DIGITALE LINKE
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Deutsche Bank gegen Leistungsschutzrecht

Nachdem der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sich kürzlich gegen ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger ausgesprochen hat (siehe hier), legt nun die Deutsche Bank nach. Deutsche Bank Research, verantwortlich für die volkswirtschaftliche Analyse in der Deutsche Bank Gruppe, schreibt in einem aktuellen Kommentar „Leistungsschutzrecht – mehr Schutz als Leistung!“:

Die Verlage klagen über entgangene Einnahmen durch die zunehmende virale Verbreitung ihrer Online-Inhalte vor allem durch Suchmaschinen und Plattformen der Sozialen Medien wie Microblogging-Diensten oder sonstige Blogsphären. Dabei sollte man eigentlich erwarten, dass ein Verlag gerade an der viralen Verbreitung seiner Inhalte interessiert ist. Hat publizieren nicht auch etwas mit Publicity zu tun? Kann der Verleger auf diese Weise nicht die Werbeeinnahmen aus seinem Internetauftritt erhöhen? […]

[…] Auch im Online-Verlagswesen kann mit Hilfe von neuen Instrumenten, wie Apps (Anwendungsprogramme für Smartphones oder portable Internet-Endgeräte), neuen Bezahlmodellen, E-Books sowie Onlinewerbung Geld verdient werden. Darüber hinaus können viele Unternehmen davon profitieren, dass sich Internet-Nutzer auf Sozialen Medien zunehmend freiwillig mit Marken bzw. Produkten und Dienstleistungen identifizieren. Daraus lassen sich neue Pull-Strategien in den Werbe- und Marketingabteilungen entwickeln, die durchaus Potenzial für Umsatzerhöhungen mit sich bringen.

Ja, zweifelsohne ist eine Anpassung des Rechtsrahmens für immaterielle Güter an eine digitale Welt dringend erforderlich. Dabei sollten aber nicht die Rechte der Verlagshäuser, also der Rechteverwerter gestärkt werden, sondern die Rechte des Urhebers. […]

Das geforderte Leistungsschutzrecht sorgt für eine künstliche Verknappung digitaler Inhalte. Der tiefe Einschnitt in die Informations- und Kommunikationsfreiheit wird die Anzahl zukünftiger Quellen für digitale Berichterstattungen und Nachrichten reduzieren. Ohne vertragliche Regelung, greift das Schutzrecht zusätzlich massiv in die Verwertungsbefugnis des Urhebers an seine eigenen Beiträge ein. Ein freier Journalist müsste bei Verwendung seines eigenen Artikels über einen weiteren Vertriebskanal stets den Presseverlag um Erlaubnis fragen oder eventuell Geld bezahlen – auch bei kleinsten Textauszügen. Die eingenommenen Gelder durch das Leistungsschutzrecht würden in erster Linie an die Verlage fließen und in geringerem Maße an die Urheber. […]

Betroffen von diesem zusätzlichen Schutzrecht sind aber nicht nur angestellte Journalisten, freischaffende Autoren oder Blogger. Die Mehrkosten müssen auch von Konzernen wie Versicherungen, Beratungsunternehmen, Kanzleien und natürlich auch Banken getragen werden. Quasi jeder, der tagesaktuelle oder sonstige Hintergrundinformationen für seine Geschäftszwecke benötigt oder interpretiert, wird zur Kasse gebeten. Die Unternehmen zahlen bereits für vergütungspflichtige Informationsdienste, Zeitungs- und Zeitschriftenabonnements, sowie diverse Pressespiegeldienste. Die Durchsetzung des Leistungsschutzrechtes würde dann zu einer mehrfachen Bezahlung derselben (Informations-)Leistung führen. […]

[…] Die Verlagshäuser stehen mit ihren Geschäftsmodellen insbesondere im Onlinebereich vor enormen Herausforderungen, dem (digitalen) Strukturwandel strategisch entgegenzutreten. Allerdings ist es nicht Aufgabe des Staates, in einem sich wandelnden Geschäftsfeld durch Rechtsakt die Pfründe der Etablierten zu sichern. Ein Nachfragerückgang ist bei weitem noch kein Marktversagen, welches die Forderung eines Leistungsschutzrechts nachvollziehbarer machen würde. Auch die von den Verlagen beschworene Rechtsschutzlücke ist nicht gegeben.

Während Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel-Springer AG, lediglich in direkten Staatshilfen für Medienunternehmen einen „unverzeihlichen Tabubruch“ (Interview vom 22.04.2009) erblicken kann, in der Errichtung eines Leistungsschutzrechts hingegen keinerlei Staatsinterventionismus am Werke sieht, betrachtet Deutsche Bank Research den Ruf nach staatlicher Regulierung als Mißbrauch des Marktsystems. In letzterem passten sich Geschäftsmodelle an den Wandel an und nicht umgekehrt.

Deutsche Bank Research vs. Zeitungsverleger spiegelt demnach einen interessanten Konflikt zwischen unterschiedlichen Kapitalfraktionen wider. Der volkswirtschaftliche Think Tank der Deutschen Bank richtet dabei seinen nüchtern rationalen Blick auf die potentiellen Wachstumspole im digitalen Kapitalismus. Wie die beiden jüngsten Analysen aus dem selben Hause – „Der Pirat in uns. In den Tiefen des Urheberrechts“ (16.07.2010), „Verlage im Umbruch: Digitalisierung mischt Karten neu“ (30.09.2010) – belegen, ist er darin ziemlich unerbittlich gegenüber den im Analogzeitalter stehengebliebenen Teilen der Medienindustrie.

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