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NSA-Untersuchungsausschuss: Streng geheim oder noch geheimer?

Gestern hat sich der durch die Snowden-Enthüllungen ausgelöste Untersuchungsausschuss des Bundestages konstituiert. Untersuchungsgegenstand ist die Spionage durch die NSA und andere Auslandsgeheimdienste der „Five Eyes“-Koalition (neben den USA, Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland) in Deutschland. Zu den Aufgaben des Ausschusses zählt ferner darüber aufzuklären, ob deutsche Geheimdienste Bestandteil eines „Ring“-Tausches sind, in dem der jeweils anderen Seite Daten übermittelt werden, die diese nach dem jeweils national geltenden Recht selbst nicht erheben darf.

Inwieweit in beiden Fragen Aufklärung erlangt werden kann, ist allerdings mehr als ungewiss. Zum einen liegen nachhaltige Auskünfte der britischen und der US-Regierung, wie sie von der Bundesregierung bereits im Sommer und Herbst letzten Jahres eingefordert wurden, nicht vor und sind auch in Zukunft nicht zu erwarten. Schließlich können ausländische Zeugen weder vorgeladen werden, noch Aussagen von ihnen erzwungen werden. Zum anderen zeichnet sich eine Strategie ab, mit der der zweite Teil des Untersuchungsgegenstands torpediert werden könnte.

Netzpolitik.org berichtete vor zwei Tagen von einer E-Mail, nach der dem Ausschuss Vorlagen mit der Verschlusssachenkategorie „Streng Geheim“ vorgelegt werden sollen und deren Einsichtnahme infolgedessen die Sicherheitsüberprüfung (Ü3) erforderlich mache. Ü3 ist die höchste Stufe der Sicherheitsüberprüfung und mit umfangreichen Abfragen sowie Auskünften auch im persönlichen Umfeld der zu überprüfenden Personen verbunden.

Wie aus weiteren – hier ähnlich in der heutigen Taz – Informationen hervorgeht, soll die E-Mail aus einer Anfrage an das Büro von Klaus-Dieter Fritsche (CSU) resultieren. Fritsche ist seit Dezember 2013 Staatssekretär für die Belange der Nachrichtendienste im Bundeskanzleramt. Zuvor war er von Oktober 1996 bis November 2005 Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz und von Dezember 2005 bis Dezember 2009 Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt.

Neu und brisant daran wäre, dass Dokumente im Rahmen der NSA-Affäre erstmals als Verschlusssache (VS) „Streng Geheim“ kategorisiert würden. Bislang wurden Teile von Auskünften aus Kleinen Anfragen zur Überwachungsaffäre maximal mit VS „Geheim“ belegt. Als „Streng Geheim“ hingegen werden Dokumente eingestuft, „deren Kenntnis durch Unbefugte“ – so die Bestimmungen der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages – „den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährden würde.“

Der Geheimhaltungsgrad selbst, das geht ebenfalls aus der Geheimschutzordnung hervor, wird durch die herausgebende Stelle bestimmt. Zwar ist letztere dazu angehalten, VS nicht höher einzustufen, als es ihr Inhalt erfordert, doch ist das gleichwohl immer nur im Nachhinein und durch Klageerhebung überprüfbar. Dass eine derartige Blockadestrategie, mit der die Sachverhaltsaufklärung in entscheidenden Fragen in den untersten Kreis der Geheimschutzstelle des Bundestages verschoben würde, in maßgeblichen Kreisen der Bundesregierung in Betracht gezogen wird, zeigt allein der Umstand, Dokumente mit dem VS-Etikett „Streng Geheim“ belegen zu wollen. Denn es ist nicht ersichtlich, weshalb und in welcher Form irgendeine Information im Umfeld und zur Aufklärung des Überwachungsskandals den Bestand (!) der Bundesrepublik Deutschland gefährden könnte.

Solchermaßen Willkür in der VS-Einstufung ist inzwischen durchaus Methode. Sie zeigte sich jüngst auch in der Antwort der Bundesregierung auf eine Schriftliche Frage (pdf) von Jan Korte. Darin werden die Beziehungen des BND zu ausländischen Nachrichtendiensten zu schutzwürdigen Interessen des Staatswohls erklärt – derartig schutzbedürftig, dass sie als noch geheimer denn „Streng Geheim“ ausgewiesen werden. Die Regierung erfindet dazu kurzerhand eine Geheimhaltungskategorie jenseits von VS-Einstufung und Geheimschutzordnung. Sie ist, das Diktum lässt sich erneuern, aufgrund der Einbindung der eigenen Geheimdienste in das System der „Ring“-Tausches an einer abschließenden Sachverhaltaufklärung nicht interessiert.

Der Untersuchungsausschuss hat nur dann eine Chance, Licht in einen Teil des Dunkels zu bringen, wenn er geschlossen am Aufklärungsziel festhält und sich jeglichen Blockaden von Regierungsseite widersetzt. Da der Auslandsgeheimnis jedoch ein Instrument der Regierung ist, in der Besetzung des Ausschusses sich zugleich die Dominanz der Regierungsfraktionen wiederspiegelt, glauben daran nur die allergrößten Optimisten.

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