DIGITALE LINKE
— Politik in der digitalen Welt! —
 

Merkel und der Medienwandel

Glaubt man dieser Meldung bei heise online, so hat inzwischen auch die Bundeskanzlerin die Veränderungen der Medienlandschaft und des Mediennutzungsverhaltens registriert. Merkels Erkenntnisse ähneln dabei eher Plattitüden, denn wirklich neuen und fundierten Einsichten.

Unter anderem werde es „durch die Vielzahl der Informationskanäle, und besonders durch das Internet, immer schwieriger, ein Gesamtmeinungsbild zu erkennen“, es gebe nicht mehr eine Öffentlichkeit, sondern viele verschiedene Öffentlichkeiten, und vor allem junge Menschen informierten sich überwiegend punktuell im Internet und könnten nicht mehr über Zeitungen oder Fernsehsendungen erreicht werden. Auch Politiker müssten aufgrund der gestiegenen Medienvielfalt immer schneller reagieren. Insgesamt würden dadurch erhebliche Probleme entstehen beim Politik machen und vermitteln. Früher dagegen, so Merkel, „ging alles ruhiger zu“ und „die Menschen unterhielten sich morgens am Arbeitsplatz über die gleichen Themen“

Dabei erscheinen ihre Bemerkungen leider recht unbelegt und lassen so viele Fragen offen. Erlaubte die veröffentlichte Meinung früher wirklich einen genaueren Rückschluss auf die Stimmung innerhalb der Bevölkerung? Gab es früher nicht auch viele Öffentlichkeiten? Konnten junge Menschen früher durch Zeitungen und politische Fernsehsendungen tatsächlich besser erreicht werden? Und wenn ja, wieso hat sich das geändert, schließlich gibt es sowohl Zeitungen als auch politische Fernsehsendungen weiterhin? Was spricht gegen die Möglichkeit, sich aus einer größeren Vielzahl an Quellen informieren zu können? Wieso müssen Politiker – bzw. wieso glauben sie, sie müssten – immer schneller reagieren?

In meinen Augen sind all diese (impliziten) Behauptungen Merkels, insbesondere die der „Zerfaserung“ der Gesellschaft, höchst fragwürdig. Mögen sie vielleicht auch teilweise zutreffen, so ist doch fraglich, ob die Ursachen tatsächlich in einer – unterstellten – größeren Medienvielfalt und insbesondere im WWW liegen.

Letztlich spricht aus Merkels Beschreibung früherer Tage das Bedürfnis nach Übersichtlichkeit, Einfachheit und Homogenität – eine Öffentlichkeit, die bitte auch das Thema diskutieren soll, das die Politik bzw. die Regierung gerade für geeignet hält.

[Update:] Die ZEIT sieht das ganz ähnlich:

Im Grunde muss das Internet hier also wieder dafür herhalten, dass ganz andere Dinge falsch laufen. Und dass die Welt sich weiterentwickelt und damit komplizierter wird, ist eine wiederkehrende Klage. Angeblich war früher ja sogar das Wetter besser. Und wie es heißt, viel weniger unberechenbar.

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