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Erpresste Wahrheit: Wie Springers Welt über Springers Interessen berichtet

Am Mittwoch abend fand in den Räumen der Berliner Heinrich-Böll-Stiftung die Veranstaltung „Gottes Werk und Googles Beitrag“ statt. Thema war das von den Zeitungsverlegern – insonderheit der Axel Springer AG – geforderte Leistungsschutzrecht für Verlage. Darüber berichtete gestern Springer-Redakteur Ulrich Clauss in der „Welt“ unter dem Titel „Die Kostenlos-Kultur des Internets kann teuer kommen“.

In seinem Beitrag behauptet er:

„Gestritten wird vor allem um die Vorleistungen der Verlage, die es dem Weltmarktführer und Quasi-Monopolisten Google überhaupt erst ermöglichen, mit seiner Suchmaschine exorbitante Anzeigenumsätze zu generieren. 20 Milliarden Euro sind das pro Jahr allein in der Bundesrepublik Deutschland – dagegen bringen es die deutschen Zeitungsverlage auf gerade einmal 160 Millionen Euro Anzeigenumsatz im gleichen Zeitraum.“

Daran ist zweierlei falsch: Erstens sind es nicht vor allem die Vorleistungen der Verlage, die es Google überhaupt erst ermöglichen, mit einer Suchmaschine exorbitante Anzeigenumsätze zu generieren. Die Nachrichtensuche bildet nur einen geringen Teil gemessen am gesamten Suchaufkommen von Google. Zudem ist Google News in Deutschland werbefrei.

Zweitens hatte Christoph Keese, Konzerngeschäftsführer Public Affairs der Axel Springer AG, auf der Veranstaltung den Vergleich der Anzeigenumsätze gezogen. Er sprach aber nicht von 20 Milliarden, sondern von 2 Milliarden Euro. Die Frage, welcher Anteil von diesen 2 Milliarden auf die Nachrichtensuche von Google entfalle, konnte er nicht beantworten.

Qualitätsjournalistische Maßstäbe setzend sind auch Clauss’ einleitende Worte:

„So langsam dämmert es auch dem Gelegenheitsautor, dass die Kostenlos-Kultur des Internets sehr wohl ihren Preis hat – mitunter beläuft sich dieser nämlich auf genau die Höhe seines – nicht gezahlten – Honorars.“

Das hat auf der Veranstaltung nun niemand behauptet. Es ist ganz offenkundig erpreßte Wahrheit. Zudem eine mit eigentümlicher Logik: Denn entweder will uns der Autor sagen, der Preis eines kostenlosen Kulturguts im Netz ist gleich Null. Dann ist die Aussage trivial. Oder aber er teilt uns mit, die Differenz aus möglichen Erträgen und tatsächlich erzielten Erträgen der Verleger ist gleich dem für die Online-Nutzung nicht gezahlten Autorenhonorar. Dann wäre ein den Verlagen zukommendes Leistungsschutzrecht unsinnig. Zudem wäre die Forderung selbst ökonomisch irrational. Denn: Mitunter müßten die Verleger die Erträge aus Leistungsschutzrechten als Grenzkosten für die zusätzliche, kostenfreie Nutzung ihres Produktes im Netz vollständig an die Autoren weiterreichen.

Eine Dokumentation der Veranstaltung findet sich bei Carta.

2 Kommentare zu “Erpresste Wahrheit: Wie Springers Welt über Springers Interessen berichtet”

  1. Peter sagt:

    Muss es nicht heißen: Die Verlage müssen die Einnahmen aus Leistungsschutzrechten an dei Autoren weiterreichen?

  2. Juergen Scheele sagt:

    @Peter: Stimmt, es ist missverständlich formuliert. Ich habe es jetzt wie folgt korrigiert: „Mitunter müßten die Verleger die Erträge aus Leistungsschutzrechten als Grenzkosten für … an die Autoren weiterreichen.“