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Generieren kostenlose E-Books höhere Verkaufszahlen in der Print-Ausgabe?

Christian Sprang, Justiziar des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels und in seiner Freizeit Sammler von Todesanzeigen, hat sich am Mittwoch auf der Konferenz „Internet – (k)ein rechtsfreier Raum?“ im Bundesjustizministerium erneut als Anwalt für – so Sprang wörtlich – „Law & Order“ ausgewiesen und einmal mehr Netzsperren im Falle von Urheberrechtsverletzungen im Internet gefordert. Zeit also, an dieser Stelle das Verhältnis von vermeintlicher Kostenlosmentalität im Netz und neuen Geschäftsmodellen des Buchhandels in den Blick zu nehmen und auf ein erstes Forschungsergebnis zu verweisen.

In der jüngsten Ausgabe von „The Journal of Electronic Publishing“ (Vol. 13, No. 1, Winter 2010) ist dazu eine interessante Studie von John Hilton und David Wiley erschienen – beide Brigham Young University, Fakultät für Instructional Psychology and Technology. Sie trägt den Titel „The Short-Term Influence of Free Digital Versions of Books on Print Sales“ und weist eine Korrelation zwischen kostenlosen E-Books und höheren Erträgen in Form der verkauften Print-Ausgabe nach.

Untersucht wurden 41 Neuerscheinungen, die in gedruckter Form bis zu acht Wochen vor ihrer Bereitstellung als kostenloses E-Book auf den Markt kamen. Differenziert in vier Gruppen waren das im einzelnen 7 Titel aus dem Bereich Nonfiction, 5 aus dem Bereich Fiction, 5 des Verlags Random House und 24 des Verlags Tor Books. In allen Gruppen gab es nach Titeln positive wie negative Nettodifferenzen. Hier das Ergebnis nach Gesamtzahlen:

  Books sales 8 weeks before free digital release Books sales 8 weeks following free digital release Net difference (post sales–pre sales)

Sales of Nonfiction Titles

Total 639 662 34

Sales of Fiction Titles

Total 513 646 133

Sales of Random House Titles

Total 4949 5407 458

Sales of Tor Titles

Total 21,824 16,556 –5,268

Während in den ersten drei Gruppen eine positive Korrelation nachgewiesen werden konnte, fiel diese im Falle von Tor Books negativ aus. Nur 4 von 24 Titeln wiesen hier eine positive Nettodifferenz aus. Einen Erklärung dafür sehen die Autoren in dem spezifischen Modell von Tor, kostenlose E-Books bereitzustellen – nämlich nach Registrierung und nur für eine Woche. Darin unterschieden sich die Tor-Titel fundamental von allen anderen Titeln.

Die Autoren weisen darauf hin, dass die Ergebnisse ihrer Studie mit Umsicht zu betrachten sind. Generalisierende Aussagen seien auf Basis der zugrundeliegenden Zahlen ebenso wenig zu treffen, wie aus den Resultaten unmittelbare Kausalbeziehungen abgeleitet werden könnten. Dazu müssten in einer zukünftigen Untersuchung Faktoren einbezogen werden, die das Timning der kostenfreien E-Book-Veröffentlichung ins Verhältnis zu abgeleiteten Werbe- und Absatzzielen setzten, die das damit gewonnene Maß an Aufmerksamkeit jeweils in Relation zu Titel, Autor und Genre betrachteten sowie die generellen Unterschiede in Auflagenhöhe und digitaler Verbreitung nach Inhalten in einem sich gegenwärtig rasch verändernden E-Book-Markt analysierten.

Diese pragmatische Selbstzurücknahme im Forschungsergebnis gereicht den Autoren keineswegs zum Nachteil. Zu konstatieren ist: Während in Deutschland der allgegenwärtige Börsenverein noch über rechtspolitische Konditionen des Buchhandels im Digitalzeitalter lamentiert, ist man in den USA offenbar schon weiter. Dort stellt man sich neuen Herausforderungen in den Geschäftsmodellen bereits auf Forschungsebene.

PS: Zu Thanatos als schlechtem Berater für die Zukunft des Buchhandels siehe hier.

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