DIGITALE LINKE
— Politik in der digitalen Welt! —
 

„Blog und twittern gehören irgendwie zu mir.“

„Mit Arsch in der Hose in den Bundestag“ war auf ihren Plakaten im Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg zu lesen. Über die Berliner Landesliste der LINKEN zog Halina Wawzyniak, bloggende Juristin und twitternde Parteivize, überraschend in das Parlament ein. Wir stellen ihr Fragen zu Web 2.0 im Wahlkampf und den Herausforderungen für Bürger- und Freiheitsrechte im Internet.

Frau Wawzyniak, erstmal herzlichen Glückwunsch zum Einzug in den Bundestag. Sie bloggen, twittern und haben das Web 2.0 ganz offensiv im Wahlkampf eingesetzt. Hat es genutzt?

Leider gibt es diesbezüglich wenig Untersuchungen. Aber meine persönliche Erfahrung zeigt mir, dass über das Web 2.0 ganz neue WählerInnen-Schichten erreicht werden konnten. Menschen, die der LINKEN eher skeptisch gegenüberstanden, haben sich gemeldet und nachgefragt oder Kommentare abgegeben.

Machen Eigeninitiativen wie gut besuchte Blogs große Plattformen wie abgeordnetenwatch.de überflüssig?

Ich denke nicht. Beim Blog –ähnlich auch bei twitter- können  die Themen selbst gesetzt werden und es wird das diskutiert, was einem oder einer selbst gefällt. Bei abgeordnetenwatch.de muss reagiert werden auf das, was BürgerInnen bewegt.

In Ihren Blog wawzyniak.de geben Sie auch Einblick in Ihr privates Leben. Wie waren die Reaktionen darauf – jetzt im Wahlkampf mit wahrscheinlich hohen Zugriffszahlen?

Na das richtig Private poste ich natürlich nicht. Aber es wird schon honoriert, wenn ich nicht nur politische Themen kommuniziere. Letztendlich geht es mir darum zu zeigen, dass Politik nur ein Teil meines Lebens ist und es deutlich mehr als Politik gibt.

Web 2.0 heißt ja vor allem mehrdirektionale Kommunikation. Kamen Sie über Blog und Twitter in den direkten Austausch mit Wählerinnen und Wählern?

Beim Blog gibt es ja die Kommentarfunktion und wenn ich darauf reagiere, komme ich durchaus in direkten Kontakt. Darüber hinaus bietet sich die Möglichkeit, dass Interessierte auch auf private Mails umsteigen können, wenn es ein ganz spezielles Problem gibt, welches nicht unbedingt öffentlich geklärt werden sollte.

Auch bei twitter gibt es die Möglichkeit der direkten Kommunikation – und sie wird heftig genutzt.

Wahrscheinlich jeder politische Blog hat mit Spamangriffen und beschimpfenden Kommentaren zu kämpfen. Wie gingen Sie und Ihr Team damit um?

Ich habe weitgehend alles veröffentlicht. Meist ist es so, dass der oder die beschimpfenden KommentatorInnen für sich selbst sprechen – im Regelfall nicht zum eigenen Vorteil.

Konnten Sie sich mit Ihren Webaktivitäten von Ihren GegenkandidatInnen absetzen? Immerhin war mit Björn Böhning ein SPD-Netzaktivist darunter.

Björn hat das Internet –soweit ich das nachvollziehen konnte- auch intensiv genutzt. Der Unterschied war hier wohl eher im Hinblick auf die ältere Generation zu sehen.

Wollen Sie Ihre Netzaktivitäten auch als Abgeordnete weiterführen und im Austausch mit Wählerinnen und Wählern bleiben?

Selbstverständlich. Ich will gern weiter twittern und meinen Blog betreiben. Blog und twittern gehören irgendwie zu mir.

Sie haben sich in der Vergangenheit für Bürger- und Freiheitsrechte stark gemacht. Wo sehen Sie Ihre Betätigungsfelder als Mitglied des Bundestages?

Ich habe im Vorfeld –als ich dachte ich komme nicht rein- immer gesagt, ich möchte in den Rechtsausschuss. Dazu stehe ich auch jetzt. Der Rechtsausschuss bietet die Möglichkeit sich sowohl für Bürger- und Freiheitsrechte einzusetzen als auch darauf zu achten, dass die soziale Balance in der Gesellschaft gewahrt bleibt.

In der kommenden Legislaturperiode werden Entscheidungen zur Reform des Urheberrechts in der digitalen Welt anstehen. Von den fast anarchistischen Positionen der Piratenpartei bis zur FDP, die sich mal als „Partei des Geistigen Eigentums“ bezeichnet hat, erklingt bereits jetzt ein vielstimmiges Konzert der Meinungen. In welche Richtung sollte die Debatte aus Ihrer Sicht gehen?

Auch wenn das jetzt etwas abgedroschen klingt, ich finde es sollte einen fairen Ausgleich zwischen UrheberInnen und NutzerInnen geben. Die Informationen im Netz sollten abrufbar sein, auch wenn man oder frau keinen dicken Geldbeutel hat. Andererseits müssen UrheberInnen auch von ihren Ideen leben können. Ich würde gern die Kulturflatrate als ein Mittel des Ausgleiches etablieren.

Das große Netzthema des letzten Jahres waren die Internetsperren der „Zensursula“ von der Leyen. Erwarten Sie hier Besserung von der FDP?

Die FDP hat im Vorfeld der Koalitionsverhandlungen den Mund ziemlich voll genommen. Ich bin gespannt, wie es am Ende der Verhandlungen aussieht. Vielleicht setzt die FDP die CDU aber in Bürgerrechtsfragen deutlicher unter Druck als die SPD. Insofern stirbt die Hoffnung zuletzt. Die FDP wird auf der anderen Seite allerdings sozialpolitisch richtig problematisch.

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg in Ihrer Arbeit!

2 Kommentare zu “„Blog und twittern gehören irgendwie zu mir.“”

  1. Berliner sagt:

    Erstaunlich viele Politiker haben zur Bundestagswahl getwittert.
    Ich finds gut!

  2. […] „Blog und twittern gehören irgendwie zu mir.“ DIGITALE LINKE – PeopleRank: 5 – 06.10.2009 …Björn Böhning ein SPD-Netzaktivist darunter. Björn hat das Internet –soweit ich das nachvollziehen konnte- auch intensiv genutzt. Der Unterschied war hier wohl eher im Hinblick auf die ältere Generation zu sehen. Wollen Sie Ihre Netzaktivitäten… Namen genannt : Halina Wawzyniak  + voten […]