensfähigkeit der Medienhäuser zu sichern. Das Problem sei immer das gleiche: „Wir sprechen heute von Google, morgen von Facebook und übermorgen von Apple“. Die Gratiskultur im Netz und die Abhängigkeit von Internetunternehmen wie Google bedrohten aufgrund ihrer Dominanz die Informationsfreiheit. (Focus Online)

„Raubrittermentalität“ schließlich warf Oliver Schrotthofer, Geschäftsführer der WAZ-Tochter Zeitungsgruppe Thüringen, den Betreibern von Suchmaschinen vor. „Den Verlagen geht es darum, eine Lücke im Urheberrecht zu schließen, um Fairness im Umgang mit geistigem Eigentum zu erreichen“, so der Verlagsmanager in Rechtfertigung der Position des Verbands der Deutschen Zeitschriftenverleger (VDZ) und des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV). (Horizont.net)

Letztere beiden Verbände übrigens warfen dem einzigen Vertreter einer dezidierten Kontraposition, vertreten von Google-Nordeuropa-Chef Philipp Schindler, nachträglich in einer Pressemitteilung „falsche“ und „grob irreführende“ Aussagen zum Leistungsschutzrecht vor. Anders als von Schindler auf den Münchner Medientagen behauptet, bleibe selbstverständlich – so die Verlautbarung der Branchenverbände – das Recht, kostenlos und ohne Genehmigung aus journalistischen Texten zu zitieren, erhalten. Nicht nur diesen Nachweis allerdings haben die Presseverleger bislang nicht erbracht. Gleichwohl hat Süddeutsche.de diese PR-Mitteilung von BDZV und VDZ sogleich nahezu unverändert, ohne jeglichen kritischen Zusatz übernommen.

Die Forderung nach einem Leistungsschutzrecht ist eben nichts andres als das unverhohlene Streben der Presseverleger nach (mittelbarer) staatlicher Alimentation per Gesetz, und darin erpresste Wahrheit – ein skandalöses Versagen von Unabhängigkeit und Freiheit der Presse durch sie selbst.

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