DIGITALE LINKE
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„Die Tür ins Freie“ – Lukrezia Jochimsen über Kultur und Netz

Lukrezia Jochimsen, kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, hat für den 11. Band des Jahrbuches für Kulturpolitik einen Beitrag über die Potenziale des Netzes für Kreative und Kulturschaffende verfasst. Das Jahrbuch vereint vor allem die Beiträge des Kulturpolitischen Kongresses „Netz macht Kultur“ vom Mai 2011.

In ihrem Beitrag (pdf) bezieht sich Jochimsen auf das kürzlich beschlossene Parteiprogramm der LINKEN, das die Potenziale des Netzes für Gegenöffentlichkeiten, für Selbstorganisation und für alternative Wirtschaftsmodelle hervorhob. Die Entwicklung dieser Potenziale müsste durch die Politik unterstützt werden:

Was sich hier andeutet an Möglichkeiten zur Teilhabe und selbstbestimmten Entwicklung aller, an Chancen für Demokratie, Freiheit und Selbstbestimmung, das weist über die bestehende Gesellschaft hinaus. Das kann eine Tür ins Freie sein. Wir als Linke halten an der Vision einer Gesellschaft fest, in der die freie und gleiche Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist. Die Weichen dafür, ob das Netz seinen Teil dazu beitragen kann, dieser Vision ein Stück näher zu kommen, werden jetzt gestellt.

Jene, die sich von dieser Entwicklung bedroht fühlen, die auf eine Verschärfung des Urheberrechts zum Schutz des geistigen Eigentums drängen, eine patriarchal gedachte Verbots- und Bewahrpädagogik pflegen und sich an vermeintlich ubiquitär erforderlichen staatlichen Sicherheits- und Kontrollbefugnissen orientieren, wollen dasNetz nach ihren Vorstellungen formen – zur Durchsetzung von technischen und juristischen Kontroll- und Eigentumstiteln. DIE LINKE tritt dementgegen für die Offenheit des Netzes, für die Vielfalt der Netze und für kulturelle Vielfalt ein. (Zitat vom Schluss des Textes)

Eine wichtige Frage für die Kulturpolitikerin bleibt natürlich die nach der Lage von Kreativen unter den Bedingungen der Digitalisierung. Dabei macht sie sich auch Gedanken über das Urheberrecht und seine Durchsetzung.

In einer Gesellschaft, die auf der Marktwirtschaft und der Ware-Geld- Beziehung beruht, ist meiner Auffassung nach ein funktionierendes Urheberrecht unverzichtbar. Es muss dann allerdings auch den Anspruch einlösen, die Urheber angemessen an der wirtschaftlichen Verwertung ihrer Leistungen zu beteiligen. Diesem Anspruch wird es derzeit nicht gerecht, deshalb setzen wir uns für eine grundlegende Reform des Urheberrechts ein. Das geltende Urheberrecht stößt im Zeitalter der Digitalisierung an Grenzen.

Jochimsen spricht sich eindeutig gegen Sperren und Warnhinweise und für eine rechtliche Stärkung der Kreativen gegen die Verwerter bei weiterer Öffnung des Zugangs zu Kulturgütern aus.

Ein modernes Urheberrecht soll unserer Auffassung nach zum einen die Urheberinnen und Urheber in ihren Ansprüchen gegenüber den Verwertern stärken, zum anderen den Zugang zu Wissen und Information zum größtmöglichen gesellschaftlichen Vorteil regeln. Es muss zeitgemäß zwischen Urheber-, Nutzer- und Verwerter-Interessen vermitteln. 

Die Entwicklung neuer Vergütungsmodelle soll vorangetrieben werden, namentlich etwa die Kulturwertmark und Micropaymentkonzepte.

Über das Urheberrecht hinaus sieht Jochimsen große Chancen für eine „Digitalisierung als Demokratisierung der Kultur.“ Die Kultureinrichtungen seien hier viel schneller gewesen und die Kulturpolitik in der „Bringschuld“ – etwa mit ubürokratischen Regelungen für die Digitalisierung verwaister Werke aus Bibliotheken und Archiven. Und sie plädiert für mehr Optimismus angesichts sich rapide wandelnder Bedingungen im Kulturbetrieb:

Den einsamen Künstler im Atelier gibt es zwar auch heute noch, insgesamt aber ist Kulturproduktion ein hochkomplexer arbeitsteiliger Prozess mit vielen Akteuren im öffentlichen, frei-gemeinnützigen und privaten Sektor – von Alleinselbständigen und kleinen Warenproduzenten bis zur großen Industrie. Das können und wollen nicht alles die User alleine machen und das kann auch der ebenfalls wachsende Sektor nichtkommerzieller Kultur- und Wissensproduktion (mit aktueller, oft freier Software, Blogs, Wikis, Fotoportalen u. a.) nicht alleine leisten. Dieser nichtkommerzielle Sektor verdient unsere besondere Aufmerksamkeit und auch unsere Förderung, sollte aber keineswegs überschätzt werden. Er tritt neben die bestehenden Formen kultureller Arbeit und professioneller Kunstproduktion, ersetzt sie aber nicht. Auch die privaten Produzenten und Dienstleister sind gegenwärtig dabei, ihre Rolle neu zu bestimmen. Wir als Politiker/innen sind gefordert, sie dabei zu unterstützen. Also: Kein Grund für Untergangsstimmung. 

 

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