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Neuere Gutachten zum Urhebervertragsrecht

Wie geht es weiter mit dem Urhebervertragsrecht? Die geltenden Regelungen, denen zufolge Urheberinnen und Urheber einen Anspruch auf eine „angemessene Vergütung“ haben, laufen weitgehend leer. Das liegt daran, dass die vom Gesetz geforderten „gemeinsamen Vergütungsregeln“ entweder nicht zustande kommen oder die Verwerter sich einfach nicht daran halten. Nachdem DIE LINKE im letzten Jahr einen weit reichenden Reformentwurf vorgelegt hat, sucht nun auch die Sozialdemokratie nach Lösungen. Die SPD Bundestagsfraktion hat dazu ein Gutachten bei Gerald Spindler aus Göttingen in Auftrag gegeben, das im Dezember 2012 als Aufsatz veröffentlicht wurde. Und die SPÖ, die österreichische Schwesterpartei der SPD, hat Till Kreutzer aus Berlin beauftragt nachzuprüfen, wie man ein wirkungsvolles Urhebervertragsrecht auch in Österreich umsetzen kann.

Spindler identifiziert bei der Umsetzung des Rechts in die Praxis zwei Hauptprobleme. Zum einen weist er darauf hin, dass zwar ein Schlichtungsverfahren für die streitenden Parteien vorgesehen, dessen Ergebnis jedoch nicht bindend ist. Nach jahrelangen Verhandlungen stehen die Urheber am Ende also unter Umständen mit leeren Händen da. Hierfür schlägt Spindler die Rückkehr zu den ursprünglichen Entwürfen des „Stärkungsgesetzes“ vor. Statt bei einer Schlichtungsstelle sollte das Verfahren vor einer Schiedsstelle nach dem Urheberrechtswahrnehmungsgesetz durchgeführt werden, „mitsamt Rechtsbehelfen, sodass auch ohne Zustimmung der anderen Seite am Ende eine bindende Vergütungsregel vor der Schiedsstelle bzw. vom Gericht formuliert werden kann.“ Spindler möchte also das Verfahren, nachdem beispielsweise die GEMA mit der Geräteindustrie verhandelt, auf die Verhandlungen von Urheber- und Verwerterverbänden über gemeinsame Vergütungsregeln übertragen. Der Vorteil wäre, dass die Sache im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen relativ schnell vor Spezialgerichten geklärt werden könnte. Nach wenigen Jahren hätte man also ein Ergebnis, während die Verhandlungen sich derzeit in fast allen Branchen bereits über eine Dekade hinziehen.

Zum anderen bemängelt der Autor die derzeitige Unsicherheit über die Aktiv- und Passivlegitimation der Vereinigungen, die die Verhandlungen führen sollen. In der Vergangenheit haben die Verwerter oft mit allerlei Tricks versucht, sich dem vorgesehenen Schlichtungsverfahren zu entziehen. So gründeten die Buchverleger eigens für die Verhandlungen mit den Literaturübersetzern BGB-Gesellschaften, die sich kurzerhand auflösten, als es auf eine Schlichtung zuging. Und als die Filmregisseure mit dem ZDF in ein Schlichtungsverfahren eintreten wollten, versuchte der Sender es mit einer negativen Feststellungsklage, die allerdings vor dem Landgericht München scheiterte. Um solche Probleme zu beheben, schlägt Spindler ein Anerkennungs- und Registrierungsverfahren für Urheber- und Werknutzervereinigungen vor. Oder es soll die Schiedsstelle verbindlich entscheiden.

Weniger detailliert, dafür umfassender nimmt sich Till Kreutzer des Themas an, in seinem Gutachten für die SPÖ. In Österreich geht es nicht um die Verbesserung bestehender Regelungen, sondern überhaupt erst einmal um die Einführung eines Urhebervertragsrechts. Dabei könne man sich durchaus am deutschen Modell orientieren, meint Kreutzer, solle aber dessen im Lauf der letzten zehn Jahre offenbar gewordene Schwächen von vornherein berücksichtigen.

Für Kreutzer stellt sich, wie schon für Spindler, die mangelnde Verbindlichkeit bei der kollektiven Aushandlung gemeinsamer Vergütungsregeln als wesentliches Manko dar. Auch Kreutzer würde eine Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt vorziehen. Und wie Spindler regt er an, ein Verfahren zu finden, nach dem die Verhandlungsbefugnis der Verbände verbindlich festgestellt werden kann.

Ausführlich beschäftigt sich Kreutzer mit der Regelung zu unbekannten Nutzungsarten. Dass Urheber in Deutschland ihre Rechte am Werk verlieren, wenn sie der Verwertung in einer bei Vertragsschluss noch unbekannten Nutzungsart nicht rechtzeitig widersprechen, ist nach Kreutzers Meinung verfassungsrechtlich „äußerst heikel“. Dennoch hält er es nicht für falsch, solche neuen Verwertungsformen zu ermöglichen. „Eher auf Vergütungen statt auf Verbotsrechte zu setzen, ist generell der richtige Weg“, schreibt Kreutzer. Die Vergütungsansprüche sollten möglichst von einer Verwertungsgesellschaft wahrgenommen werden.

Darüber hinaus plädiert der Autor für ein unabdingbares Zweitverwertungsrecht für wissenschaftliche Aufsätze. Skeptisch äußert er sich zu verbesserten Kündigungs- und Rückrufsrechten der Urheber. Diese seien aufgrund großer Unterschiede in den einzelnen Branchen kaum sinnvoll zu regeln. „M.E. müsste diese Frage eher im Rahmen von grundlegenden Urheberrechtsreformen in Bezug v.a. auf die Schutzdauer und alternative Schutzkonzepte beantwortet werden.“

Von allen Details bei beiden Autoren abgesehen, ist interessant, dass beide große Stücke auf ein verbindliches Schiedsverfahren halten, während keiner von beiden auf die Forderung zahlreicher Urheberverbände nach einem Verbandsklagerecht eingeht. Dahinter steckt vermutlich die Vorstellung, dass es besser ist, Verhandlungen über Vergütungsregeln geordnet zu Ende zu bringen, statt die Gerichte darüber entscheiden zu lassen. In der Vergangenheit haben jedoch Gerichte vielfach Urheberinnen und Urhebern recht hohe Gewinnbeteiligungen zugesprochen. Trotzdem trauen die meisten sich nicht, gegen ihre Vertragspartner zu klagen. Ein Verbandsklagerecht für Urheberverbände könnte hier Abhilfe schaffen. Wäre das geltende Recht nur leichter durchsetzbar, wären weit reichende Änderungen am Schlichtungsverfahren vielleicht gar nicht mehr nötig. Was nicht heißt, dass sie nicht trotzdem sinnvoll sein können.

 

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