Turn Piracy into profit – mit diesem Slogan hat die berühmt-berüchtigte Firma Digiprotect vor einiger Zeit um Kunden geworben. Und vorgerechnet, dass es für Inhaber von Urheberrechten viel lukrativer ist, Verbraucher mit Abmahnungen zu verfolgen als sich funktionierende Geschäftsmodelle für die Online-Vermarktung von Musik im Netz auszudenken. Die Beispielrechnungen von Digiprotect sind mittlerweile aus dem Netz verschwunden, aber die Abmahnindustrie blüht nach wie vor. Wer geschützte Musik widerrechtlich in Tauschbörsen anbietet, gerät leicht ins Visier von Anwälten, die die Unterzeichnung einer sogenannten „strafbewährten Unterlassungserklärung“ verlangen. Mit der Androhung eines Gerichtsprozesses werden Verbraucher eingeschüchtert und zahlen bereitwillig Schadensersatz im drei- bis vierstelligen Bereich, um die Sache wieder loszuwerden. Dieser Abzocke will die LINKE mit einem Gesetzentwurf Einhalt gebieten.
Dabei wählt sie einen Ansatz, der neu ist, aber längst überfällig: Sie führt eine Differenzierung zwischen privater und kommerzieller Rechtsverletzung ein. Bislang kennt das Urheberrecht nur Unterschiede zwischen privat und öffentlich, nicht jedoch zwischen privat und kommerziell. Während die private Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke durch sogenannte Schrankenregelungen privilegiert ist, also ganz legal möglich, kommt in der Öffentlichkeit immer sofort das Urheberrecht ins Spiel. Was im Internet passiert, ist grundsätzlich öffentlich. Und wenn im Internet etwas Verbotenes passiert, wird es behandelt wie eine kommerzielle Urheberrechtsverletzung. Auch wenn es um rein privates Handeln geht, die Betroffenen also zwar das Recht verletzt, jedoch keinerlei kommerziellen Gewinn gemacht haben. Tauschbörsen sind dafür ein gutes Beispiel, aber natürlich nicht das einzige.
Problematisch ist im Zusammenhang mit Tauschbörsen vor allem der urheberrechtliche Unterlassungsanspruch. Zwar ist ein Unterlassungsanspruch, wie der Name schon sagt, eigentlich bloß ein Anspruch darauf, dass die Rechtsverletzung in Zukunft unterlassen wird, der betreffende Song also zukünftig nicht mehr in der Tauschbörse angeboten wird. In der Praxis muss für einen solchen Anspruch jedoch ein bestimmter Streitwert benannt werden. Maßgeblich ist dafür der wirtschaftliche Schaden, der dem Urheber entstehen würde, sollte der Song weiterhin in der Tauschbörse angeboten werden. Dieser wirtschaftliche Schaden lässt sich jedoch seriös nicht berechnen. Also lassen die Anwälte der Musikindustrie sich nicht lumpen und setzen einfach mal aus dem hohlen Bauch heraus besonders hohe Streitwerte an. Mit gutem Grund: Aus der Höhe des Streitwerts berechnen sich die Anwaltsgebühren. Leider bekommen sie dabei häufig Rückendeckung durch die Gerichte, die Sinn und Zweck der Streitwertfestsetzung ad absurdum führen. Anwälte können also ganz unabhängig vom konkreten Schaden auf leichte Weise gutes Geld mit Abmahnungen verdienen.
Tatsächlich hat der Gesetzgeber dieses Problem bereits erkannt und versucht, dem Abmahnwahn einen Riegel vorzuschieben, nämlich mit §97a Urheberrechtsgesetz. Dieser Paragraph enthält eine Deckelung der Abmahnkosten für „einfach gelagerte Fälle“. Das Problem ist nur, dass er extrem viele Ausnahmen zulässt, was dazu geführt hat, dass ihn kaum ein Gericht je angewandt hat. Im Gegenteil gehen viele Gerichte davon aus, dass alles, was mit Filesharing und Urheberrecht zu tun hat, von vornherein nicht „einfach gelagert“ sein kann. Folglich werden Rechtsverletzungen, die von ahnungslosen Privatleuten begangen werden, oft genauso beurteilt wie professionelles Raubkopieren mit krimineller Gewinnerzielungsabsicht. Dass der §97a seine Wirkung verfehlt hat, ist inzwischen wohl allgemeiner Konsens.
Genau hier setzt der Gesetzentwurf der Linksfraktion an. Kern dieses Entwurfs ist dabei nicht das Urheberrechtsgesetz, sondern das Gerichtskostengesetz. Der Erkenntnis folgend, dass die Kostendeckelung für Abmahnungen in §97a Urheberrechtsgesetz nicht richtig funktioniert, schlägt die LINKE vor, lieber von vornherein die Streitwerte zu deckeln. Dies soll geschehen, indem für Fälle, in denen ein konkreter Schaden nicht benannt werden kann, im Gerichtskostengesetz ein sogenannter Auffangstreitwert von 1000 Euro festgesetzt wird. Berechnet man nach dieser Maßgabe die Anwaltskosten, kommt man ungefähr bei den 100 Euro heraus, die auch in der bisherigen Kostendeckelungsregelung für einfache Fälle vorgesehen sind. Der Unterschied: Die Regelung wird nicht durch unzählige Ausnahmen ausgehöhlt und könnte deshalb in der Praxis auch tatsächlich angewandt werden. Damit unterscheidet der Vorschlag der LINKEN sich von der sonst häufig vorgebrachten Forderung nach einer Ausweitung des §97a, die bislang stets schweren Bedenken begegnet ist – bis hin zum Verweis auf eine angebliche Unvereinbarkeit mit den Vorgaben der Verfassung. Ein solcher Vorwurf dürfte einer Regelung zur Deckelung der Gerichtskosten nicht zu machen sein. Also dasselbe Ziel, aber ein anderer Weg.
Parallel zu dieser Änderung im Gerichtskostengesetz führt der Gesetzentwurf im Urheberrechtsgesetz die bereits erwähnte Unterscheidung zwischen kommerziellen und privaten Rechtsverletzungen ein. Dabei geht es allerdings nicht um den Unterlassungsanspruch, sondern um die Berechnung des Schadensersatzes nach Lizenzanalogie. Denn nicht nur die Abmahnung selbst kostet Geld, sondern auch der Schaden, der dem Rechteinhaber durch die Rechtsverletzung entstanden ist, muss ersetzt werden.
Bekanntlich behauptet die Musikindustrie gern, durch Tauschbörsen enorme Verluste zu erleiden. Eine Plattenfirma, so argumentieren Anwälte, hat einen konkreten Schaden erlitten, wenn ein Song eine Weile lang in einer Tauschbörse zur Verfügung stand. Für diesen Schaden kann sie Schadensersatz verlangen. Dieser ist von dem Geld, das der Rechtsverletzer für die Abmahnung bezahlen muss, zu unterscheiden. Der Schadensersatzanspruch bezieht sich ganz konkret auf den bereits eingetretenen Schaden. Eigentlich müsste die Musikindustrie also nachweisen, dass sie in Folge eines Tauschbörsenangebots soundsoviele CDs weniger verkauft hat. Sie könnte dann vom Rechtsverletzer verlangen, dass er die entsprechenden Kosten erstattet. Tatsächlich kann sie diesen Nachweis natürlich nicht führen. Deshalb berechnet sie ihren Schaden nach der sogenannten „Lizenzanalogie“. Das funktioniert so, dass sie einen fiktiven Betrag ansetzt, den sie hätte bekommen können, wenn sie das, was illegal geschehen ist, legal erlaubt hätte. Der Rechtsverletzer soll also so viel Geld zahlen, wie er auch hätte bezahlen müssen, hätte er von der Plattenfirma das Recht erworben, den Song legal in der Tauschbörse anzubieten.
Offenkundig ist das Blödsinn, denn ein entsprechender Markt existiert überhaupt nicht. Plattenfirmen unterbreiten Verbrauchern solche legalen Angebote nicht. DIE LINKE schlägt mit ihrem Gesetzentwurf deshalb eine Unterscheidung zwischen privaten und kommerziellen Rechtsverletzungen vor. Bei kommerziellen Rechtsverletzungen soll es auch weiterhin möglich sein, den Schaden nach Lizenzanalogie zu berechnen. Wenn es jedoch private Verbraucher sind, die Songs in Tauschbörsen veröffentlichen, also Leute, die keinerlei Gewinnerzielungsabsicht verfolgen, soll der Rechteinhaber nicht einfach fiktive Lizenzgebühren verlangen können, sondern stattdessen den entstandenen Schaden nachweisen.
Ist das bauernschlau? Keineswegs. Ein konkreter Schaden kann auch auf der Grundlage von Schätzungen nachgewiesen werden – vor Gericht ein durchaus übliches Verfahren. Allerdings muss dem Gericht glaubhaft dargelegt werden, dass tatsächlich ein Schaden entstanden ist. Fakt ist, dass die Musikindustrie ihren Schaden lieber nach Lizenzanalogie berechnet, weil sie meist gar keinen Schaden erlitten hat – was sie bloß nicht zugeben will. Nach derzeitigem Recht wird also ein Schadensersatz in Höhe von Gebühren für Lizenzen berechnet, die es in der Realität überhaupt nicht gibt. Damit soll Schluss sein, findet DIE LINKE.
Angesichts der Mehrheitsverhältnisse dürfte der Entwurf, der übrigens nicht nur das Thema Filesharing betrifft, sondern jede Art von Urheberrechtsverletzung, zwar wenig Chancen auf Umsetzung haben. Aber immerhin bringt er zwei bislang unterbelichtete Punkte in die Diskussion ein. Nämlich zum einen, dass eine Kostendeckelung auch außerhalb des §97a denkbar ist. Und zum anderen, dass beim Thema Urheberrechtsverletzungen ganz generell eine Unterscheidung zwischen kommerziellen und privaten Rechtsverletzungen überfällig ist. Zwei Aspekte, die in den bisherigen Kommentaren zu dem Gesetzentwurf (hier und hier) leider nicht besonders viel Beachtung gefunden haben.
[…] dem Tisch, wie man eine Deckelung der Abmahnkosten wirksam durchsetzen konnte. Nicht zuletzt ein Gesetzentwurf der […]