DIGITALE LINKE
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Rechtsfreier Raum Internet: Agenda der Inhalte zu Löschen und Sperren im Netz veröffentlicht

Dem Bundesverband der Dienstleistungswirtschaft (BDWi) gehören überwiegend so illustre Mitglieder wie der Bund Deutscher Baumschulen (BdB), der Bundesverband der Kantinenpächter e.V. (BdK) oder der Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e.V. (BGL) an, aber auch der im hiesigen Kontext schon interessantere Bayerische Toto- und Lotto-Verband e.V. Im letzten Jahr war der Verband durch eine Stellungnahme aufgefallen, in der er zusammen mit den Deutschen Kinderschutzbund u.a. das Sperrgesetz Ursula von der Leyens grundsätzlich begrüßte. Nun hat er eine Broschüre „Rechtsverstöße im Internet – Bedrohung für Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft“ vorgelegt. Mit ihr wird eine Art Vermessung des Internet als rechtsfreier Raum vorgenommen. Herausgekommen ist eine Agenda der Inhalte, denen künftig im Netz mit Löschen und Sperren zu begegnen ist – ein Potpourri aus geistigem Eigentum, Glücksspiel, Kinderpornographie und Jugendschutz. Im folgenden wird in Auszügen eine subjektive Zusammenstellung der Broschürenbeiträge gegeben.
 

Buchhandel: Kulturdiebstahl im Internet – Die Politik muss handeln [Verfasser: Börsenverein des Deutschen Buchhandels e. V.]

„Illegales Downloaden bedeutet einen großen wirtschaftlichen Schaden für Verlage und Buchhandlungen in Deutschland. Schätzungen zufolge sind 49 Prozent aller Hörbuch-Downloads und 39 Prozent aller E-Book-Downloads illegal. […] Der Börsenverein fordert von der Politik, in diesem Rahmen ein Gesamtkonzept für den Schutz des geistigen Eigentums und die Zukunft der Informations- und Wissensgesellschaft vorzulegen. Kernpunkt sollte nach den Vorstellungen des Verbands die Zusammenarbeit von Service Providern und Content-Industrie sein: Beide werden in die Aufklärungsarbeit für ein stärkeres öffentliches Bewusstsein für den Wert des geistigen Eigentums eingebunden – viele Akteure wissen gar nicht, welches Angebot im Netz legal und welches illegal ist. Zudem wird mit Politik und Service Providern ein Modell durchgesetzt, das Nutzer, die sich rechtwidrig verhalten, zunächst warnt und aufklärt, bei wiederholten Verstößen aber auch effektiv sanktioniert.“

Filmwirtschaft: Illegaler Filmvertrieb im Internet – Vertriebsformen und Schäden [Verfasser: Filmförderungsanstalt (FFA)]

„90 Prozent der Urheberrechtsverletzungen beim Film finden unter Nutzung des Internets statt. Dieser illegale Markt besteht einerseits aus kriminellen Intensivtätern, die die allerersten illegalen Kopien eines Films erstellen – oder dafür sorgen, dass andere Raubkopien nutzen und anfertigen können. […] Zum anderen handelt es sich um die Nutzer von illegalen Vorlagen, die sich illegal im Internet Kopien runterladen. […] Maßnahmen wie „Raubkopierer sind Verbrecher“ oder „RESPE©T COPYRIGHTS“ erzielen zwar Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit, neuere Untersuchungen zeigen jedoch immer deutlicher, dass der Bezug illegaler Inhalte aus dem Internet eher für selbstverständlich gehalten wird. Technische Ansätze wie die Löschung illegaler Dateien bei Sharehostern sind in der Menge kaum zu handhaben und werden zudem von nicht rechtskonform arbeitenden Sharehostern unterlaufen. Um die Verbreitung von Raubkopien wirkungsvoll verfolgen zu können, müssen neben neuen edukativen Ansätzen auch die rechtlichen – auf den digitalen Markt zugeschnittenen – Rahmenbedingungen angepasst werden.“

Videoverleih: Kundenabwanderung zu Tauschbörsen und Streamingangeboten [Verfasser: Interessenverband des Video- und Medienfachhandels in Deutschland e.V. (IVD)]

„Mit einer Verbesserung der Internetanschlüsse durch günstigere DSL-Anschlüsse und mit der Vereinfachung des Bezugs von Raubkopien setzte sich der begonnen Trend weiter fort. Statt mühseliger Suche in Peer-to-Peer-Netzwerken ermöglichen mittlerweile so genannte Sharehoster den leichteren Bezug der Dateien. Zudem können die Filme über Streaminganbieter direkt im Internet angesehen werden. […] Mit dem massiven Spielfilmangebot von kino.to (ca. 4 Millionen Zugriffe im Monat) vertreibt ein einziges illegales Streaming-Angebot, welches wohl der organisierten Kriminalität zuzurechnen ist, etwa so viele Spielfilme, wie 40% der Videotheken.“

Computer- und Videospiele: Wirtschaftliche Bedeutung und Piraterieschäden [Verfasser: Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware e.V. (BIU)]

„Urheberrechtsverletzungen durch illegale Verbreitung von Softwarekopien bedrohen allerdings die wirtschaftliche Existenzgrundlage von Produzenten und Verlagen der Computer- und Videospielindustrie speziell in Deutschland. […] Der Großteil der illegalen Angebote wird über das Internet verbreitet. […] Die Industrie hat sich im rechtlichen Bereich auf die Verfolgung von professionellen Rechtsverletzern verständigt. Ein Vorgehen gegen Konsumenten wird bislang nur bei eklatanten Verstößen praktiziert. Deshalb engagiert sich der BIU bei der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen e.V. (GVU) Aus Sicht der Industrie ist es zwingend notwendig, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die strafrechtliche Verfolgung von illegalen Angeboten in Deutschland zu verbessern, um die aufstrebenden deutschen Anbieter international konkurrenzfähig zu halten.“

Musik: Der Niedergang der Plattenläden [Verfasser: Gesamtverband Deutscher Musikfachgeschäfte e.V. (GDM)]

„Die Tauschbörsen kamen und gingen, ob sie nun Napster, Pirate Bay oder RapidShare hießen, das Problem blieb jedoch. […] Wenn auch nicht übersehen werden darf, dass viele Kunden heute legale Downloadmöglichkeiten außerhalb des stationären Fachhandels nutzen, kann dennoch nicht bezweifelt werden, dass der starke Einbruch in der Tonträgerbranche ganz entscheidend auf die massenhaften Rechtsverletzungen im Internet zurückzuführen sind. Das Problem ist nur, dass es bis heute keine wirksamen Rechtsmittel gibt, hiergegen erfolgreich vorzugehen. Es ist eine weitere altbekannte Binsenweisheit, dass das Recht der Technik immer hinterherhinkt. Dies trifft insbesondere auf die Durchsetzung des Urheberrechts im Internet zu. […] Das, was den Plattenläden passiert ist, kann morgen bei Vorhandensein der erforderlichen Technik z.B. auch den Buchhandel oder die Filmbranche treffen. Dies zu verhindern ist die gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“

Online-Glücksspiel: Gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Schaden [Verfasser: Bundesverband Automatenunternehmer e.V. (BA)]

„Neben den zahlreichen legalen Angeboten der staatlichen oder staatlich konzessionierten Spielbanken, Lotto-Toto, TV und sonstigen Gewinnspielen sowie dem gewerblichen Geld-Gewinn-Spiel gibt es einen großen, stark wachsenden Markt für illegale Glücksspielangebote, insbesondere im Internet. […] Im World Wide Web sind Pokerräume, Casinospiele und Sportwetten heute überall und jederzeit verfügbar. […] Für eine Sperrung von Internetseiten von Glücksspielanbietern durch die zuständigen Behörden bietet der Glücksspielstaatsvertrag eine Rechtsgrundlage. […] Angesichts der Unüberschaubarkeit der Online-Anbieter wird der vorhandene gesetzliche Rahmen nicht annähernd ausgeschöpft, so dass sich ein deutliches Vollzugsdefizit offenbart.“

Lotto-Toto: Illegale Glücksspiele und Wetten im Internet [Verfasser: Fachverband Lotto-Toto-Lotterien in Bayern e. V. Bayerischer Toto- und Lotto- Verband e.V.]

„Man geht derzeit von insgesamt rund 3.000 Websites aus, über die in Deutschland gespielt oder gewettet werden kann. Sie kommen ganz überwiegend aus Gebieten wie Antigua, Kahnawake, Costa Rica, aber auch aus Malta, Gibraltar und Zypern. […] Diese Internetangebote stehen in einem krassen Gegensatz zu den Zielen, Modalitäten und gesetzlichen Vorgaben des nationalen Glücksspielrechts. Während die legalen Veranstalter und ihr Vertrieb bei den geringsten Verstößen gegen die rechtlichten Vorgaben mit heftigen Sanktionen zu rechnen haben, herrscht im Internet absolute Freiheit […]. Leider ist es bisher nicht gelungen, diese Angebote aus dem Netz zu bringen. Politik, Verwaltung und Rechtsprechung nähern sich diesem Problem nur sehr zögerlich an. Während im Bereich des herkömmlichen legalen Glücksspielangebotes Verstöße hart und schnell geahndet werden, ist das Thema Suchtbekämpfung im Internet weitestgehend tabu. Dabei wäre es technisch durchaus möglich die entsprechenden Seiten zu sperren.“

Marken- und Produktpiraterie: Fälschungen über das Internet [Verfasser: Markenverband e.V.]

„Produktpiraten bedienen sich daher auffällig häufig der Internetauktionshäuser, bei denen man unter Pseudonymen auftreten kann. So ergab eine Untersuchung auf der Internet-Auktionsplattform eBay, bei der 248 Auktionen, mit dem das Eau de Toilette „Davidoff Cool Water Deep“ in 100-Milliliter-Flaschen überprüft wurde, eine Fälschungsquote von 87%. […] Der Vertriebskanal Internet macht einen stetig wachsenden Anteil des Absatzes der gefälschten Waren vom Gesamtgeschäft aus. […] Leider werden von den deutschen Gerichten die Strafnormen des geistigen Eigentumsrechts nur wenig bis gar nicht wahrgenommen oder gar angewendet. […] Insofern wäre es wünschenswert, wenn die grundrechtlich geschützte Eigentumsposition des geistigen Eigentums auch entsprechend durch das Strafrecht besser geschützt würde. Es besteht bei der Bekämpfung der Markenpiraterie auch ein intensiver Kontakt mit der Internetwirtschaft, der leider nicht immer auf fruchtbaren Boden fällt. Insbesondere bei Fälschungen, die zu einem niedrigen Preis im Internet angeboten werden und die Verbraucher gefährden, muss auch bei der Internetwirtschaft der Wille da sein, solche Angebote zeitnah und proaktiv aus dem Internet zu entfernen.“

Innovationsschutz: Innovationen fördern – Know-how schützen [Verfasser: Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit der Wirtschaft e.V. (ASW)]

„Der Schaden durch Spionage für die deutsche Wirtschaft wird auf jährlich mindestens 20 Mrd. Euro geschätzt. Dabei ist festzustellen, dass verstärkt Angriffe auf das Know-how von Unternehmen über das Internet erfolgen. In der deutschen Wirtschaft spielt das Thema „Informationsschutz“ bzw. „Schutz geistigen Eigentums“ seit Jahren eine wichtige Rolle. […] Zum Schutz des wertvollen Knowhows deutscher Unternehmen gegen Wirtschaftsspionage ist ein ständiger Informationsaustausch zwischen Verfassungsschutzbehörden und Wirtschaft erforderlich. […] Schätzungen zufolge werden in Deutschland jährlich 20 bis 30 Milliarden Euro Umsatz mit gefälschten Produkten aus Drittstaaten erzielt – Tendenz steigend. […] Der Kauf gefaketer Produkte ist kein Kavaliersdelikt. Das muss ebenso deutlich werden wie die Risiken, die mit einem solchen „Schnäppchen“ verbunden sind.“

Arzneimittel: Fälschungen schädigen Gesundheit und Wirtschaft [Verfasser: ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände]

„Das Internet hat auch im Arzneimittelbereich eine folgenreiche Wirkung entfaltet. Neben seriösen Informationen von Verbraucherschützern oder Kontrollbehörden enthält das World Wide Web aber auch viele illegale Angebote von Betrügern und Kriminellen. Plagiate sind ein lukratives Geschäft: So kostet ein Kilogramm Plagiat des Potenzmittels Viagra® auf dem Schwarzmarkt 90.000 Euro, Kokain dagegen nur 65.000 Euro. […] Im illegalen Markt dominiert der Vertrieb per Internet. Zwar ist es in Deutschland legal, Arzneimittel per Versandhandel auch aus dem Ausland zu bestellen. Doch welcher Verbraucher kann sich im Internet schon 100-prozentig sicher sein, ob es sich um eine zugelassene Online-Apotheke in Europa oder eine kriminelle Cyber-Mafia aus Fernost handelt? […] Die Verschärfung von Verbraucherschutzgesetzen und die strengere Regulierung des Internethandels sind sinnvolle Maßnahmen zum Schutz vor Plagiaten.“

Sexuelle Gewalt: Schutz der Kinder vor sexuellen Gewaltbildern und sexualisierter Gewalt im Internet und in den neuen Medien [Verfasser: ECPAT Deutschland e.V.]

„Kinderpornographie im Internet hat sich zu einem globalen äußerst profitablen Geschäft mit weltweit mehreren Milliarden Euro Umsatz pro Jahr entwickelt. […] Das Internet ist ein Tummelplatz für Sexualstraftäter auf der Suche nach neuen Opfern geworden. […] Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung in den neuen Medien gelingt nur mit einer umfassenden Strategie. Dabei gilt es, einen Schwerpunkt auf die nationale und internationale Strafverfolgung zu setzen. […] Ausreichende Ressourcen und Fortbildung innerhalb der Strafverfolgungsbehörden und konsequente Löschung von Webseiten mit kinderpornographischem Inhalt und dort wo es nicht möglich ist, Sperrung dieser Seiten.“

Jugendmedienschutz: Im Internet unwirksam [Verfasser: IVD]

„Im Internet ist frei verfügbare Pornographie ebenso wie das Angebot indizierter oder gerichtlich beschlagnahmter Medien verboten. […] Dennoch findet eine Verbreitung jugendgefährdender Inhalte über das Internet massenhaft statt. […] Neben dem breiten Angebot an pornographischen Filmen belegen Studien, dass wegen Gewaltverherrlichung beschlagnahmte Filme sowie indizierte Spiele völlig unproblematisch zu erhalten sind: In Tauschbörsen stehen zehntausende pornographischer Filme zum Download bereit (torrent.to ca. 54.000 Titel, bitreactor.to ca. 12.700 Titel, etc.). Streamingportale wie youporn.com mit über 57.000 Filmen oder xhamster.com mit 76.500 Filmen ermöglichen es, pornographische Filme direkt zu betrachten. […] Die Landesmedienanstalten und die KJM (Kommission für Jugendmedienschutz) haben bis heute kein einziges Sperrverfahren gegen ein illegales ausländisches Angebot angestrengt. In Anbetracht dieser Misere haben 12 Verbände vorgeschlagen, dass, ähnlich wie bei Suchmaschinen seit Jahren praktiziert, auch die Internet Service Provider indizierte Internetseiten nicht mehr frei zugänglich machen. Nur nach einer Überprüfung der Volljährigkeit sollten diese freigegeben werden.“

Rechtsextremismus: Gegenmaßnahmen der Zentralstelle jugendschutz.net [Verfasser: jugendschutz.net]

„Für den modernen Rechtsextremismus ist das Internet wichtigstes Instrument zur Agitation. […] ie Aktivitäten von Neonazis im Netz sind besonders jugendschutzrelevant, denn sie knüpfen an der Lebenswelt von Jugendlichen an und bewerben ein breites Betätigungsfeld aus Action, Musik und Freizeitgestaltung. […] Die Regulierung von sozialen Netzwerken und Videoplattformen ist durch die Masse an User-Inhalten ungleich schwieriger als bei klassischen Websites. Erste Ansätze zur raschen Entfernung unzulässiger Inhalte konnten in den vergangenen beiden Jahren etabliert werden. Der anhaltend hohe Missbrauch und der erneute Upload solcher Inhalte in diesen bei Jugendlichen beliebten Web-2.0-Angeboten erfordert jedoch Maßnahmen, die über die Löschung einzelner unzulässiger Inhalte hinausgehen. Hier sind insbesondere die Betreiber gefragt, mehr Ressourcen einzusetzen, um Hass-Inhalte nachhaltig von hren Plattformen zu verbannen.“

Abschließend stellt sich nur die Frage: Ist das nun alles oder kommt da noch mehr? Klar ist: Islamismus, Linksextremismus und Terrorismus fehlen noch …

Ein Kommentar zu “Rechtsfreier Raum Internet: Agenda der Inhalte zu Löschen und Sperren im Netz veröffentlicht”

  1. Rechtsfreier Raum Internet: Agenda der Inhalte zu Löschen und Sperren im Netz veröffentlicht…

    Von Juergen Scheele | Digitale Linke | – Dem Bundesverband der Dienst-leistungswirtschaft (BDWi) gehören überwiegend so illustre Mitglieder wie der Bund Deutscher Baumschulen (BdB), der Bundesverband … … der Kantinenpächter e.V. (BdK) oder der Bu…