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CDU/CSU-Urheberrechtspapier mit Plädoyer für Warnhinweise und Leistungsschutzrecht

In einem heute vorgestellten Diskussionspapier äußert sich die Unionsfraktion erstmals abgestimmt zwischen den verschiedenen Flügeln zum Urheberrecht. Diese werden von den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Krings und Kretschmer repräsentiert. Wir analysieren Fort- und Rückschritte im Vergleich zum Status quo:

Eher Fortschritt:

  • transformative Werknutzung, also Remixe und Mashups sollen als schützenswert im Urheberrecht verankert werden. Aber: zugleich sollen ServiceProvider anhand von Beispielen NutzerInnen über qualitative Remixe oder „stumpfe Kopien“ aufklären. Woher die ISPs das kulturwissenschaftliche Know-How nehmen sollen, ist uns völlig unklar.
  • Die derzeit zersplitterten, z.T. befristeten und nutzerundfreundlichen Schrankenregelungen für Bildung und Wissenschaft sollen zu einer Wissenschaftsschranke zusammengeführt werden. Dies entspricht auch linken Forderungen. Allerdings muss diese dann auch über den Gehalt der bisherigen Regelungen hinausgehen und Auswüchse, wie sie etwa im Vertrag über die Vergütung nach §53a zu verzeichnen sind, ausschließen. 
  • Abmahnverfahren sollen transparenter und weniger missbräuchlich gestaltet werden. Die Deckelungsobergrenzen für die Anwaltsgebühren sollen „weiterentwickelt“ werden. Aber: Streitwerte sollen weiter wie bisher nicht gedeckelt werden. Nutzerinnen und Nutzer sind damit weiterhin dem freien Spiel der Kräfte vor Gericht ausgesetzt, horrende Schadensersatzforderungen dürften weiter an der Tagesordnung bleiben. DIE LINKE hat auch hier klare Vorschläge in Form eines Gesetzentwurfs gemacht, die auch auf Gefallen bei der Bundesjustizministerin gestoßen sind.

Wenig zukunftsweisend:

  • Die Privatkopie soll erhalten bleiben, das Vorbot der Umgehung von Digital Rights Management (DRM) allerdings auch. Die Privatkopie bliebt damit auch angesichts der Maßnahmen gegen Streamingplattformen ein kaum duchzusetzendes Recht.
  • Die Ablehnung von Softwarepatenten ist und bleibt richtig.
  • Eine Verankerung des Zweitveröffentlichungsrechtes für wissenschaftliche Autorinnen und Autoren in Förderrichtlinien von öffentlichen Drittmittelgebern wie der DFG erscheint auf den ersten Blick wie ein kleiner Fortschritt, wird aber kaum Wirkungen entfalten. Denn es handelt sich dabei bestenfalls um eine Empfehlung. Wenn der Autor o. die Autorin weiterhin einen Text per Buyout an einen Verlag veräußern will, dann hat der Drittmittelgeber dagegen kaum eine Handhabe. Er wird es auch kaum prüfen. Eine gesetzliche Regelung, wir von der LINKEN vorgeschlagen, wäre demgegenüber deutlich durchsetzungsstärker. Zudem sollten Drittmittelgeber keine Zweitveröffentlichung erlauben, sondern eine Open-Access-Veröffentlichung zwingend vorschreiben. Dann wäre eine mögliche Verlagsveröffentlichung die Zweitverwertung.
  • Entgegen früherer Verlautbarungen unterstützt die Union nun nicht mehr den recht liberalen Vorschlag der EU-Kommission im Umgang mit verwaisten Werken, sondern strebt eine Lösung im Urheberwahrnehmungsrecht mit den Verwertungsgesellschaften als entscheidender Instanz an. Macht dieser Weg bei vergriffenen Werken noch einen gewissen Sinn,  scheint er bei verwaisten Werken als Anmaßung der Verwertungsgesellschaften.  Obwohl Urheber und Rechteinhaber nicht zu ermitteln sind, sollen die Verwertungsgesellschaften diese lizenzieren und sogar Nutzungsgebühren dafür verlangen dürfen. Sie können jedoch weder eine rechtssichere Lizenzierung durchführen noch eine Digitalisierung unterbinden, denn sie besitzen keinerlei Rechte an diesen Werken. DIE LINKE hat aus guten Gründen für eine Schrankenregelung plädiert und sieht sich darin durch den Vorschlag der EU-Kommission gestärkt.
  • Das Sperren von Internetanschlüssen einzelner (Three-Strikes) analog der Regelungen etwa in Frankreich soll nicht umgesetzt werden. Das hört sich gut an. Der Abgeordnete Kauder hat allerdings auch schon deutlich gemacht, welche Maßnahmen er nach wiederholtem Nichtbeachten von Warnhinweisen für angemessen hält. 

Verschlechterungen:

  •  Das Leistungsschutzrecht für Presseverlage soll die „kreative Leitung“ dieser angemessen schützen. Es soll auf die kommerzielle Nutzung von Verlagsleistungen beschränkt werden und Privatpersonen, Blogs und Vereine nicht berühren. In der Praxis wird solch eine Regelung jedoch fast alle betreffen, denn eine Unterscheidung in nichtkommerziell und kommerziell wird gesetzlich nicht trennscharf zu ziehen sein. Nur Links, aber keine Snippets, Überschriften o.ä. sollen ausgenommen werden. Faktisch ist damit ein Großteil der Webkommunikation, wie wir sie heute kennen etwa in sozialen Netzwerken und Aggregatoren, betroffen.
  • Internet Service Provider sollen einer einheitlichen Speicherfrist für IP-Daten unterworfen werden. Damit werden sie immer mehr zu Erfüllungsgehilfen der Rechteindustrie. Dies wird auch bestätigt, wenn die Union im Telemediengesetz die „Providerverantwortung“ stärken will.
  • Warnhinweise bei Urheberrechtsverletzungen werden als „Verbesserung des Verbraucherschutzes“ begrüßt. Wenn eine generelle Deep-Paket-Inspection abgelehnt wird, so heißt das wohl im Umkehrschluss auch, dass eine anlassbezogene DPI eben erlaubt und angemessen ist. Ob wir hier die „Stoppschilder“ der Ursula von der Leyen in neuer Auflage erleben, hängt von der konkreten Ausgestaltung ab.

Insgesamt: ein kaum sichtbarer Schritt für das Urheberrecht, aber ein großer für die Union. Der Durchmarsch der Hardliner um Kauder und Krings ist vorerst ausgeblieben, ein Sieg der liberalen Netzpolitiker allerdings auch. Was die Unionspolitiker mit den Warnhinweisen konkret vorhaben, muss man abwarten (Ideen haben sie bereits hier geäußert). Vieles bleibt im Papier auch zu vage. Die Fraktion muss zudem die Frage beantworten, ob dieses Papier nun ihr Statement für einen Dritten Korb noch in dieser Legislaturperiode ist. Oder schon ein Papier im Vorwahlkampf. Es soll am 26. Juni beschlossen werden.

3 Kommentare zu “CDU/CSU-Urheberrechtspapier mit Plädoyer für Warnhinweise und Leistungsschutzrecht”

  1. Frank sagt:

    Hinsichtlich der Abmahnkosten heißt es in dem Papier: „Eine Weiterentwicklung der Deckelungsregelungen in § 97a UrhG die eine Obergrenze für die Anwaltskosten bei Abmahnungen vorsieht, halten wir für richtig.“

  2. Tobias sagt:

    @Frank und es heißt weiter: „Eine pauschale Streitwertbegrenzung lehnen wir jedoch als nicht zielführend ab.“ Genauso habe ich es oben auch beschrieben.

  3. […] Insgesamt ist das über 15 Punkte ein recht interessanter Vorstoß aus den konservativen Reihen. In den Kommentaren und in Blogs wird das Papier überwiegend als Fortschritt und Schritt in die richtige Richtung gewertet. Besprochen wird es von Markus Beckedahl auf Netzpolitik und von anderen in vielen weiteren Blogs [2,3,4,5,6,7]. […]