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Piratenfreiheit – oder: Politische Blauäugigkeit schützt nicht vor Haftung

Andreas Popp, der stellvertretende Bundesvorsitzende der Piratenpartei, gibt der „Jungen Freiheit“ ein Interview („Es geht um Zensur“) und entschuldigt sich – nachdem die Geschichte getwittert war –, ihm sei die Zeitung „überhaupt nicht bekannt“ gewesen. Ein Kommentar:

Sämtliche nachträglichen Kommentare, die sich darauf berufen, dass der Vize-Bundesvorsitzende der Piratenpartei, Andreas Popp, nicht richtig hingehört haben könnte, als er der „Jungen Freiheit“ ein Interview gewährte, sind vollkommen gegenstandslos. Sie sind es deswegen, weil Popp nunmal selbst autorisiert in dem Organ der Rechtsintellektuellen vertreten ist und man ihn – Manipulationsvorwurf hin oder her – eben bei den Worten nehmen muss, die schließlich gedruckt wurden.

Und da sollte man genau hinsehen. Neben den allgemein bekannten Postulaten, gegen Zensur und für Informationsfreiheit zu sein, liest sich das Interview mit Popp durchaus als Statement von politischer Tragweite. Dem Interviewer ist es nämlich gelungen, aus dem Vize der Piraten das Neutralitätsschema – weder rechts noch links – herauszulocken, das sich immer wieder dazu eignet, die Salonfähigkeit rechten Gedankengutes zu zementieren.

Laut Popp soll Holocaust-Leugnung höchstens eine „grenzwertige Provokation“ sein. Die falsche Aussage des Interviewers, hier lägen „keine strafrelevanten Äußerungen“ vor, bleibt unwidersprochen. Und letztlich verfügt Popp offenbar über ein glänzendes politisches Feingefühl, wenn er sich und der Partei „Pragmatismus“ und nicht Ideologie im Umgang mit den Problemen der Zeit attestiert.

Die Piratenfreiheit lässt sich so wunderbar eintopfen in die Behauptung der Rechtskonsvervativen und Neofaschisten, ständig vom „linken Gesinnungsterror“ umgeben zu sein, wenn sie nur ihre Wahrheiten aussprechen wollen. Es versteht sich von selbst, dass Popp und die Piratenpartei dafür haften, unter welchem Segel sie für ihre „pragmatischen“ Ziele kämpfen.

Für den „aufgeklärten Rechten“ von heute ist die Zustimmung zu allen Arten der Modernisierung durch Technik ein Muss. Daher wird die Technikgläubigkeit zu einem Einfallstor aller möglichen obskuranten bis gefährlichen politischen Auffassungen, weil unter dem Deckmantel der Machbarkeit ziemlich viel „neutral und pragmatisch“ legitimiert  werden kann. Wenn das Interview eines bewiesen hat, dann nicht zuletzt die Tatsache, dass der ach so „rückwärtsgewandte“ Blick der Ideologiekritik der beste Ratgeber zum Durchblick bleibt – egal, wie so ein Interview zustande gekommen ist.

(Der Verfasser ist Kulturwissenschaftler und Mitarbeiter einer Bundestagsabgeordneten der LINKEN.)

3 Kommentare zu “Piratenfreiheit – oder: Politische Blauäugigkeit schützt nicht vor Haftung”

  1. WKou1en sagt:

    Die Piraten werden auf Dauer mit der Aussage, sie seien „weder links noch rechts“ nicht durchkommen. Sie werden sich überlegen müssen, mit wem sie evtl. irgendwann ihre Ziele durchsetzen können. Und dann ist klar, dass sie sich links der SPD positionieren müssen. Alles andere wäre unglaubwürdig.
    Den Versuch, die Piraten in eine rechte Ecke zu stellen, finde ich allerdings albern. Hier geht es wohl eher darum, einen Konkurrenten zu diskreditieren.

    Vorgestern Abend war Petra Pau im Fernsehen, gemeinsam mit U. von der Leyen, Sigmar Gabriel, Cem Özdemir u.a. Als das Thema Internet-Sperren angesprochen wurde, durfte von der Leyen ihren Unsinn unwidersprochen präsentieren. Gabriel stimmte zu und der Rest (Niebel, Özdemir, Pau) hatte nichts zu sagen. Das wäre die Gelegenheit gewesen, vor einem Millionen-Publikum Bürgerrechts-Themen zu präsentieren. Aber da kam nichts. Von keiner der Oppositions-Parteien.
    Bürgerrechte scheinen bei den Piraten besser aufgehoben zu sein als bei euch.

  2. […] dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden (wir kommentierten) hat nun auch Jens Seipenbusch, Bundesvorsitzender der Piratenpartei, der „Jungen Freiheit“ […]

  3. […] der Piratenpartei zur rechtsintellektuellen Wochenzeitung „Junge Freiheit“ (siehe dazu hier und hier) und einem deutlich vernehmbaren Umarmungsversuch durch Frank Schirrmacher in der […]