DIGITALE LINKE
— Politik in der digitalen Welt! —
 

Die Ängste des Bürgertums: Hamburgs Justizsenator fordert eine Lex Google Street View

Der grüne Hamburger Justizsenator Till Steffen fordert „gesetzlich bindende“ Regeln zum Abfilmen von Häusern und Straßen. In einer Pressemitteilung der Justizbehörde hieß es gestern, dass Hamburg eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes starten wolle, um die Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch Google Street View und andere private Anbieter zu unterbinden. Demnach sind Gesichter und KFZ-Kennzeichen in Abbildungen unkenntlich zu machen, sind die nicht-anonymisierten Rohdaten innerhalb eines Monats zu löschen, müssen Aufnahmen vorab angekündigt werden und haben abgebildete Personen wahlweise auch ein Recht darauf, dass auch die gesamte Statur und Kleidung unkenntlich gemacht wird oder ihre Bilder vollständig entfernt werden.

Pikant am Forderungskatalog ist, dass auch Hauseigentümer und Mieter „ein uneingeschränktes Widerspruchsrecht gegen die Abbildung des Gebäudes und damit Schutz vor Missbrauch“ haben sollen. Thomas Wiegold weist in seinem Blog zu Recht daraufhin, dass damit kurzerhand die Panoramafreiheit ausgehebelt würde:

Leider gibt es über die Presseerklärung von Steffen hinaus noch keinen Wortlaut dieser Gesetzesinitiative (jedenfalls habe ich keinen gefunden). Da bin ich nämlich auf die Wort- und Gesetzesakrobatik gespannt, mit der diese Lex Google Street View allgemeingültig wird – oder eben auch nicht. Denn wie wollen die Juristen andere Unternehmen davon ausnehmen? Was verhindert, dass nicht Online-Medien genau dem Zwang unterliegen, Fotos von Gebäuden oder auf Straßenszenen abgebildeten Personen zu löschen?

Natürlich kann man (hat man das vor?) ins Gesetz schreiben, dass Presse, Fernsehen, Redaktionen von diesen Regelungen nicht betroffen sind. Die Grenzgebiete werden spannend. Eine Fotoagentur, die sich auf Stadtansichten spezialisiert – muss die jetzt bei jedem Motiv fürchten, dass ein Hausbesitzer oder eine Hamburgerin im falschen Kostümchen (Hauptsache dunkelblau) die Löschung der Bilddatei verlangt? Das Filmteam, dass für einen Imagefilm einen Rundblick durch den Hafen dreht – muss das bei jedem Schiffsmakler nachfragen, ob dieses Bildchen auch genehm ist?

Die Initiative Steffens bedient die Angst des Bürgertums vor dem Verlust des Eigentums. Immer wieder wird in der Debatte um Google Street View die Befürchtung geäußert, Einbrecher könnten ohne großen Aufwand mit Hilfe des Dienstes potentielle Ziele ausspähen. Nun soll das Recht auf Eigentum quasi modernisiert werden: Es soll andere nicht nur sachlich vom Zugang ausschließen, sondern auch bildlich.

Zugleich würde in den sich im Digitalzeitalter verändernden „Kartografien der Macht“ (Rainer Rilling) – jetzt in Form digitaler Texte und Bilder – ein deutscher Sonderweg begründet. Denn Kartenkonfigurationen bedingen immer auch neue Formen der Ökonomisierung. Deutschland würde sich demnach von einer Entwicklung abkoppeln, die ohnehin bevorsteht. Ein kritisches Gegenprojekt dazu kann übrigens nicht in Verweigerung bestehen, sondern in Countermapping.

Ein Kommentar zu “Die Ängste des Bürgertums: Hamburgs Justizsenator fordert eine Lex Google Street View”

  1. […] einigen Tagen ging die Ankündigung des Hamburger Justizsenators Till Steffen durchs Netz, eine Änderung des Bundestageschutzgesetzes […]