DIGITALE LINKE
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Haushaltsabgabe: Kritik von vielen Seiten

Udo Vetter verweist in seinem lawblog darauf, dass „ARD und ZDF endgültig zu einem Staatsfernsehen“ werden, dem man

„sich nur noch auf zwei Wegen entziehen kann. Der eine ist die selbst gewählte Obdachlosigkeit. Der andere die Auswanderung. … Nun aber Menschen für TV und Radio zur Kasse zu bitten, die auf TV und Radio verzichten, ist in meinen Augen eine Attacke auf die Freiheit, vom Staat in Ruhe gelassen zu werden – und ein raumgreifender Schritt in juristisches Sumpfland.

Von daher wundert es mich nicht, wenn die Verantwortlichen nun eifrigst betonen, einige Gutachter hätten bestätigt, die Haushaltsabgabe sei ganz doll verfassungsgemäß. Wer nur den von ihm selbst bezahlten Experten glaubt, wird allerdings das Risiko eines Schiffbruchs einkalkulieren müssen.“

Kritisiert wird in der FTD, dass sich die „Länder scheuen, künftig auch Hartz-IV-Empfänger abzukassieren – auch wenn diese das Geld von den Sozialämtern wiederbekommen sollten. Damit wird das „Jeder zahlt“-Prinzip von Beginn an ausgehöhlt.“

Für den SPIEGEL werden mit der Neuregelung

„ARD, ZDF und Deutschlandradio einem Kultur- und Bildungsgut gleichgestellt, für den per gesellschaftlichem Konsens die Allgemeinheit aufkommt. Die Programme stehen damit in einer Reihe mit Schulen, Universitäten, Theatern und vielen deutschen Filmproduktionen: Für sie muss jedermann zahlen, ob er darauf Lust hat oder nicht.“

Nun, ganz so stimmt dies nicht, denn einerseits werden die über Steuern finanziert. Die „Zahlungen“ der einzelnen sind also unterschiedlich hoch. Zudem wird überall – bis auf die Schulen – ein individueller „Beitrag“ fällig.

Jörn Kruse fragt in der taz, ob nicht auch jeder Fahrradfahrer Kfz-Steuer zahlen müsse.

„Schließlich sorgt die dafür, dass Autos auf Autobahnen fahren können und nicht die Städte verstopfen, so dass kein Platz mehr für das Fahrrad inklusive Korb wäre.“

Martin Stadelmeier erklärt gegenüber dem Deutschlandradio, dass man

„auch gravierende demografische Probleme (habe), dass heißt, durch das Älterwerden der Bevölkerung insgesamt sinken die Einnahmen und da muss man gegensteuern.“

Gegensteuern heißt hier, dass man nutzt, dass trotz abnehmender Bevölkerung die Zahl der Haushalte zunimmt.

Marc-Jan Eumann (SPD) stellt im Kölner Stadtanzeiger klar, dass es Gewinner und Verlierer gibt.

„Verlierer sind im neuen Modell all diejenigen, die bislang nur die Grundgebühr bezahlen, die also nur ein Radio und keinen Fernseher haben. Für viele andere aber kommt es zu Verbesserungen.“

Für Deutschlandradio-Intendant Willi Steul ist da noch nicht das letzte Wort gesprochen. Er ist für die Beibehaltung der Grundgebühr:

„Allerdings werden noch Teilaspekte des Systemwechsels zu prüfen sein. Dazu gehört auch der Wegfall der Grundgebühr, der alle betreffen wird, die aus bestimmten gründen nur Radio hören und auf das Fernsehen verzichten, die aber nach der Vorstellung der Ministerpräsidenten künftig den vollen Beitrag zu zahlen haben.“

Anscheinend gibt es nicht wenige Deutschlandradio-Hörer, die keinen Fernseher haben.

Große Kritik kommt vom VPRT.

„Was die Politik allerdings vollmundig als umfassende Neuordnung angekündigt hatte, scheitert nun an medienpolitischer Kleinmütigkeit und endet heute jedenfalls mit Blick auf die angekündigte Werbe- und Sponsoringfreiheit von ARD und ZDF als Rohrkrepierer“, kommentierte der Präsident des Verbands Privater Rundfunk und Telemedien e. V. (VPRT), Jürgen Doetz.

In Zukunft sollen auch Menschen mit Behinderungen Rundfunkgebühr bezahlen. Martin Stadelmeier verweist in diesem Zusammenhang auf ein Urteil des Bundessozialgerichtes aus dem Jahre 2010. Im Jahre 2004 hatte Miriam Meckel als damalige Medienstaatssekretärin von NRW eine solche Regelung vorgeschlagen. Martin Stadelmeier lehnte dies damals ab. Es gebe eine „generelle Berechtigung“ an der Gebührenbefreiung für Behinderte festzuhalten, sagte Stadelmaier damals dem SPIEGEL. (Falle die generelle Befreiung der Behinderten weg, würden sich Mehreinnahmen von 105 Mio. Euro ergeben [Stand Rundfunkgebühr 2004, Annahme volle Gebühr wird bezahlt]. Es wurde auch darauf verwiesen, dass der Gebührennachlass der GEZ für die Telekom als notwendiger Nachweis gilt, um den Sozialtarif zu gewähren.)

Die Linke übte laut Kölner Stadtanzeiger ebenfalls Kritik – jedoch nicht am Detail, sondern am gesamten Reformvorhaben.

„Die Einführung einer einheitlichen Haushaltsabgabe unabhängig vom Vorhandensein eines Empfangsgeräts ist sozial ungerecht“, sagte Kathrin Senger-Schäfer, die medienpolitische Sprecherin der Linke-Bundestagsfraktion.

Tabea Rösner von den Grünen forderte einen besseren Datenschutz.

„Die vorgesehenen Änderungen sind in Bezug auf den Datenschutz katastrophal. Hier muss dringend nachgebessert werden. Auf keinen Fall dürfen [Die] mehr Daten als bislang erhoben werden. Datensparsamkeit muss bei einem neuen Gebührenmodell das oberste Gebot sein.“

Wirtschaftsvertreter fordern laut Kölner Stadtanzeiger, dass

„der neue Beitrag nur bei den Haushalten anknüpft. Rundfunknutzer könnten letztlich nur die einzelnen Bürger sein. Es wäre konsequent, die Unternehmen oder Betriebsstätten von der Zahlungspflicht auszunehmen.“ Zudem stellt man hier fest, dass sich alle einschränken müssen, mit weniger Geld auskommen sollen. „Nur die Öffentlich-Rechtlichen scheinen von diesen Sparzwängen gänzlich ausgenommen zu sein.“

Der Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien, Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring, hat sich in einer ersten Reaktion mit einer Nebenfrage befasst. Er bedauert das Scheitern der von Bayern geforderten Öffnungsklausel im neuen Rundfunkgebührenmodell. Mit der Öffnungsklausel sollte ermöglicht werden, dass ein kleiner Anteil der jetzt von den Ministerpräsidenten beschlossenen Haushaltsabgabe zur Finanzierung landesspezifischer Zwecke insbesondere für den lokalen Rundfunk eingesetzt werden kann. Damit wollte Bayern sein Lokalfernsehen finanziell fördern.

In der FTD wird darauf hingewiesen, dass mit der Zahlungspflicht für alle die Intendanten „noch eine ungleich schwierigere Aufgabe vor sich“ haben.

„Sie müssen das Programm qualitativ so hochwertig gestalten, dass sich die Frage nach dessen Nutzen künftig nicht mehr stellt.“

Paul Wrusch leitet in der taz aus der Abgabepflicht ab, dass die Sender

„jetzt noch mehr denn je in der Pflicht sind, ihren öffentlichen Bildungsauftrag zu erfüllen – der Druck dafür ist mit der Entscheidung jedenfalls gewachsen.“

Doch hatten die Sender diese „moralische“ Pflicht nicht schon bisher? Und warum sind sie dann dieser bisher nicht nachgekommen? Warum sollte sich nun etwas ändern, wo doch alle zu zahlen gezwungen sind?

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