DIGITALE LINKE
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ver.di, die UNI-MEI-Kampagne und das Urheberrecht

ver.di hat auf Fragen von Netzpolitik zum Charakter der umstrittenen Pressekonferenz „Diebstahl geistigen Eigentum im Netz: 5 vor 12 für die Kreativwirtschaft“ (wir berichteten) geantwortet. Demnach – und das ist ausdrücklich zu begrüßen – lehnt die Gewerkschaft Internetsperren für Nutzer oder Webseiten im Falle von Urheberrechtsdelikten ab, weil, so heißt es in der Antwort, damit immer auch die „Gefahr von Zensur“ bestehe.

Dennoch scheinen mit dieser Erklärung nicht alle Probleme behoben, erläutert ver.di doch zugleich, dass die Pressekonferenz im Kontext einer Kampagne der Internationalen Föderation der Gewerkschaften des Medien- und Unterhaltungssektors (UNI-MEI) stehe. Worauf ver.di jedoch nicht hinweist ist, dass Internetsperren Bestandteil des Forderungskatalogs dieser Kampagne sind. Dies geht aus einem im Netz stehenden 2-seitigen Papier „UNI MEI Global Union Campaign Against Digital Theft“ – so der offizielle Titel der Kampagne –, datiert „Brussels, 11 January 2010“, hervor. Darin wird das ganze Horrorszenario von Überwachung der übertragenen Inhalte auf Seiten der Provider über Bandbreitendrosselung bei Urheberrechtsverletzungen bis hin zu Internetsperren für Webseiten und Nutzer aufgeführt:

Internet Service Providers (ISPs) have a major role to play in working with rights holders to tackle the illegal distribution of content over their networks. Internet policies need to recognise the responsibility of ISPs and encourage cooperation with all stakeholders.

UNI MEI believes that Internet policies should target illegal businesses that are engaged in illegal distribution of copyright protected content and polices need to ensure that their distribution platforms can be blocked. However, the introduction of technical measures by ISPs for repeat infringers at the earliest feasible stage is also a necessary tool. This could include a reduction in bandwidth, the blocking of specific website content or, as a last resort for egregious offenders who ignore repeated warnings and the implementation of other technical measures, temporary suspension of internet access. Litigation against individual consumers should be considered only after other options, including technical measures, are exhausted.

Zu erklären ist diese Diskrepanz in der Positionierung von ver.di – einerseits Nein zu Internetsperren, anderseits Ja zur Diebeskampagne, die eben doch nichts anderes ist als der Bestandteil einer Creative Coalition Campaign für Internetsperren – durch unterschiedliche Strömungen innerhalb der Gewerkschaft selbst. Dabei scheinen die für das Urheberrecht und letztlich auch die Pressekonferenz Verantwortlichen immer noch im Analogzeitalter zu verharren und die progressiven Kräfte in ihren – gemessen an den Herausforderungen des Digitalzeitalters – für ver.di, aber auch die Gesellschaft insgesamt weitreichenden Entscheidungen nicht zu beteiligen. Hier täte inhaltliche und personelle Verjüngung künftig sicherlich ebenso gut wie fachbereichsübergreifende Diskussion.

Die Debatte um die Pressekonferenz bietet ver.di nun die Möglichkeit, die Diskussion über das Urheberrecht im Digitalzeitalter – wie hier gefordert – nicht nur zu führen, sondern auch überkommene Positionen zu revidieren und dem Digitalzeitalter nicht mehr angemessene Einstellungen zu modernisieren. Dazu muss ebenso die Disposition der Gewerkschaft zum Leistungsschutzrecht für Presseverlage auf den Tisch. Ein der Bundesregierung vorzulegender Vorschlag wird gegenwärtig – wie Kulturstaatsminister Neumann kürzlich im Ausschuss für Kultur und Medien des Bundestages bekanntgab – zwischen Verlegerverbänden (BDZV und VDZ) und Gewerkschaften (DJV und ver.di) hinter verschlossenen Türen verhandelt. Sollten über dieses, für die Kultur und Logik des Netzes so folgenreiche Gesetzesvorhaben dieselben Kräfte verhandeln, die die Pressekonferenz verursacht haben, so steht ver.di schon bald der nächste digitale Super-GAU bevor

Zum Schluss: Austritte aus der Gewerkschaft sind – zumindest gegenwärtig – fehl am Platz. Jetzt wird es erst interessant.

7 Kommentare zu “ver.di, die UNI-MEI-Kampagne und das Urheberrecht”

  1. ver.di, die UNI-MEI-Kampagne und das Urheberrecht…

    Von Juergen Scheele | Digitale Linke | – ver.di hat auf Fragen von Netzpolitik zum Charakter der umstrittenen Pressekonferenz „Diebstahl geistigen Eigentum im Netz: 5 vor 12 für die Kreativwirtschaft“ (wir berichteten) geantwortet. Demnach – und …

  2. […] heutige Pressekonferenz, zu der ver.di eingeladen hatte (wir berichteten hier und hier) offenbarte, dass ein neues Bündnis der Dienstleistungsgewerkschaft mit […]

  3. […] hier schon prognostiziert, dürfte insbesondere ver.di nun eine intensive Debatte über Netzpolitik und […]

  4. […] Der VS ist Mitgliedsverband des EWC. Letztere organisiert nach Eigenangaben 52 Schriftstellerorganisationen aus 28 europäischen Ländern und vertritt ca. 54.000 Autoren und literarische Übersetzer. Zugleich gehört der VS zum Bereich Kunst und Kultur in ver.di. Dieser war erst kürzlich durch seine Unterstützung der Forderung nach Internetsperren im Rahmen einer von der Internationalen Föderation der Gewerkschaften des Medien- und Unterhaltungssektors (UNI-MEI) zusammen mit der internationalen Medienindustrie geführten Kampagne zur Verschärfung des Urheberrechts hervorgetreten (siehe hier). […]

  5. […] zum Thema auch: – ver.di, die UNI-MEI-Kampagne und das Urheberrecht – Kein Bündnis von ver.di und […]

  6. […] Kultur in ver.di, stellt die Gewerkschaft einen von drei Vorstandssekretären der UNI-Europa. Die Verbindung zwischen ver.di und UNI-MEI in Urheberrechtsfragen hatte bereits für die umstrittene Pressekonferenz im Rahmen des „Welttags […]