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Grüne verteidigen Netzpolitik auch am Hindukusch

Gestern wurde ein Antrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Internet-Telefonie in Afghanistan“ veröffentlicht (PDF: BT Drs 17/5908), dessen Wortlaut wir hier vollständig wiedergeben:

Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf, allen Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan noch in diesem Jahr Internet-Telefonie zu ermöglichen.

Oft enthalten derlei Anträge sogenannte Feststellungsteile oder Begründungen, die die Intention des Antrags und den Inhalt näher erläutern. Nicht in diesem Fall, hier greift wohl die Geheimhaltung. So fragt sich der unbedarfte Netizen an der Heimatfront nach einem ersten Querlesen: Ja, werden denn Feldpostbriefe immer noch mit Eselskarawanen aus den Kampfgebieten transportiert? Sind die Taliban mit ihren batteriebetriebenen Satellitentelefonen der Bundeswehr etwa kommunikationstechnisch überlegen?
Wohl kaum.

Da muss etwas anderes hinter dem Antrag stecken. Im Wissen um die netzpolitische Kompetenz der Kollegen fragt sich also das solidarisch-moderne Herz, was denn nun gemeint sein könnte…

Gemeinhin meint „Internet-Telefonie“ das Telefonieren über Computer-Netzwerke. Soll nun also flächendeckend Glasfaser an den Hindukusch verlegt werden? Oder die Breitband-Initiative nach Afghanistan ausgeweitet werden? LTE-Netze erst nach Kandahar und dann ins Allgäu? Ziviler Aufbau statt Krieg? Warum aber nur für die Bundeswehr und nicht für die afghanische Bevölkerung? Wäre ja mal was.

Allerdings, gibt das öko-soziale Gewissen zu bedenken, ist ja erst jüngst darauf hingewiesen worden, dass der rasante Anstieg der Internetnutzung massiv Energie verbaucht. Wenn nun die deutschen Truppen diesem Trend Vorschub leisten, muss die Frage erlaubt sein, ob dies nicht mit einer Nachhaltigkeitstrategie zu verbinden wäre. Vielleicht so: „Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf, allen Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr und der Bevölkerung in Afghanistan noch in diesem Jahr klimaneutrale Internet-Telefonie zu ermöglichen.“

Was aber könnte der Mehrwert von Internet-Telefonie gegenüber Handys, Satelliten- und Drahtfernsprechern sein? Etwa Sprachqualität? Die wird erst durch Datenpriorisierung in den Bereich anderer Übertragungstechniken kommen. Das aber wäre ein Eingriff in die Netzneutralität, die auch von den Grünen zurecht abgelehnt wird. Oder soll Whistleblowern wie dem in den USA inhaftierten Bradley Manning die Informationsübertragung erleichtert werden?

Für gewöhnlich wohl unterrichtete Kreise berichten, dass der Antrag fraktionsintern „Skype-Antrag“ genannt wird. Das wiederum könnte einen Hinweis auf die Intention des Antrags liefern. Skype bietet gerade für den Kontakt in die ferne Heimat gegenüber herkömmlicher Technik den großen Vorteil der Videotelefonie. Dieser Kitt vieler Fernbeziehungen ist unbestritten etwas, was dem Wohle der Soldatinnen und Soldaten zuträglich ist.

Solch Fürsorge, die wir nur wohlwollend vermuten können, ist nichts Schlechtes (wobei die Frage bleibt, ob die nötigen Bandbreiten für ganze Feldlager technisch realisierbar sind). Und sei sie nur für die Zeit notwendig, die selbst der von der LINKEN geforderte sofortige Abzug aus Afghanistan noch benötigt. Dieser Forderung wiederum nähert sich die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen momentan aber nicht an.

5 Kommentare zu “Grüne verteidigen Netzpolitik auch am Hindukusch”

  1. huxi sagt:

    Man sollte auch nicht vergessen, dass Skype abgehört werden kann.

    Siehe dazu http://techliberation.com/2008/07/26/skype-back-door/ und den verlinkten report http://www.blackhat.com/presentations/bh-europe-06/bh-eu-06-biondi/bh-eu-06-biondi-up.pdf – dort Seite 88/98.

    Die Gerüchte halten sich beharrlich, dass diese Möglichkeit von Skype als Dienstleistung an Regierungen verkauft wird…..

  2. JoernPL sagt:

    nach Lektüre dieses Artikels stellt man sich die Frage, welche Kommunikationskanäle sich die Linken denn wünschen? Dosentelefone? Die deutschen Soldatinnen und Soldaten nicht mit ihren Angehörigen kommunizieren zu lassen, obwohl dies sämtliche andere am Einsatz beteiligte Länder (inkl. USA) tun, ist aber natürlich auch nen Weg, die Truppe zu zersetzen und so dem Ziel eines sofortigen Abzugs aus Afghanistan näher zu kommen. Aber im Ernst, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wenn ihr sonst keine Kritik an unserer Netzpolitik habt, können wir mit derartigen Artikeln, auch wenn sie noch so dünn sind, sehr gut leben 😉

  3. Joerg Braun sagt:

    Wie im Artikel geschrieben, ist uns das vermutete Ansinnen doch gar nicht unsympathisch.

  4. JoernPL sagt:

    dann verstehe ich den ganzen Artikel nicht…naja, ist ja bald Wochenende!

  5. Hieronymo sagt:

    Ströbele hat kürzlich gesagt, mit dem unfreiwilligen Tod Bin Ladens sei der Interventionsgrund entfallen. Die Grünen Außen- und Netzpolitiker aber sind weiter auf Kriegspfad!