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Regierungssprecher als Intendantensprungbrett

„Seibert ein Vollblutjournalist“, so Daniel Friedrich Sturm auf welt.de. Darf so einer überhaupt die Seiten wechseln? „Dies wiederum verbindet ihn mit manch anderem seiner vielen Vorgänger an der Spitze des Bundespresseamtes, man denke etwa an Conrad Ahlers oder Peter Boenisch. In dieser Ahnenreihe wird Seibert nun die Nummer 25.“ Er ist also nicht der erste „hervorragende Journalist“, der die Seiten wechselt und an die Spitze des Bundespresseamtes tritt. Doch er ist der erste Moderator einer Nachrichtensendung. All seine Vorgänger waren entweder kaum über journalistische Kreise hinaus bekannt oder – auch als Kommentatoren – politisch klar zu verorten.

An Nachrichtensendungen wie auch an deren Moderatoren werden hohe moralische Anforderungen gestellt. Sie sollen objektiv sein und eine professionelle Distanz zu Regierungen und deren Verlautbarungen wahren.

Doch warum geht er vom ZDF in die Politik? Beim ZDF ist ihm sein Platz sicher. Die Zeit an Angela Merkels Seite kann jedoch schon nach der nächsten Bundestagswahl beendet sein.  Nutzt er diese Chance, weil er im ZDF an der Endstation angekommen ist? „Er ist ein Leistungsträger des Senders. Doch der Aufstieg nach ganz oben erscheint irgendwie versperrt: Da ist Maybrit Illner, die beispielsweise das Kanzler-Duell moderiert, und da ist der omnipräsente Claus Kleber“, so Hans-Jürgen Jakobs auf sueddeutsche.de.

„Für einen leidenschaftlichen Journalisten ist das eine ganz unerwartete, faszinierende neue Aufgabe“, so Steffen Seibert laut faz.net. „Ich nehme diese Aufgabe gerne an, weil ich überzeugt bin, dass die Bundesregierung unter Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel die richtigen Schwerpunkte setzt, um unserem Land in diesen schwierigen Jahren eine gute Zukunft zu sichern“, wird er auf sueddeutsche.de zitiert.

Wie bitte? Hat er in der letzten Zeit nicht auch die Regierung kritisiert? Erst hat er Schwarz-Gelb kritisiert, nun macht er gemeinsame Sache? Oder war dies nur professionelle Distanz?

Gerade noch erklärte Steffen Seibert seinen Zuschauern die Welt, im nächsten Monat schon präsentiert er uns die Regierungspolitik. War er nur scheinbar überparteilich? Und für wen der Moderatorenkollegen ist dies auch der Fall? Oder geht es ihm um anderes?

Sicher, „Seibert übernimmt die Aufgabe zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt: Die Regierung steckt in der Krise und ringt um einen neuen Kurs“, wie die Frankfurter Rundschau feststellt. Doch gerade in solch einer Situation ist Steffen Seibert erst einmal kein Fehlgriff. „Dass es in Zeiten von Fernsehen und Internet auch ganz vorteilhaft ist, der Regierung ein schönes Gesicht zu geben, ist spätestens seit Ulrich Wilhelm kein Geheimnis mehr, dem Mann, den viele für ein Double von Robert Redford halten“, so Oliver Hoischen auf faz.net. Zudem ist Steffen Seibert laut Frankfurter Rundschau vor einiger Zeit in die Katholische Kirche eingetreten, „nachdem er lange zuvor aus der evangelischen Kirche ausgetreten war.“ Damit sorgt er auch für ein konfessionelles „Gleichgewicht“ in der Regierung.

Der ZDF-Chefredakteur Peter Frey bedauert, „dass Steffen Seibert seine Perspektive nicht im Journalismus gesehen hat. Er nimmt die bundesweite Bekanntheit, die er auf dem Schirm als Moderator von heute und heute-journal erworben hat, und die damit verbundene Kompetenz und Glaubwürdigkeit mit in seine neue Aufgabe.“ Meint Peter Frey damit auch, dass der Verlust an Glaubwürdigkeit, den Steffen Seibert erleiden wird, dann auch auf das ZDF zurückfällt?

Steffen Grimberg fasst es in der taz so zusammen: „Ein enger Merkel-Vertrauter, der offizielle Oberverkäufer der Politik der Bundesregierung, wechselt fast übergangslos in einen Top-Job bei der ARD. Dass nun das ZDF gewissermaßen den Nachfolger schickt, ist schon fast tragikomisch.“ Und Hans-Jürgen Jakobs meint: „Für den Regierungssprecher, der zu den Öffentlich-Rechtlichen wechselt, kommt nun von den Öffentlich-Rechtlichen ein Spitzenjournalist ins Sprecheramt. Die Systeme tauschen sich aus.“

Fest steht: Schon zum zweiten Mal innerhalb ganz kurzer Zeit scheint die Personalpolitik von CDU und ZDF eng miteinander verknüpft. Zum dritten Mal werden die Einflüsse der Politik, ja der Regierung, auf ARD und ZDF offensichtlich. Erst musste ZDF-Chefredakteur Brender auf Betreiben von CDU-Funktionären wie Roland Koch seinen Posten räumen. Dann wurde der Regierungssprecher als Intendant des Bayrischen Rundfunks durchgesetzt. Nun macht die CDU-Kanzlerin einen ZDF-Journalisten zu ihrem Kommunikationschef.

„Und wenn die momentane Regierung abdankt, kann Steffen Seibert immer noch Intendant werden. Nicht in der Oper, wie es sein Traum wäre, sondern im öffentlich-rechtlichen Rundfunk“, schreibt Michael Hanfeld auf faz.net.

Überholen ohne einzuholen? Die nächsten Jahren werden zeigen, wie weit Steffen Seibert seinem Vorgänger Ulrich Wilhelm folgen kann.

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