DIGITALE LINKE
— Politik in der digitalen Welt! —
 

Spaltet die Digitalisierung die Gesellschaft?

Die deutsche Technology Review bespricht ein interessantes Buch der MIT-Wirtschaftswissenschaftler Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee. Der wirtschaftswissenschaftlich untersetzte Text macht Furore mit der These, dass mit der IKT erstmals eine neue Schlüsseltechnologie Arbeitslosigkeit und Armut vergrößere und die (us-amerikanische) Gesellschaft spalte. Managern und Börsenspekulanten verhelfe die Technik zu enormen Reichtum, während die Arbeit für viele, insbesondere weniger gut ausgebildeter, immer weniger werde. Nicht nur die Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik der US-Regierung seien daran schuld, sondern eben auch die neuen Technologien.  TR zitiert Brynjolfsson:

„Mittels IT können Superstars – ob Mark Zuckerberg, Lady Gaga oder ein Hedgefonds-Manager – ihre Fähigkeiten für viel mehr Vermögenswerte und Kunden einsetzen, als es zuvor möglich gewesen war. Anders als Atome kann man Bits kostenlos, global und verzugslos verbreiten. Alles Digitale, von Software bis zu Musik, kann ein viel größeres globales Publikum erreichen. Dasselbe gilt auch für Software-gesteuerte Geschäftprozesse. Das machen sich CEOs zunutze.“

Neben der Frage der Unterhaltungsbranche analysieren die Forscher auch Geschäftsprozesse und Produktionsabläufe. Klassische Prozesse der Automatisierung und Rationalisierung vernichten besonders einfache Arbeitsplätze im großen Stil. Neu an den aktuellen Prozessen sei vor allem das Tempo, das vielen Menschen keine Chance auf eine Anpassung gebe. Computer könnten heute viel mehr, als Menschen verarbeiten können. Die Technologie arbeite für die Mächtigen, die das System gestalten und durchblicken (Eriy Brynjolfsson erklärt diesen Zusammenhang in einem Vortrag).  Anders als von Vielen eingeschätzt, mache dies die Arbeitenden und User nicht selbstbestimmter, sondern im Gegenteil zu Gelenkten.

Der klare Blick der beiden auf die Ungerechtigkeiten dieser industriellen Revolution erfreut, zumal beide auch eine Verbindung zu den aktuellen Occupy-Protesten in den USA ziehen. Das Buch sollte auch hierzulande stärker in die Debatte kommen. Lässt sich die Grundthese mit Blick auf Europa halten? Zweifel sind angebracht. Die entscheidende Frage ist jedoch die nach der Unausweichlichkeit einer kapitalistischen Überformung der digitalen Revolution.

Diese Frage bezieht sich nicht nur auf das Internet als Technologie und sozialen Ort (wie es etwa hier auf der Konferenz „Netz für alle 2011“ gesehen wurde), sondern insgesamt auf digitale Technologien als Motor für Innovationspozesse in Industrie und Dienstleistung. Jeder Strukturwandel als Rationalisierungsschub kostet Arbeitsplätze, die gesellschaftliche Machtfragen lauten a. Mit welchen strukturbildenden Zielen wird dieser Wandel vorangetrieben?   b. Wer profitiert von Effizienzzuwächsen? Für die vergangenen fünfzehn Jahre haben Brynjolfsson und MacAfee die Fragen wohl beantwortet. Aber diese brachiale Art der Transformation stößt derzeit an soziale und ökologische Grenzen. Keine schlechte Zeit, um die digitale Revolution von unten zu definieren – als Menschenrechte auf gerechte Teilhabe, Demokratie und eine umweltverträgliche Produktionsweise.

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