Kurz vor Beginn der Sommerpause beriet der Bundestag auch noch den Antrag der Linksfraktion, das Urheberrecht umfassend zu reformieren (wir berichteten). Die Rede von Petra Sitte zu dem von ihr federführend eingebrachten Antrag ist auf ihrer Homepage nachzulesen und zeigt nochmal schlaglichtartig die Absurditäten des bestehenden Systems auf.
Das Protokoll der Debatte liegt mittlerweile vor (PDF, ab S. 249), wir kommentieren hier in Auszügen die Reaktionen der anderen Fraktionen auf den Antrag:
Ansgar Heveling (CDU) gibt alles, um den Antrag schlecht zu reden. Die von der LINKEN geforderte „Einführung unabdingbarer und von Verbotsrechten unabhängiger gesetzlicher Vergütungsansprüche“, die dazu führen würde, dass professionelle Urheber_innen bei jeder kommerziellen Nutzung verdienen könnten, ist für ihn gleichzusetzen mit der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes und das alles tut er als „Wiedereinführung des real existierenden Sozialismus für die Kulturwirtschaft“ ab.
Weiter lehnt er die Kulturflatrate ab, die von der Linksfraktion aber gar nicht gefordert wird (wohl aber ihre unvoreingenommene Prüfung), und die gesetzliche Klärung dessen, was angemessene Vergütungen für Kreative sind, weil das dem freien Spiel der verhandelnden Kräfte überlassen werden soll. Mit letztem Punkt ignoriert er wissentlich die schwache Stellung der Kreativen gegenüber den Verwertern und zeigt mit der Absage an Mindestlohn und unabdingbaren Vergütungsanspruch, wofür er kämpft: Die Interessen der Verwerter. Also keine Überraschungen bei der CDU.
Burkhard Lischka traut sich für die SPD in der Bundestagsdebatte beim Urheberrecht weniger als seine Kolleg_innen in der Internet-Enquete. Wie Heveling interpretiert er den von der LINKEN geforderten Interessenausgleich zwischen Urheber_innen und Nutzer_innen als eine Benachteiligung der Kreativen, auch wenn er einzelne Punkte wie die von Heveling kritisierte gesetzliche Klärung der angemessenen Vergütung für diskussionswürdig ansieht. Aber Schutzfristverkürzungen und weitere Nutzerrechte will er nicht.
Er fordert ein starkes Urheberrecht gerade in der digitalen Gesellschaft. Wie das aussehen soll, erklärt er nur anhand einzelner Aspekte: Keine Netzsperren, keine flächendeckende Überwachung, Regelung für verwaiste Werke, Zweitverwertungsrecht für Wissenschaftler und Eindämmung der Abmahnungsmassen sind von Lischka genannte Stichpunkte. All das fordert auch die LINKE.
Die schönste Rede aus den Reihen der anderen zum Thema kommt von Jimmy Schulz (FDP). Er nutzt die Gelegenheit in Opposition zu seiner Parteikollegin, der Justizministerin, mal wieder gegen das Leistungschutzrecht für Presseverlage zu sein, pocht auf den aktuell fehlenden Interessenausgleich zwischen Urheber_innen und Nutzer_innen, will überkommene Geschäftsmodelle der Verwerter nicht schützen (und sieht künftig sowieso „nur sehr eingeschränkt Bedarf für die Mittelmänner“) und fordert durchsetzungsfähige Regelungen für die angemessene Vergütung. Wäre da nicht mehrfach das liberale Mantra, dass das alles möglichst kaum vom Staat zu regeln sei, die ersten drei Viertel seiner Rede wären geeignet, für den LINKEN-Antrag zu plädieren. Und immerhin findet er „durchaus im vorliegenden Antrag auch Ansätze und Ideen, die diskussionswürdig sind“.
Zustimmen mag er aber dennoch nicht, die Kritik am bestehenden System ist ihm bei den LINKEN zu überzeichnet. Um das zu beweisen, verkürzt er Zitate aus dem Antrag, damit sie den von ihm kritisierten Effekt bekommen. Schulz hält der LINKEN zum Beispiel entgegen: „Natürlich fällt nicht ‚jede Meinungsäußeung im Netz‘ unter das Urheberrecht.“ Das hat die LINKE auch nie behauptet. Sie schreibt in ihrem Antrag: „[J]ede Meinungsäußerung [fällt] im Netz durch deren öffentlichen Charakter POTENTIELL unter das Urheberrecht, da sie einer Publikation gleich kommt.“
Konstantin von Notz hält die genannten Eckpunkte für unzureichend, verschweigt aber, dass er, die Grünen und insbesondere deren Sachverständige den dem Antrag zugrunde liegenden Handlungsempfehlungen in der Internet-Enquete in weiten Teilen zugestimmt haben. Er fordert zurecht eine umfassende Open-Access-Strategie, übersieht aber, dass dies weit mehr als eine Reform des Urheberrechts braucht, das Thema des zur Diskussion stehenden LINKEN-Antrags also übersteigt, der Stichworte hierfür durchaus enthält.
Von Notz fordert eine deutliche Reduzierung der urheberrechtlichen Schutzfristen, erwähnt aber besser nicht, dass diese Forderung nicht überall in seiner Partei auf Gegenliebe stößt und momentan auf Parteienebene nur die LINKE für ihn in dieser Sache Bündnispartnerin sein könnte. Als Stärkung der Urheber_innen fällt ihm nur die grüne Variante der Kulturflatrate ein, also die verpflichtende Einführung einer Pauschalabgabe für die Nutzung kultureller Güter und deren Ausschüttung an die Kreativen nach einer nicht näher bestimmten Methode. Ob das durchdacht ist?