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Protokoll der TRIPS-Expertengruppe zu ACTA geleakt

Der Redaktion des Portals iRights liegt ein vertrauliches Protokoll einer Expertenrunde des TRIPS-Council vom 6. Februar vor, über das hier ausführlich berichtet wird. Die wichtigste Erkenntnis: die EU-Kommission hat angesichts der massiven Proteste in ganz Europa große Probleme, die Mitgliedsstaaten mit Argumenten für die weitere Ratifizierung des Abkommens zu versorgen. Viele Staatenvertreter berichteten, dass sie mit den Protesten kaum angemessen umgehen könnten. So zitiert iRights aus dem Protokoll:

Der Vertreter Österreichs teilte mit, man erhalte seit der Unterzeichnung eine Flut von Anfragen aus der Netzgemeinde, von Abgeordneten und Ministerien, und bat die EU-Kommission um Unterstützung. Man müsse die Gegner überzeugen und könne nicht einfach deren Argumentation mit dem Hinweis zurückweisen, sie hätten „keine Ahnung“. Auch Estland, Ungarn und die Niederlande baten die Kommission um bessere Informationen. Malta erklärte, dass auch dort „erheblicher Druck“ auf die Regierung ausgeübt werde. Rumänien bat die Kommission, die Regierungen bei der Ratifikation des ACTA-Abkommens zu unterstützen. 

Offensichtlich bricht die europäische Koalition der Willigen unter dem Druck der Proteste Stück für Stück auseinander. Es bleibt für die kommende Auseinandersetzung die Frage, welchen Stellenwert ACTA für die beteiligten Lobby- und Interessengruppen hat und ob Kommission, Lobby und Regierungen überhaupt noch zu einem Gegenschlag in der Lage sind. Mögliches Ziel der Industrie und der ACTA-Vertragsstaaten könnte sein, den Verhandlungsstand erstmal als internationalen Standard zu implementieren und Stück für Stück auf weitere Schwellenländer auszuweiten. China habe, wie Jordanien und Taiwan, Interesse an einem Beitritt signalisiert. Damit könnten sich Schwellenländer als attratktive Standorte für Unternehmen präsentieren, wenn deren IP-Rechte besser geschützt würden.

Die von der Industrie angestrebten Instrumente wie Internetsperren, DPI, Two- oder Three-Strikes-Modelle oder das Verbot von DRM-Umgehung könnten auch in andere Regelwerke der EU implementiert werden. ACTA ist dazu nicht zwingend notwendig. Vorschläge, das Internetkapitel aus ACTA herauszulösen, exisitieren bereits, etwa von Jimmy Schulz (FDP). Das würde  den Protesten die Spitze nehmen und einen wichtigen symbolischen Erfolg der Zivilgesellschaft bringen. Viele Grundprobleme der Debatte um so genanntes „Geistiges Eigentum“ sind damit nicht geklärt, auch nicht die Frage wie mit Immaterialgütern im globalen Maßstab bei einem starken Wohlstands- und Entwicklungsgefälle zwischen den industrialisierten und den Entwicklungsländern umzugehen. Um so wichtiger, ACTA jetzt insgesamt zu stoppen und den Debattenraum offen zu halten. Es geht um nicht weniger als die Frage, wie „Geistiges Eigentum“, also Immaterialgüter mit ihren spezifischen Eigenschaften zum Nutzen aller gestaltet und bewirtschaft werden können. 

 

Ein Kommentar zu “Protokoll der TRIPS-Expertengruppe zu ACTA geleakt”

  1. […] der vergangenen Woche tat sich einiges an der Front zur Urheberrechtsdurchsetzung. Protokolle aus internen Runden zeigten, wie hilflos Kommission und nationale Regierungen den Protesten gegen ACTA gegenüber stehen […]