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Netzneutralität und Deep Packet Inspection – Wie sich die Bundesnetzagentur blamiert

Wer bislang dachte oder auch nur gedacht haben mochte, die Sicherstellung des Prinzips der Netzneutralität sei bei der Bundesnetzagentur in guten Händen, wurde spätestens gestern eines Besseren belehrt. An diesem Tag fand im Unterausschuss Neue Medien des Bundestags ein öffentliches Fachgespräch über die „Berichte der Europäischen Regulierungsstelle Berec zur Netzneutralität“ statt.

Zu Gast war Cara Schwarz-Schilling. Die Tochter des ehemaligen Bundespostministers ist Leiterin des Referats Grundsatzfragen der Internetökonomie in der Bundesnetzagentur und bei Berec Leiterin der Arbeitsgruppe „Next Generation Networks“. Sie wiederholte zunächst das von der Bundesnetzagentur stets vorgetragene Mantra, Wettbewerb und Transparenz seien die richtigen Methoden zur Wahrung von Netzneutralität. Den Zustand, dass bereits jetzt etwa 20 Prozent der mobilen Internetnutzer von der Blockierung und Drosselung bestimmter Datenpakete betroffen sind und es nachhaltige Einschränkungen der Netzneutralität auch im Festnetz gibt, betrachtete sie als „nicht alarmierend“.

Doch waren es nicht diese Aussagen, die aufhorchen ließen, sondern zweier ihrer Äußerungen zu Deep Packet Inspection (DPI). Auf die Bedeutung der Überwachungs- und Filterungstechnologie für das Blockieren und Drosseln von VoIP, P2P und anderen spezifischen Datenverkehren angesprochen, sagte (nachzuverfolgen im Videostream) Schwarz-Schilling:

„DPI ist in der Tat ein Thema für Herrn Schaar.“ (Min. 47:18)

Und:

„Also z.B. in unserer Abfrage bei Berec hat keiner angegeben, DPI zu machen.“ (Min. 48:11)

Beides erstaunt – letzteres insbesondere deshalb, weil in einem der Berichte (pdf) von Berec explizit festgestellt wird, dass das Blockieren und Drosseln von Anwendungen und Diensten typischerweise auf Basis von Deep Packet Inspection erfolge:

„One important aspect relates to the type of technical management associated with a certain type of restriction. For instance, when blocking/throttling is implemented in the network, it is typically done through deep packet inspection (DPI).“ (S. 22)

Petra Sitte (DIE LINKE) verwies denn auch auf diese Stelle des Berichts und zeigte sich verblüfft, dass Schwarz-Schilling DPI ausschließlich als ein Problem des Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar betrachte. Sie fragte, ob die Bundesnetzagentur nicht schon deshalb tätig werden müsse, weil § 88 Abs. 3 TKG den Providern ein Verbot der Kenntnisnahme von Inhalten aus Kommunikationsvorgängen vorschreibe.

Auch Tabea Rößner (B’90/Grüne) sah in DPI einen eindeutigen Verstoß gegen das Prinzip der Netzneutralität. Sie fragte, warum bei der Bundesnetzagentur kein Handlungsbedarf gesehen werde. Beide Fragen wurden von Schwarz-Schilling nicht beantwortet. Dafür gab diese einen tiefen Einblick in ihr Verständnis der Technologie:

„Die Frage ist, wie dieses Management passiert, ob das agnostisch passiert oder ob das nicht agnostisch passiert. Sozusagen, die Router, die gucken überall in die Pakete rein und die gucken vielleicht auch tiefer in die Pakete rein, aber die vergessen im Grunde wieder, was sie gesehen haben, also die nehmen dann im datenschutzrechtlichen Sinne – sozusagen – die gucken nicht auf den Inhalt, sondern die gucken auf Verkehrscharakteristika und die sind dafür da, den schnellsten Weg zu finden. Insofern – da müssen sie mir jetzt auch, da müssen sie jetzt auch meinen, also ich bin keine Informatikerin und ich bin auch keine Technikerin. Ich versuche auch, mich diesem Thema so gut ich kann zu nähern. Es ist sicher so, dass diese Verkehrsmanagement-Maßnahmen und Blockierungen in irgend einer Form erfordern, dass man weiter in die Pakete reinguckt als nur in den Header, sonst können sie gar nicht identifizieren, was sie da für eine Anwendung haben.“ (Min. 53:20-54:20)

Dem kann man nur hinterherrufen: Fachwissen und Erfahrungswerte sind gute Problemlöser – wenn man sie erworben hat.

2 Kommentare zu “Netzneutralität und Deep Packet Inspection – Wie sich die Bundesnetzagentur blamiert”

  1. […] Die Linke: Netzneutralität und Deep Packet Inspection – Wie sich die Bundesnetzagentur blamiert (via […]

  2. […] Schwarz-Schilling in einem Fachgespräch des Unterausschusses Neue Medien des Deutschen Bundestages an dieser Stelle bereits die Rede. Nun wurde das Wortprotokoll (pdf) der Veranstaltung veröffentlicht. Ein […]