DIGITALE LINKE
— Politik in der digitalen Welt! —

Posts mit dem Tag ‘Wissen’

„Leute, kauft mehr online…“

Crosspost von DIE LINKE in Europaparlament

Anmerkungen zur Digitalen Binnenmarkt-Strategie (DSM-Strategie) der Europäischen Kommission aus kultur- und bildungspolitischer Perspektive

1. Kleine Vorgeschichte

Am 6. Mai 2015 hat die Kommission eine ehrgeizige Ankündigung veröffentlicht. Sie gilt der Schaffung eines harmonisierten Europäischen digitalen Binnenmarkt und ist damit der Aufschlag für die zweite von zehn strategischen Leitlinien der Kommission bis 2020, die Kommissionspräsident Junker am 15. Juli 2014 unter dem Titel: „Meine Agenda für Jobs, Wachstum, Fairness und demokratischen Wandel“, vorstellte.

Ein wenig erinnern derartig umfassende Ankündigungen an die Dänischen Komödien der Olsenbande aus den 70er/80er Jahren. Man hat einen großen Plan. Doch auf dem Wege kommt ganz sicher so allerhand dazwischen. Für Unterhaltung ist also gesorgt. Die großen Mächte, die Egon Olsen ohnehin immer als Widersacher seiner Pläne im Visier hatte, gibt es in Gestalt solcher Lobbyisten, wie Digital und Business Europe sowie diverse Film- und Musikindustrieversteher ohnehin und die schlafen ganz sicher nicht, wenn in Brüssels EU-Kommission die digitale Welt entdeckt wird.

Die politischen Konfliktfelder sind lange schon beackert:  Endlich, endlich, soll das Urheberrecht dem digitalen Zeitalter anpasst und europäisch harmonisiert werden. Wunderbar. Und ganz sicher brauchen wir (1) mehr Datenschutz für Bürgerinnen und Bürgern, mehr Schutz vor unkontrollierbaren Geheimdiensten und einen funktionierenden Alltag der digitalen Kommunikation und Wirtschaft, der allen zugänglich und dienstbar ist. Und deshalb verteidigen wir die Netzneutralität, damit alle denselben Zugang zu Netzen haben, die längst noch nicht überall verfügbar sind. Eine gute und für alle gleich zugängliche Infrastruktur wird von Bürgerinnen und Bürger, so wie von kleinen Unternehmen, die die weltweite digitale Kommunikation schätzen und nutzen wollen, benötigt, auch auf dem platten Lande und in der abgelegensten Bergregion. > Weiterlesen

Antwort auf eine Frage von Robert Misik: Ja.

Der von uns sehr geschätzte Autor und Journalist Robert Misik (er war Speaker u.a. bei #nfa11) produziert regelmäßig sehenswerte Podcasts auf der Seite des Wiener Standard. Sein aktueller Podcast steht unter der so irreführenden wie provozierenden Frage „Macht Posten im Internet dumm?“. Misik kritisiert darin die „Schwarmblödheit“ des Internets, insbesondere die Aggressivität und Zerstörungswut anonymer Kommentare und Postings in Foren und unter digitalen Zeitungsartikeln. Auslöser dieser Debatte war offenbar das Geständnis der Standard-Kolumnistin  Julya Rabinowich, sie habe sich selbst durch ihre Anonymität im Internet verändert, aber auch diese Erklärung der Standard-Online-Redaktion zu schärferen Moderationsregeln, die sich stark auf das Thema Anonymität bezieht. Er fragt demnach nicht, ob das Posten im Internet dumm mache, sondern ob vor allem Dumme im Internet posten – ein völlig andere Frage.

Misik stellt also fest, dass sich anders als viele das zunächst erhofft haben, die „Reife“ der politischen Öffentlichkeit durch das Internet nicht erhöht, sondern gesenkt habe. Damit reiht sich Misik ein in eine Reihe von früheren Netzoptimisten wie Jaron Larnier, Joseph Weitzenbaum oder auch Jürgen Habermas, die heute die Entwicklung der digitalen Öffentlichkeit kritisch sehen. Es sei ein Problem, so Misik, dass die anonymen KommentatorInnen sich diese Art zu schreiben mit Klarnamen überhaupt nicht trauen würden, weil sie die Konsequenzen wie soziale Ächtung oder auch rechtliche Auseinandersetzungen tragen müssten. Menschen, die unter ihrem Namen oder als normale Autor_innen im Netz agierten seien die Deppen, auf die alle anderen unter Pseudonym mit der Keule von Aggression und Beleidigungen herumdreschen könnten. Misik unterlegt das ganze erst mit echten Kommentaren wohl aus dem SPON-Forum und dann mit trolligen, selbst formulierten Kommentaren zum eigenen Text. Er endet mit der Frage:

„Will ernsthaft jemand behaupten, dass wir heute eine reifere politische Debatte und Öffentlichkeit haben als vor zwanzig Jahren?“

Man solle ein Ja gut begründen. Hier ein Versuch: > Weiterlesen

Alle reden von der re:publica – Wir auch

Am Montag beginnt zum siebten Mal in Folge in Berlin die re:publica, das große Hybrid aus Konferenz, Messe und Klassentreffen für Netzkulutur, Netzpolitik und immer mehr: Netzwirtschaft. Auch wir von „Digitale Linke“ werden in Teilen dort sein, uns im Mix aus AktivistInnen-Treffen, Selbstbeschau und PR-Gebuhle umtun und aus der ein oder anderen Veranstaltung auf @digitale_linke twittern.

Während das Drumherum der re:publica Jahr für Jahr businesslastiger wird, ist das Konferenzprogramm auch dieses Jahr angenehm heterogen und politisch. Im Vorfeld hier unsere kleine, unvollständige Auswahl an spannenden Programmpunkten: > Weiterlesen

„Piratenzauber“: Beitrag zum freien Wissen

Aus dem Buch „Piratenzauber“, das wir hier bereits vorgestellt haben, dokumentieren wir einen Essay von Tobias Schulze unter dem Titel:

Freies Wissen – die praktische Entknappung einer Ressource

„Wissen, hier im weitesten Sinne verstanden – von Information und Daten bis zu Kreativgütern und Kunstwerken, ist eine ökonomische, politische und kulturelle Ressource. Als Werkstück – Buch, Bild, Text, Tonträger – wurde es vergesellschaftet und zum Handelsgut formiert. Die Digitalisierung, insbesondere die Vernetzung, trennt Wissen von dieser körperlichen Erscheinung eines einzelnen Werkstücks ab und macht es zu einem flüssigen Gut. Der beliebte Vergleich mit Leitungswasser hinkt jedoch, denn Wissen ist noch weniger als Wasser einzuhegen und in feste Bahnen zu lenken. Es widerstrebt der Kommodifizierung. Wissen als Eigentum war schon immer schwer vorstellbar. > Weiterlesen

Regierungsentwurf zum Urheberrecht: besser als nichts – aber nicht viel besser

Crosspost von petra-sitte.de

Das Kabinett hat gestern seinen Regierungsentwurf für eine Neuregelung zu verwaisten Werken und zum Zweitveröffentlichungsrecht für WissenschaftlerInnen (PDF) vorgestellt. Dass im BMJ nicht nur über Rechtsdurchsetzung, sondern auch über Rechtsfortentwicklung nachgedacht wird, ist schön. Aber besonders weit gehen die Regelungen leider nicht.
Eine Ausnahme für die Nutzung verwaister Werke im Urheberrecht einzuführen, hat die LINKE seit Langem gefordert. Ein großer Teil unseres kulturellen Erbes liegt derzeit brach. Wenn Bücher, Filme und Musik, die in Archiven, Bibliotheken und Museumsbeständen ungenutzt herumliegen, zukünftig online zugänglich sein sollen, ist das grundsätzlich begrüßenswert. Es ist allerdings fraglich, ob es dazu kommen wird. Denn schon die entsprechende EU-Richtlinie lässt leider wenig Gestaltungsspielraum.

So sind zum Beispiel Fotos schon von vornherein nicht enthalten – es sei denn, sie waren mal in einem Buch abgebildet. Und bei den anderen Werkarten wird die „sorgfältige Suche“ nach verschollenen Rechteinhabern, die eine zwingende Voraussetzung für die Online-Zugänglichmachung werden soll, erhebliche Kosten verursachen – zusätzlich zu den Kosten der Digitalisierung. Damit die Schrankenregelung nicht am Ende komplett leerläuft, muss dringend darüber nachgedacht werden, ob man nicht die Last der Recherche auf viele Schultern verteilen kann – etwa von freiwilligen Helfern. Verboten ist das dem Wortlaut des Gesetzes zufolge nicht. > Weiterlesen

Referentenentwurf zur Urheberrechtsreform – Verwaiste Werke, Zweitveröffentlichungsrecht

Das Bundesjustizministerium hat einen ersten Referentenentwurf für eine kleine Urheberrechtsnovellierung an diverse Verbände verschickt. Damit kommt kurz vor dem Ende der Legislaturperiode doch noch einmal Bewegung in die Debatte.

Drei Regelungspunkte werden adressiert:

1. die technologieneutrale Ausgestaltung der Regelung zur Kabelweitersendung in §20 b UrhG

2. ein Zweitveröffentlichungsrecht für wissenschaftliche Beiträge in Periodika in § 38 UrhG

3. eine neue Schrankenregelung für verwaiste Werke in neuen §§ 61 UrhG

4. eine erleichterter Nutzungsmöglichkeit für vergriffene Werke von vor 1966 in den §§ 13 d und e des UrhWG > Weiterlesen

Koalition gefährdet wissenschaftliches Arbeiten – §52a Urheberrecht steht vor dem Aus

„Für ein modernes Urheberrecht in der Wissenschaft muss jetzt gehandelt werden.“ So war eine Pressemitteilung der CDU-Bundestagsabgeordneten Michael Kretschmer und Günter Krings vor drei Wochen überschrieben. Auch wenn ihre Definition eines modernen Urheberrechts für die Wissenschaft höchst fragwürdig ist, die von ihnen behauptete Dringlichkeit ist zweifelsohne gegeben.

Derzeit erlaubt der §52a des Urheberrechts („Öffentliche Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung“) der Wissenschaft gewisse Freiheiten im Umgang mit urheberrechtlich geschütztem Material. Diese Freiheiten sind an vielen Punkten unpraktikabel und insgesamt viel zu wenige, deshalb fordert beispielsweise DIE LINKE im Bundestag seit geraumer Zeit eine Ausweitung der spezifischen Regelungen für Bildung und Wissenschaft und die Zusammenfassung der Bestimmungen zu einer sogenannten Bildungs- und Wissenschaftsschranke im Urheberrecht (vgl. hier (PDF, S. 4/5) und hier (PDF, S. 2/3)). Diese Forderung ist nicht aus der Luft gegriffen, sondern entspricht Positionen aus der Wissenschaftscommunity (vgl. hier, hier, hier oder hier). Dennoch ist sie derzeit im Bundestag nicht mehrheitsfähig.

Die CDU hingegen denkt zum Wohle privatwirtschaftlicher Verlage in die andere Richtung. Sie will, siehe die erwähnte Pressemitteilung, den Anwendungsbereich der bestehenden Regelungen „reduzieren“. Dann allerdings soll die übriggebliebene Restfreiheit dauerhaft im Gesetz festgeschrieben werden. Das wäre nicht im Sinne der Wissenschaft, weniger als heute, aber: es wäre nicht nichts. Nur offenbar gibt es hier keine Einigkeit mit dem Koalitionspartner. So jedenfalls liest sich die Pressemitteilung der Unionspolitiker.

Das Schlimme nun aber ist: Ein „Nichts“ droht derzeit der Wissenschaft. > Weiterlesen

Ohne Gleichberechtigung und sozialen Ausgleich bleibt Open dicht

Anfang Mai erschien im Universitätsverlag des Saarlands der von Ulrich Herb herausgegebene Sammelband „Open Initiatives: Offenheit in der digitalen Welt und Wissenschaft“. Darin findet sich der lesenswerte Beitrag von Jutta Haider „Open Access hinter verschlossenen Türen oder wie sich Open Access im und mit dem Enwicklungsdiskurs arrangiert“.
Haider zeigt dort anschaulich, wie die ideologische Begründung für Open Access letztlich im imperialistischen Diskurs einer Entwicklungshilfe verortet ist, die „armen“ oder „unterentwickelten“ Gesellschaften die angeblichen und realen Segnungen der kapitalisitischen Industrieländer des globalen Nordens überhelfen soll. Besser noch, es soll die Hoffnung auf diese Segnungen dauerhaft aufrecht erhalten, kann diese aber de facto nicht erfüllen.

Haider ist dabei nicht im Geringsten daran gelegen, den offenen Zugang zu wissenschaftlicher Arbeit an sich zu kritisieren. Sie kritisiert, mit welchen Argumenten die Archive und Publikationsprozesse geöffnet werden sollen. Sie kritisiert, das eine rein technische Lösung (übers Netz zugängliche Datenbanken) als Allheilmittel gegen Ungleichheit (hier: in der Wissenschaft) gepriesen wird und dabei die flankierende PR die Ungleicheit dauerhaft zementiert. > Weiterlesen

Das Netz, die Eigentumsfrage und die Freiheit der Kommunikation (Teil III)

Offenheit als Kontingenz

Tatsächlich muss die praktizierte und noch bestehende Offenheit des Netzes als „kontingent“ (ebd.) angesehen werden. Umgekehrt allerdings gilt das ebenso für seinen prognostizierten Zerfall in Territorien. Beide Szenarien verweisen in ihren grundlegenden Implikationen zurück auf zu führende politische Auseinandersetzungen. Denn folgendes ist zu proklamieren: Obgleich die Offenheit des Netzes nicht als Wesensnotwendigkeit zu begründen ist, so bleibt sie doch politisch möglich. Darauf reflektiert in besonderer Dringlichkeit ebenfalls ein jüngerer Mahnruf von Tim Berners-Lee.

Die konkreten Bedrohungen auflistend – Einzäunung und Abschottung von Informationen in Sozialen Netzwerken, Smartphones und Pads; Drosselung und Unterbindung des Zugangs zu rivalisierenden Diensten im mobilen Internet; fortschreitende Überwachungszugriffe auf die Informationsinfrastruktur durch autoritäre ebenso wie durch demokratische Regierungen –, konstatiert er: „Sollten wir, die Nutzer des Netzes [im Orig.: Web], diese und andere Tendenzen weiterhin ungehindert an uns vorbeiziehen lassen, zerbricht das Netz in fragmentierte Inseln. Wir verlören die Freiheit zur Vernetzung mit den Webseiten unserer Wahl.“ (Berners-Lee 2010)

> Weiterlesen

Lehrkörper sauer über Urheberrechtsvertrag – GEW ruft zu Ungehorsam auf.

Der Vertrag zwischen Verwertungsgesellschaften und Kulturminister_innen, der schon im Rahmen der Debatte um den Schultrojaner für Aufsehen gesorgt hatte, zieht weitere Kreise. In Niedersachsen hat ein Vermerk des Kultusministeriums heftige Proteste an Schulen ausgelöst. Laut Bericht der Neuen Osnabrücker Zeitung wurden die Schulleiter des Landes aufgefordert, bis Mitte Februar den rechtskonformen Umgang mit urheberrechtlich geschütztem Material zu bestätigen.

Im Klartext: Konkret wurden die Schulen aufgefordert, keinerlei Digitalisate von analogen Lehrmaterialien auf ihren Computern vorzuhalten. Grundlage dieser Aufforderung sei der § 6 des „Gesamtvertrages zur Einräumung und Vergütung von Ansprüchen nach § 53 UrhG“ . Nachdem klar ist, dass die „Kontrollsoftware“ der Verlage vorerst nicht eingesetzt wird, sehen sich die Kultusminister offensichtlich gezwungen, vertragsgemäßes Verhalten bestätigen zu lassen.  > Weiterlesen