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Roland Reuß zu Open Access

Der Initiator des Heidelberger Appells, Roland Reuß, fragt in einem Beitrag für die FAZ: wem nützt ein Zweitverwertungsrecht? Im Nachklang der BMJ-Anhörung (wir berichteten) hat diese Frage ihre Berechtigung. Leider gibt Reuß keine Antwort, sondern diskutiert anfangs eine allgemeine „Wissenschaftsschranke“ im Urheberrecht. Diese wird zwar vom Aktionsbündnis „Urheberrecht Bildung und Wissenschaft“ gefordert, spielte aber in der Anhörung überhaupt keine Rolle.

Danach schießt er weit über das Ziel hinaus und unterstellt allen, die ein Zweitvewertungsrecht für sinnvoll halten, „Verstaatlichungsphantasien“. Besonders überrscht ihn, dass auch die CDU dies mitträgt. Könnte das eventuell daran liegen, dass ein Zweitverwertungsrecht für Autorinnen und Autoren gar nichts mit Verstaatlichung zu tun hat?

Ein Zweitvewertungsrecht gibt Autorinnen und Autoren die Möglichkeit, nach einer bestimmten Embargofrist eine weitere Veröffentlichung ihrer Texte vorzunehmen. Total-buyout-Klauseln in Verträgen soll es nicht mehr geben, zumindest wären sie dann ungesetzlich. Dieses Recht soll die, zumeist in einer ungleichen Verhandlungssituation zu Stande gekommenen, Privatisierungen des mit öffentlichen Geldern erarbeiteten Wissens verhindern. Warum sollte ein privater Verlag die dauerhafte Totalverfügung über Wissensbestände bekommen, zu deren Erarbeitung er keinen einzigen Cent investiert hat? Und warum sollte ein Wissenschaftler die Möglichkeit bekommen, diese Privatisierung vorzunehmen, obwohl er mit einem auskömmlichen Gehalt von der öffentlichen Hand finanziert wird?

Bei Roland Reuß hört sich das dann so an:

Was hier pathetisch gefordert wird, schwächt in Wahrheit die Position des Autors. Denn wenn der Autor einem Verlag, der in seine Publikation investiert, kein zeitlich begrenztes ausschließliches Nutzungsrecht mehr anbieten kann, wird seine Souveränität nicht gestärkt, sondern beschnitten. Er verliert seine Vertragsfreiheit. Das Investitionsrisiko des Verlags wird zu groß und dem Autor wird nur übrig bleiben, seine unlektorierten und unbeworbenen Schriften im ach so überschaubaren Netz allein „sichtbar“ zu machen.

Die Frage ist: wozu ist ein staatlich finanzierter Wissenschaftler eigentlich da? Um seine Vertragsfreiheit wahrzunehmen? Beamtete Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben eine besondere Position – etwa was Nebenbeschäftigungen und -verdienste angeht. Sie wurden in das privilegierte Amt des Lehrstuhlinhaber berufen, um der Erarbeitung und Verbreitung von neuem Wissen zu dienen. Nicht mehr und auch nicht weniger. Die Zweckfreiheit von Forschung und Lehre ist demnach eine zweckgerichtete.

Reuß sieht ein Zweitverwertungsrecht trotzdem als verfassungswidrig an. Dieses Argument hatte auch schon der Börsenverein benutzt. Richtiger wird es durch Wiederholung nicht. Möglich, dass die grundgesetzlich geschützte Wissenschaftsfreiheit die Möglichkeit abdeckt, ein Werk NICHT zu publizieren. Dass das gesetzliche Recht (nicht die Pflicht!) zu einer Zweitveröffentlichung dieser Wissenschaftsfreiheit widersprechen soll, lässt sich hingegen nicht begründen.

Auch vom Verlust der Vertragsfreiheit kann keine Rede sein. Verträge kann der Autor weiter schließen, auch (auf die Embargofrist) befristete ausschließliche Nutzungsrechte abtreten. Nur über die Embargofrist hinaus soll es keine ausschließlichen Verträge mehr geben. Das Investitionsrisiko des Verlags hängt von seiner Gewinnerwartung ab. Die sind derzeit bei vielen Verlagen enorm. Auf der Anhörung des BMJ rechnete ein junger Wissenschaftler nach, dass das Journal, bei welchem er einen Artikel platzierte, eine Autorenquote (Honorar zu Umsatz) von 1-3 Prozent erreichte. Selbst unter Hinzurechnung der Kosten des Verlags sind die Gewinnspannen enorm. Und trotzdem musste dieser Kollege Monate auf die Veröffentlichung seines Artikels warten. Die Verträge sahen jedoch ein Zweitveröffentlichungsrecht nicht vor, die Arbeit blieb einfach so lange in der Schublade. Das ist sicher nicht Sinn und Zweck von Wissenschaft.

Einige von Reuß‘ Hinweisen sind trotzdem ernst zu nehmen (wie Wenke Richter richtig anmerkt). Wir gehen davon aus, dass ein Zweitverwertungsrecht die Publikationsmöglichkeiten und ihre Nutzung jedoch derart ausweitet, dass Verluste im Einzelfall mehr als ausgeglichen werden. Die Verlage sollen natürlich ihre Dienstleistung vergütet bekommen. Aber eben nur diese. Denn am Ende geht es um Wissensverbreitung, nicht um den Erhalt von Geschäftsmodellen, die auf der Monopolisierung öffentlichen Wissens beruhen.

6 Kommentare zu “Roland Reuß zu Open Access”

  1. Es geht zu kurz, das Zweitveröffentlichungsrecht allein auf die (inzwischen nicht immer) verbeamteten Lehrstuhlinhaber zu verengen, denn auf jeden Lehrstuhlinhaber kommen im Schnitt (!) wenigstens 5 wissenschaftliche Mitarbeiter, Privatdozenten, Doktoranden und Habilitanten usw., für die Zweitverwertungsrecht ebenfalls gedacht ist.

    Forschung mag ja zweckkfrei sein, aber nicht ziellos. Ein Forscher, der seine (Zwischen-)Ergebnisse nicht publiziert, ist wie ein Taucher, der nicht taucht. Und beide tauchen auch zu nichts.

    Nebenbei ist an einem Zweitveröffentlichungsrecht nichts verfassungswidrig, auf eine so abgedrehte Idee käme nicht einmal Roland Reuß; was er für verfassungswidrig hält ist eine von der Allianz der Wissenschaftsorganisationen geforderte allgemeine Wissenschaftsschranke. In wieweit die „vom Tisch“ ist, muß man sehen

  2. Tobias Schulze sagt:

    Reuß hat im Artikel nur die s.g. Wissenschaftsschranke als verfassungswidrig bezeichnet, da haben Sie recht. Allerdings sieht der Börsenverein auch ein gesetzliches Zweitveröffentlichungsrecht als verfassungswidrig an, die Argumentation von Roland Reuß läuft in eine ähnliche Richtung, denn sie lautet: wenn ein Autor nicht alle seine Rechte an einen Verlag abtreten darf, ist seine Publikations- und damit die Wissenschaftsfreiheit beeinträchtigt.
    Was den Geltungskreis eines Zweitverwertungsrechts angeht, haben Sie einerseits recht. Andererseits haben wir in der deutschen Wissenschaft mit seiner völlig überkommenen Personalsruktur leider immer noch die Situation, dass sich die „Universitätsprofessoren“ als alleinige Träger der Wissenschaftsfreiheit sehen und Gerichte dies bestätigen. Umso eher wäre also die von Ihnen angemerkte Ausweitung der Geltung des Begriffes wünschenswert. Übrigens sind auch Studierende sowie alle wissenschaftlich Tätigen in NGOs, privaten Instituten, Unternehmen etc. einzubeziehen.

  3. Hintere Gamsflucht – Wilde Kaiser – Kaisergebirge…

    Ich finde ihren Eintrag sehr informativ…

  4. […] Unterstützer der außeruniversitären Forschungsorganisationen bezieht klar Stellung zum Feldzug von Roland Reuß gegen die DFG und vor allem gegen Open Access.  Reuß und seine Verlagskollegen verfolgten eigene […]

  5. gokkasten sagt:

    Have you ever think of creating an e-book? I have a blog based on the same topic and would like to share some stories. I know my followers would enjoy your work. If you’re in, feel free to send me an email.

  6. […] um die Früchte ihrer Arbeit betrügen. Dieses Argumentationsmuster ähnelt verdächtig dem von Roland Reuß und Volker Rieble, die in der vergangenen Woche im selben Medium noch einmal einen Großangriff auf […]