DIGITALE LINKE
— Politik in der digitalen Welt! —
 

Gehört Werbung im Rundfunk mittlerweile zur Grundversorgung?

Kurt Beck hatte vorgeschlagen, ARD und ZDF zum 1. Januar 2017 werbefrei zu machen. Dafür kritisieren ihn die Geschäftsführer der Werbetöchter von ARD und ZDF. Für Bernhard Cromm, den  Geschäftsführer der ARD-Werbung SALES & SERVICES sind Werbeverbote „Gift für die Konjunktur.“ Und Hans-Joachim Strauch, der Geschäftsführer der ZDF Werbefernsehen GmbH, sagt:

„Die Behauptung, dass ein Verbot von Werbung den privaten Medienunternehmen zugute käme, ist zudem durch das französische Modell hinreichend widerlegt.“

Letztes Jahr erschien sogar ein Gutachten (Kurzfassung), dass ein vollständiges Verbot von Werbung und Sponsoring im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Fernsehen ein Verstoß gegen die Grundrechte der Meinungsfreiheit und der Berufsfreiheit Werbung treibender Unternehmen wäre, so der Medien- und Verfassungsjurist Prof. Dr. Hans-Peter Schneider (Universität Hannover).

Schneider meint, dass sich die Zielgruppen der öffentlich-rechtlichen und der privaten Kanäle so eindeutig unterscheiden, dass von abgrenzbaren „Teilwerbemärkten“ gesprochen werden könne. Der Zugang zum Teilwerbemarkt der Öffentlich-Rechtlichen müsse offen gehalten werden, da ansonsten ein Monopol der Privatsender entsteht, das ordnungspolitische und verfassungs-rechtliche Bedenken aufwirft. Wirtschaftswerbung sei ein Element freier Kommunikation im wirtschaftlichen Bereich und werde von der Meinungsfreiheit nach Artikel 5 des Grundgesetzes  geschützt.

„Daraus kann ein Recht auf Nutzung des Rundfunks zwecks Erreichen bestimmter Zielgruppen von Zuhörern und Zuschauern auf einem Werbemarkt abgeleitet werden, bei dem der öffentlich-rechtliche Rundfunk als Medium ein Monopol hat“, so Schneider.

Nun, hat Rundfunk nicht zuallererst die Aufgabe der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung zu dienen? Seit wann ist es seine Aufgabe, Werbung an bestimmte Zielgruppen zu verkaufen? Soll Rundfunk nicht möglichst unabhängig von den Interessen Dritter, von fremden Erwägungen sein? Zudem hängt der Zugang zu den Zielgruppen, wenn man ihn über Werbung erreichen will, vor allem vom Geld ab. Wer viel Geld hat kann also oft viele erreichen. Die Ungleichheit würde so gerade verstärkt, Oligopole geschützt.

Markenverbandspräsident Franz-Peter Falke bestritt bei der Vorstellung des Gutachtens im Juli 2009 in Berlin, dass Werbung im öffentlich-rechtlichen Bereich zur Verflachung der Programme führe:

.„Die öffentlich-rechtlichen Sender bleiben für die Werbung treibende Wirtschaft nur dann interessant, wenn sie sich in ihrer Programmgestaltung erkennbar von den Privaten unterscheiden“, so Falke.

Doch haben ARD und ZDF nicht immer wieder am Vorabend versucht, die Zielgruppen der Privaten zu erreichen? Ja, unterscheiden sich denn die Nutzergruppen am Vorabend – ARD und ZDF dürfen im Fernsehen nur zwischen 17 und 20 Uhr werben – so relevant? Es geht nicht um unterschiedliche Publika, es geht um die Größenordnung an Publika, die man erreichen kann.  Dafür brauchen die Werbefirmen ARD und ZDF. Wenn man den gleichen Spot an eine größere Zielgruppe vermitteln kann, bleibt mehr bei der Firma hängen. So einfach ist das. Da bedarf es nicht solcher Erklärungen, wie sie Falke gibt:

„Das grundsätzlich legitime öffentliche Interesse, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht in Abhängigkeit von Wirtschaftsinteressen geraten oder deren Programm auf Massenattraktivität ausgerichtet werde, könne durch eine Vielzahl anderer, weniger einschneidender und die Werbefreiheit der Unternehmen geringer belastender Maßnahmen erreicht werden.“

Doch wie soll das gehen? Welche Maßnahmen sind dies denn? Und: Ist Werbung ein Kulturgut? Gehört Werbung zur informationellen Grundversorgung? Hat Werbung ein Anrecht auf einen Platz im Rundfunk? Die öffentlich-rechtlichen Werbetöchter haben diese Frage für sich beantwortet. Ihre Antwort ist klar. Denn es geht um ihre Existenz. Wie es auch um die Existenz anderer Werbefirmen geht.

Keine Kommentare mölich.