DIGITALE LINKE
— Politik in der digitalen Welt! —
 

Neu: die NetzversteherInnen bei der Union

Zwei Statements aus der CDU/CSU-Fraktion sorgen für Aufmerksamkeit: im ersten (SZ-Druckausgabe von heute) fordert CSU-Politikerin Dorothee Bär unter der Überschrift „Die Zukunft liegt im Internet“ dazu auf, sich dem Netz zu stellen, Verbote zu unterlassen und seine Chancen wahrzunehmen:

Das Internet ist so, wie es sich entwickelt hat und wie es jetzt jedermann zur Verfügung steht, ein Symbol für die persönliche aber auch sozialphilosophische und verfassungsrechtlich verankerte Freiheit in unserer Gesellschaft. Und es soll auch weiterhin ein Ort der freien Entfaltung persönlicher, wirtschaftlicher und politischer Interessen bleiben.

Man habe zuviel über die Risiken diskutiert und die Chancen übersehen. Der Grund dafür: Eine digitale Spaltung der Gesellschaft, die jedoch nicht nach den altbekannten Muster verlaufe:

Weder die Generationenfrage, die Stadt/Land-Problematik oder ein politisches Links-Rechts-Schema eignen sich als Erklärung für die digitale Spaltung. Sie verläuft vielmehr zwischen denjenigen, die die Chancen erkannt haben und das Internet als Segen betrachten und denjenigen, die noch im irrigen Glauben leben, das Internet sei nur eine temporäre Modeerscheinung, die man aussitzen könne. Im schlechtesten Fall agieren Schwarzmaler, die im Internet die größte Gefahr der Menschheitsgeschichte sehen. Sie glauben, man könnte durch Verbote das Monster in den Griff bekommen. In der Politik finden sich übrigens in jeder Partei Vertreter beider Gruppen.

Der letzte Satz stimmt, über die Mengenverhältnisse hat sie, eine eher einsame Ruferin in der Wüste der bayrischen Staatspartei, ja nichts gesagt. Das Problem des digital divide sehen wir aber explizit anders: Es gibt sehr wohl Stadt/Landunterschiede, genau so wie soziale und Geschlechtergrenzen. Dies sollte sie einbeziehen, wenn sie von digitaler Spaltung spricht. Aber sie meinte wohl die Spaltung der eigenen Partei, ohne das so explizit auszudrücken.

Verbote, so Bär weiter, seien fehl am Platz. Das Internet sei ein Instrument, nichts weiter. Wenn Sarkozy das Internet zivilisieren wolle, dann könne man daraus vor allem Unverständnis dieses Mediums herauslesen.

Inhaltlich korrekt hätte Sarkozy – wenn überhaupt – also dazu aufrufen müssen, unsere Gesellschaft zu zivilisieren, denn das Internet ist grundsätzlich nicht mehr als ein Raum, in dem Gesellschaft stattfindet.

Sie fordert bei allen Rechtsanpassungen an die digitale Welt die Verhältnismäßigkeit ein. Hysterie und übertriebene Reaktionen seien fehl am Platze. Es müsse Regeln im Netz geben, die vor allem drei Ziele erfüllen:

Die Chancen freier Internetnutzung müssen für den Bürger gewährleistet sein. Die Chancen, die das Netz Benachteiligten bietet, müssen genutzt werden. Das Recht des Schwächeren im Internet muss besonderen Schutz erfahren und durchgesetzt werden.

Bis auf die männlich geprägte Sprache ist dem kaum etwas hinzuzufügen. Der Text richtet sich wohl vor allem an die eigene Partei und verweist auch auf das Papier des CSU-Netzrats (pdf), dem Bär vorsteht. Man müssen den Fortschritt annehmen und nicht gegen ihn anrennen:

Was machen wir daraus? Gestalten wir ihn forsch und mutig mit oder spielen wir „Internet-Verweigerer“, wobei im Zweifel nicht Trotz, sondern Angst das Leitmotiv unseres Handelns ist.

Bär schließt mit einer konservativ geprägten, überschwenglichen Ode an das Netz:

Die innovativen Nutzungsmöglichkeiten des Internets prägen unser Leben und stellen meist eine enorme Bereicherung, Erleichterung oder praktische Hilfe dar. Der virtuelle Raum ist vieles: Weltbibliothek und Jobmaschine, globaler Supermarkt und weltumspannende Versammlungsmeile. Das Internet macht unser Leben vorurteilsfreier und demokratischer. Das Internet ist ein Gewinn für die Menschheit.

Wir hätten diese Lobpreisung wahrscheinlich anders ausgedrückt, aber so etwas aus der CSU zu hören, lässt aufhorchen.

Auch Bärs Fraktionskollege Michael Kretschmer verteidigt die Möglichkeiten des Netzes. Der Unterstützer der außeruniversitären Forschungsorganisationen bezieht klar Stellung zum Feldzug von Roland Reuß gegen die DFG und vor allem gegen Open Access.  Reuß und seine Verlagskollegen verfolgten eigene wirtschaftliche Interessen, so Kretschmer in einem Leserbrief an die FAZ. Dies sei legitim, aber man sollte sie transparent machen und über die Sache streiten.

Auch in  Bezug auf so genannte Facebook-Parties mahnt Kretschmer auf dem Fraktionsblog Gelassenheit an und wendete sich gegen Vorschläge aus SPD und Union, diese zu verbieten. Kretschmer dazu:

 Facebook bietet die Möglichkeit in einem beschränk[t]en und einem unbeschränkten Maß Informationen publik zu machen. In den genannten Fällen haben die Benutzer ihre Einladung nicht nur an ihren persönlichen Freundeskreis gerichtet, sondern öffentlich ins Netz gestellt. Das ist ein Bedienfehler und die Forderung an Facebook, diese Funktion noch verständlicher zu machen, ist berechtigt.

Verbote seien auch hier keine Lösung, denn:

Das Internet ist eine gute Möglichkeit[,] eine breite Öffentlichkeit zu erreichen. Aber es ist eben nur ein Medium, nicht die Ursache. Lokalzeitungen mit Veranstaltungshinweisen will auch niemand verbieten.

Richtig. Danke.

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