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Neues zu den ACTA-Geheimverhandlungen in Seoul

Michael Geist veröffentlichte vor einigen Tagen auf seinem Blog ein geleaktes Dokument der EU-Kommission. Es beinhaltet einen – von Beamten aus der Generaldirektion Handel erstellten – Bericht an die EU-Mitgliedsstaaten und informiert über die US-Disposition zu den  ACTA-Geheimverhandlungen in Seoul.

 Dem Bericht ist zu entnehmen, dass die Beamten am Rande von Gesprächen der EU–US International Property Rights (IPR) Working Group vom 22.–24. September in Washington von den US-amerikanischen Chefunterhändlern zu ACTA detailliert, mündlich (!) über die Verhandlungsposition für Seoul informiert wurden. Zentrales Thema war ein von US-Seite erstellter Textentwurf zum künftigen „Internet Chapter of ACTA“.

Dieses „Internet Chapter“ sieht vor, dass die ACTA-Staaten bei Urheberrechtverletzungen eine Haftung für Störer einführen und dort, wo diese nur begrenzte Wirksamkeit entfaltet, die Internet Service Provider (ISP) verpflichten, Vertragssperren für Nutzerinnen und Nutzer auf Basis der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) – unter anderem unter Zugrundelegung von Graduated Response (siehe hierzu unseren Bericht) – vorzusehen:

„On the limitations from 3rd party liability: to benefit from safe-harbours, ISPs need to put in place policies to deter unauthorised storage and transmission of IP infringing content (ex: clauses in customers‘ contracts allowing, inter alia, a graduated response). From what we understood, the US will not propose that authorities need to create such systems. Instead they require some self-regulation by ISPs.“

Nun ist uns ein weiteres – als “Limited” eingestuftes – EU-Dokument (674b-09 sowie Voranschreiben 674a-09 rev1) zugespielt worden. Es enthält eine zusammenfassende Analyse der Kommission zum US-Vorschlag „Special Requirements Related to the Enforcement of Intellectual Property Rights in the Digital Environment” für Seoul. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass dieses Dokument die Basis für die Verhandlungsposition der EU bildet, sie in dieser Verhandlungsrunde keinen Gegenvorschlag zum US-Entwurf unterbreiten wird und die EU-Auswertung nicht an die anderen ACTA-Verhandlungsstaaten weitergegeben wird.

Das Schreiben zeigt, wie weit der Vorschlag der USA geht, die den gesamten On- und Offlinebereich regulieren wollen. Zugleich stellt das Dokument dar, dass viele der vorgeschlagenen Regelungen nicht in die Systematik des europäischen Urheberrechts passen. Das Ergebnis der Verhandlungen ist noch nicht durchgedrungen – die Geschichte geht weiter.

4 Kommentare zu “Neues zu den ACTA-Geheimverhandlungen in Seoul”

  1. […] hinzugedacht werden. Angesichts des von der US-Administration eingeschlagenen Wegs (siehe unseren Bericht) scheint Hollywood in den von ihm selbst protegierten Absichten zu ACTA bereits jetzt […]

  2. […] totale Überwachung des Internet-Verkehrs und Zugangssperren bei Copyright-Verletzungen beinhaltet. Hier ein Artikel dazu auf dem Blog Digitale Linke und hier das betreffende Dokument […]

  3. […] auch eine Äußerung zu Internetsperren per Providerhaftung, wie sie derzeit im Rahmen der internationalen Geheimverhandlungen zu ACTA diskutiert werden : Wichtig ist es uns auch (und das wird besonders die Zuhörer aus der […]

  4. […] Bislang sieht das von den USA dazu vorgelegte „Internet Chapter“ vor, dass die ACTA-Staaten bei Urheberrechtverletzungen eine Haftung für Störer einführen und dort, wo diese nur begrenzte Wirksamkeit entfaltet, die Internet Service Provider (ISP) verpflichten, Vertragssperren für Nutzerinnen und Nutzer auf Basis der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) – unter anderem unter Zugrundelegung von Graduated Response – vorzusehen. (Siehe unseren Bericht.) […]